Bild nicht mehr verfügbar.

Mit welchen Berufen geht es bergauf? Und mit welchen bergab? Viele Trends, die vor der Pandemie bestanden, werden auch nachher bestehen
Foto: Getty Images

Mit der Elektrolokomotive wurde der Heizer überflüssig, mit dem Ende des Bleisatzes der Schriftsetzer. Räumt die Corona-Pandemie ähnlich radikal mit Berufsbildern auf? Findet aktuell gerade ein Aussterben lange gewohnter Tätigkeiten statt? Denkt man ganz schlicht an die Eventfotografie – vulgo Paparazzi –, dann war’s das vermutlich. Wer will schon ewig lange Society-Bilder, die nur aus Masken bestehen, scrollen und Partyräume mit meterweise Abstand zwischen den Celebritys klicken? Andererseits: Werden alle E-Learning-Portale, die in den vergangenen Monaten als Zukunftsheil aus dem Boden geschossen sind, überleben – wird die einzige Zukunft Distanzlernen sein?

Klar ist, dass in vielen Bereichen und Branchen gewaltige Umschichtungen stattfinden. Vieles hat vor der Pandemie seinen Anfang genommen und wurde im letzten Jahr immens beschleunigt. Konkret ist die Digitalisierung so gut wie aller Berufsbilder gemeint. Konkret ist damit auch gemeint, dass die sogenannten "menschlichen" Qualitäten ebenso an Bedeutung gewinnen.

Jobs, die kommen
▲ Softwareentwickler Vom System-Engineering über die IT-Security bis zur Softwareentwicklung: Diese Fachleute sind das begehr teste Gut.
 Pfleger Auch wenn zu wenig Ausbildungsplätze und geringe Bezahlung noch nicht geregelt sind: Tausende Pflegekräfte werden gesucht.
▲ Handwerkerin Ob in der Industrie oder zum klimaschonenden Tausch von Ölheizungen: Das Handwerk erlebt seine Renaissance auch beim Thema Klimaschutz.
 Lehrer Von der Elementarpädagogik bis in die Erwachsenenbildung und im gesamten Umschulungsbereich wird gesucht – natürlich mit Digi-Know-how.
▲ Klimaschutz Hier entstehen die meisten ganz neuen Jobs – von der Smart City bis zur Fassadenbegrünung –, und der Bereich Klimaschutz ist in großer Bewegung. Allerdings zielt der Bedarf auch auf traditionelle (Handwerks-)Berufe ab, die eine Basis für den Green Deal sind.

Der Chef des heimischen Arbeitsmarktservices (AMS) Johannes Kopf macht das an scheints niedrig qualifizierten Tätigkeiten fest: Hilfsköchinnen müssen auch gut lesen und schreiben können, weil Hygieneverordnungen zu verstehen, weil doch Allergene zu lesen und auszuweisen sind. Rezeptionisten müssen auch mit den tollsten digitalen Systemen spontane Kundenfragen und -beschwerden schriftlich behandeln können. "Covid-19 lässt weniger neue Jobs entstehen, viel mehr verändert sich der Zugang, wie starr oder eben flexibel Jobgrenzen gehandhabt und gelebt werden", sagt Anna Nowshad von Deloitte.

Job enrichment

Da passt das Bild aus dem guten alten Bleisatz in der Medienproduktion wieder: Journalisten sind heute Setzer, Layouter, Rechercheure, Schreiber und pushen online Meldungen. "Job enrichment" nennt man das in der Fachsprache. Jede(r) muss mehr können, Fähigkeiten ursprünglich anderer Berufsfelder integrieren, es kommt dauernd Neues dazu, auch wenn sich der Jobtitel nicht ändert. Juristen müssen mit Algorithmen klarkommen, die Rechtsmaterien durchforsten.

So viel zum großen Bogen, der alle betrifft. Und im Detail? Aus der Exegese der Stellenanzeigen seines Portals epunkt hat Daniel Marwan einen eindeutigen Trend identifiziert: über 70 Prozent mehr gesuchte Profile im Bereich Network und Security (Network-Engineer, Information-Secutity-Consultant oder System-Engineer) im Corona-Jahr. Fast 70 Prozent mehr sind es bei Softwareentwicklern. Nicht neu, dass diese gesucht sind – aber die Steigerungsraten sprechen für sich. Bei den bereits gesuchten Personalverrechnern, Steuerberatern, Controllern und Finanzbuchhaltern ist es ähnlich.

Jobs, die gehen
▼ Verkäuferin Die gewohnte Landschaft der vielen kleinen Einzelhändler wird ins Internet verschwinden. Klassische Verkäuferjobs im kleineren Outlet wird es in der Menge nicht mehr geben.
▼ Kellnerin In der Gastronomie wird es weniger Nachfrage geben, vor allem rund um die Geschäftsreiseindustrie werden die Jobs wohl nicht zurückkommen.
 Eventmanager Weniger Geschäftsreisen, mehr Videokonferenzen:
Das bedeutet auch, dass die Organisation von Events und Freizeitveranstaltungen für große Gruppen viel weniger werden.
▼ Lagerarbeiter Rund um das Reisegeschäft wird es weniger Hilfstätigkeiten rund um Gepäck und andere Lagermanipulation geben. Teilweise tritt da die Lieferlogistik der Plattformökonomie auf den Plan, doch das sind andere Jobs unter anderen Bedingungen.
 Sekretärin Hybrides Arbeiten heißt weniger Büroflächen und andere Abläufe. Assistenztätigkeiten fallen weg.

Wenig überraschend, dass Gastro und Einzelhandel stark gefallen sind in der Nachfrage. Wie das weitergeht, ist unklar. AMS-Chef Kopf ist überzeugt, dass aufgrund anhaltend geringerer Geschäftsreisen und einem Zusammenspiel der Klimathematik mit der Pandemie inklusive weniger Businessreisen als Folge die Jobs rund um die Event- und Businesshotellerie dauerhaft zurückgehen. Dasselbe gelte, sagt auch Wifo-Ökonomin Julia Bock-Schappelwein, für Tätigkeiten rund um das Facility-Management: Wenn die Zukunft der Arbeit hybrid ist, müssen weniger Büroflächen instand gehalten werden und es werden weniger Verpflegungsdienstleistungen wie Mittagessen in der Kantine benötigt. Die Arbeiterkammer-Expertin Silvia Hofbauer sieht es rund um die Reiselogistik so: So viele Mitarbeitende in der Gepäckmanipulation wird es nicht mehr geben. Büro- und Verwaltungsjobs dürften, sagt Daniel Marwan, ebenfalls laufend zurückgehen und ausdünnen – Stichwort Digitalisierung.

Klima-Jobs

Dass rund um die Verlangsamung des Klimawandels neue Jobs entstehen – von der Fassadenbegrünung bis zur E-Mobilität –, darin sind sich alle Experten einig. Interessanterweise führt auch das zu einer starken Renaissance: Handwerk wird goldener Boden vorausgesagt – von der Installateurin bis zu den (schon länger) bekannten Mangelberufen im industrienahen Bereich wie Schweißer, Schlosser, Baufachkraft.

AMS-Chef Kopf sieht auch große Zukunft für lehrende Berufe. Dass wir tausende Pflegekräfte brauchen, ist bekannt, allerdings ist es immer eine Frage der staatlichen Investitionen in das gesamte Ausbildungssystem. Johannes Kopf will hier nicht enden, sondern bringt die psychologischen Fachkräfte und Lebensbegleiter ins Spiel: "Was tun wir gegen die Einsamkeit in Heimen?" (Karin Bauer, 24.4.2021)