"Der Dunkle" und das Licht: Ben Barnes und Jessie Mei Li.

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Es dauert eine Weile, bis es Alina Starkow (Jessie Mei Li) in "Shadow and Bone" gelingt, das Licht in ihr aus eigener Kraft zum Leuchten zu bringen. In einer Mischung aus Euphorie, Wut, Verzweiflung, Schwärmerei stürmt und drängt das strahlende Licht zutage. Alina hält den glitzernden und funkelnden Ball in Händen und packt es gerade nicht. Smells like teen spirit.

Der Moment der Erleuchtung ändert in der seit Freitag auf Netflix verfügbaren Fantasy-Serie vieles, aber nicht alles. Mit ihrer gefundenen Lichtkraft ist Alina zur Sonnenkriegerin aufgestiegen, sie hat die Power, um die Dunkelheit zu zerstören. Fad wird ihr jedenfalls nicht.

Grisha und Krähen

Das sind die Voraussetzungen für zehn Folgen Fantasy nach der Vorlage von Bestsellerautorin Leigh Bardugo. Showrunner Eric Heisseler hat aus Bardugos Grisha- und Krähen-Büchern eine wendungsreiche Serie geschrieben, die das gesamte Instrumentarium des Genres zu spielen versucht.

Die tapfere Kriegerin Alina erhält fern der Heimat den Zugang zu sich und ihrer Macht. Diese Macht soll sie für den guten Zweck nützen und wird deshalb auserkoren, das Böse zu vernichten. Das Böse, das ist eine dunkle Energiewand, die sogenannte Schattenflur, die das Königreich Ravka in zwei Teile teilt. In diesem Königreich lebt ein hierarchisch geordnetes Volk, allen voran die sogenannten Grisha, eine Gruppe von Elitekriegern, die Elemente wie Feuer oder Wind beherrschen können, von Teilen der Bevölkerung dennoch missachtet werden, unter anderem von der traditionellen Armee.

Sehnsucht nach Mal

Die Macht ist das eine, sie zu schulen das andere. Die Ausbildung findet im elitären Teil des Reichs unter der Aufsicht des Grisha-Anführers General Kirigan (Ben Barnes) statt. Die Kontrolle der Macht schult die alte Baghra (Zoe Wannamaker), für gute Manieren und Unterhaltung sorgt ein Hofstab von Gleichaltrigen, auch dort sind nicht nur Wohlwollende. Und dazu kommt die Sehnsucht nach ihrem Freund Mal (Archie Renaux).

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Das ist aber noch nicht alles. Denn auf der anderen Seite der Mauer formiert sich eine muntere Jugendgang, angeführt vom Unterweltboss Kaz Brekker (Freddy Carter) mit Inej (Amita Suman) und Jesper (Kit Young). Die drei, inklusive einer Ziege, wollen Alina für einen hohen Lohn entführen. Mehr geht fast nicht.

Zusätzliche Zwiebeltürmchen

Gedreht wurde das Spektakel in Budapest. Das Schloss der Zaren ist das Originalschloss Festetics am Balaton, das für die Serie mit einigen zusätzlichen Zwiebeltürmchen aufgemotzt wurde. Das russische Setting zieht sich durch die optisch irgendwo im 18. Jahrhundert angesiedelte Serie und greift auf Elemente slawischer Mythologie zurück, etwa bei Magierin Baghra auf die Erzählung der wilden Baba Jaga.

Mehr "Bridgerton" als Westeros

Hindernisse überwinden, das Trennende vernichten, sich seiner eigenen Macht bewusst werden, das Innere zum Leuchten bringen und gleichzeitig die Launen der Liebe entdecken: Das sind die Themen der von Netflix so gehuldigten Gruppe der jungen Erwachsenen. Ein großes Abenteuer zu bestehen und darüber den Wert von Freundschaft und Zusammenhalt zu erfahren, darum geht es in zahlreichen Serien des Online-Videoanbieters, angefangen von "Stranger Things" und "13 Reasons Why" bis "Sex Education" und zuletzt "The Invincibles". Mit diesem Anspruch angetreten, hat "Shadow and Bone" seine gelungenen und weniger gelungenen Momente.

Der Vergleich mit "Game of Thrones" geht übrigens ins Leere. Die einzelnen Handlungsstränge finden nicht immer zueinander. Das Geplänkel am Hof erinnert mehr als "Bridgerton" als an Westeros. (Doris Priesching, 23.4.2021)