Im Grunde leidet das Auto ja unter zwei Geburtsfehlern, wie man aus heutiger Sicht überspitzt sagen könnte: Zuerst, also um 1900, hat sich der Verbrennungsmotor gegen den Elektroantrieb durchgesetzt. Sechzig Jahre später, schon zu Beginn des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg, hat sich das große Auto gegen das kleine durchgesetzt. Ursache war in beiden Fällen die gleiche: die trügerisch leichte Verfügbarkeit hoher Energiemengen in Form von Benzin und Diesel. Dieses Prinzip sollte jetzt angesichts der Erderhitzung durchbrochen werden. Die Ansätze sind relativ klar: Wir verwerfen das Prinzip Autoquartett und seine einfältigen Kriterien von "höher, schneller, schwerer, weiter". Wir starten neu und setzen die Geschichte, die nach dem Lohner-Porsche (1900) unterbrochen wurde, vollelektrisch fort, natürlich mit den heute verfügbaren Technologien. Und wir zünden eine ganz neue alte Idee, nennen wir sie Isetta-Prinzip. Das Leichtfahrzeug. Schlank, wendig, praktisch.

Renault Twizy, 2011 ein echter Pionier der Mikro-E-Mobilität.
Foto: Twizy

Wenn wir die Mobilität nun schlau und erfrischend neu denken wollen, müssen wir nämlich raus aus der alten Schleife des Rekorddenkens. Wir dürfen das Auto nicht nur von oben nach unten betrachten. Nicht Höchstwerte bei Geschwindigkeiten und Nutzlasten sollen die Maßstäbe für unsere Begehrlichkeiten sein, sondern die zielgenaue Abdeckung unserer wahren Bedürfnisse nach Mobilität, befreit von üblem übertriebenem Eitelkeitsgehabe. Das heißt: zuerst fragen, welcher Zweck zu verfolgen sei, und dann die dazu passende Beschaffenheit, Größe und Geschwindigkeit des Vehikels wählen.

Egoistisches Prinzip

Das ist alles nicht so einfach aus der herrschenden Situation heraus. Unser Bedürfnis nach Sicherheit hat alle Autos auch sehr schwer und brutal in ihrem Gehabe gemacht. Das egoistische Prinzip hat jahrzehntelang den Schutz des Fahrers und dann der Insassen in den Vordergrund gestellt, erst später ist Fußgängerschutz hinzugekommen. Das ändert noch immer nichts daran: Bis heute frisst der Große den Kleinen, weil die enorme Masse als physikalisches Prinzip vom Leichten nicht auszuhebeln ist.

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Microlino aus der Schweiz setzt auf einstigen Isetta-Charme.
Foto: REUTERS/Arnd Wiegmann

Der ursprüngliche Denkansatz war nicht schlecht: Die Motorrad- und Rollerfahrenden wollten ein Dach über dem Kopf und eine Windschutzscheibe vor der Nase. Man wollte die Welt ja nicht groß verändern, sondern nur ein Stück weiterkommen auf einem Weg in eine Zukunft mit guter Perspektive. Aber kaum waren BMW Isetta und die Kabinenroller von Heinkel und Messerschmitt zu kaufen, wurden sie von richtigen Kleinwagen ausgebremst.

Das Zwischending aus Roller und Auto war ja wirklich in jeder Hinsicht leicht zu überholen. Einige sahen aus, als hätten die Flugzeughersteller Heinkel und Messerschmitt noch ein paar alte Kampffliegerkabinen aus dem Zweiten Weltkrieg übrig gehabt. Ein bisschen viel Glaskuppel, ein bisschen viel Hitze und Kälte, kein echter Fortschritt für den Nutzer. Dazu kam noch, dass diese Substandard -Gefährte meist nur drei Räder aufwiesen. Das hatte zum Teil absurde Hintergründe. Technisch konnte man dadurch tatsächlich die Antriebseinheit eines Motorrollers mit Motor und Federung samt Schwinge als einzelnes Hinterrad verwenden. Dreirädrige Gefährte waren gesetzlich dem ebenfalls dreirädrigen Beiwagenmotorrad gleichgestellt und folglich auch mit Motorradführerschein zu fahren. Viele Kriegsheimkehrer hatten nur einen Motorradführerschein und nicht mehr die Kraft, den für Pkw nachzumachen.

Der Bio-Hybrid Passenger schafft, wie Twizy, zwei Passagiere.
Foto: Bio-Hybrid

Man nannte sie auch Schlaglochfresser, denn mit drei Rädern war es kaum möglich, ein Loch zwischen die Beine zu nehmen, und Löcher gab es damals noch genug in den Straßen. Puch (Fiat) 500 und VW Käfer war diesen obskuren Gefährten haushoch überlegen und kosteten auch nicht gar so viel mehr.

Nun kommt diese Idee wieder zurück. Hat sie eine Chance? Ja natürlich, aber nur, wenn das ganze Verkehrssystem neu konfiguriert wird. Solange diese durchaus smarten Vehikel im Verkehr ungeschützt gegen SUVs antreten müssen, werden sie aber kaum Chancen haben, sondern eher Angst und Schrecken verbreiten, und zwar nicht in der aggressiven, sondern in der verzweifelten Form.

Der Renault Twizy ist ein tapferer Vorbote. Er wird seit zehn Jahren serienmäßig angeboten und kämpft tapfer und nicht gerade flächendeckend erfolgreich um Kundschaft. Zahlreiche Start-ups haben die Idee aufgenommen und versuchen sie voranzutreiben. Nicht selten enden die großen Ideen im finanziellen Desaster der Betreiber, und die Cloudfinanzierung löst sich in Luft auf. Auch große Unternehmen klinken sich ein und verfolgen das Geschäftsmodell auf ihre Art, denken es oft noch radikaler, zum Beispiel als drei- oder vierrädriges E-Bike. Das Problem: Zwischen Fußgängern, Radfahrern und ein paar motorisierten Zweirädern ist in unserem Verkehrsgeschehen nicht mehr viel Platz für eine neue Gattung.

Bosch mischt mit dem eCargo ebenfalls an der E-Basis mit.
Foto: Bosch

Letzte Meile

Das wird sich ändern. Bei einer radikalen Neugestaltung der Ballungsräume, in der heutige Autostrukturen stark zurückgedrängt werden, werden Leichtfahrzeuge unterschiedlichster Art eine zentrale Rolle spielen. Aber keine Angst vor Sozialromantik. Von basisdemokratischem Selbertreten mit Akkuhilfe in hübschen Beserlparks wird wenig übrig bleiben. Die großen Logistikunternehmen werden damit die sogenannte Last Mile bearbeiten. Das ist der kommerzielle Ansatz, der jenes Kapital in Bewegung bringen wird, das nötig ist, um einen ganzen Kultursprung zu ermöglichen. Eine neue Erscheinungsform des Verkehrs: die Globalisierung einer Rikscha-Gesellschaft, mit allen sozialen Risiken für die, die treten müssen.

Es gibt auch noch viele technische Aspekte. Wir reden hier weniger über Geschwindigkeit, sondern mehr über Sicherheit. Die sogenannte Crash-Kompatibilität ist ja zwischen Leichtfahrzeugen und Autos im heute gewohnten Sinn nicht gegeben, allein der Massenverhältnisse wegen. 1000 bis 2000 kg gegen 100 bis 200 kg oder vielleicht 500 kg. Die dürfen einfach nicht zusammenstoßen, so viel Crashzone kann es nicht geben, dass der Impulssatz der Physik nicht den Schwächeren der beiden zerfetzen würde. Der nächste Schritt in der Evolution des Automobils wird also bedeuten, von der Crashbewältigung zur Crashvermeidung überzugehen. Mit immer ausgefeilteren elektronischen Assistenz- und Crashvorbeugungssystemen sind die Weichen für ein friedliches Miteinander von Groß und Klein im Verkehr längst gestellt. Das ist noch lange kein autonomes Auto, aber die Zukunft sind Vehikel, die sich dagegen sträuben, mit anderen zusammenzukrachen.

Andersrum die Dreiradidee des Gleam Cargo eBike.
Foto: Gleam

Und wo stehen wir jetzt noch? Der Renault Twizy wird gerne als Roll-Model für die Zukunft des Verkehrs gesehen, aber dafür ist er viel zu altmodisch gedacht, ist millimetergenau in eine konservative Logik zwischen Motorroller und Auto eingepasst. So funktioniert Zukunft nicht. Übrig bleibt letztlich nur, dass es Spaß macht, Twizy zu fahren, beim Nutzwert endet die Diskussion jedoch abrupt.

Mobilität muss von unten nach oben gedacht werden, Schritt für Schritt, von der Keimzelle der Mobilität, vom Zufußgehen bis hinauf zur Königsdisziplin unserer hochbeschleunigten Gesellschaft, dem Fliegen. Dann werden wir auch die richtigen Fahrzeuge für eine umweltschonende Mobilität kriegen. Der umgekehrte Weg ist selten ziel führend. Da entstehen Hochgeschwindigkeitszüge ohne Haltestellen. Das ist weder technisch sinnvoll zu bewältigen noch in der Energiebilanz vertretbar, aber auch nicht philosophisch zu begründen. (Rudolf Skarics, 2.5.2021)