Das Weiße Haus bliebe, geht es nach den Demokraten, weiter in einem eigenen Hauptstadtbezirk. Alles rund herum würde aber zum neuen Bundesstaat "State of Washington, Douglass Commonwealth".

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Ein Blick in die Seele von Bundesstaaten ist es gewissermaßen, der sich in der Autonation USA durch die Nummernschilder neu zugelassener Pkws bietet. "Smiling Faces, Beautiful Places" ist neben einer großen Palme etwa auf den Schildern aus South Carolina zu lesen, während optional auch ein simples "In God We Trust" zu haben ist. New Jersey wirbt mit dem euphemistischen Staatsslogan "Garden State"; "Life Elevated" steht vor dem Hintergrund einer Wüstenformation auf den Taferln aus Utah. Optimistisch und nett sind die Schilder zumeist, eine Einladung an Hinterherfahrende, doch einmal über einen Besuch des jeweiligen Staats nachzudenken.

Aus der Reihe fallen allerdings jene der Bundeshauptstadt Washington, D.C. "Taxation without Representation" ist dort seit dem Jahr 2000 zu lesen, seit 2017 ist dem Slogan noch das Wort "End" vorangestellt, um aus dem ironischen Spruch eine politische Forderung zu machen. Steuern zu zahlen, ohne politisch mitreden zu dürfen – das war es einst, was den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten mitausgelöst hatte, aus dieser Zeit stammt auch das Originalzitat.

Praktischer Name

Für die rund 700.000 Bewohnerinnen und Bewohner der US-Hauptstadt hält dieser Zustand allerdings an. Zwar wurde ihnen 1961 via Verfassungszusatz ein Mitspracherecht bei der Präsidentenwahl eingeräumt – nämlich gleich viele Elektoren wie "der Bundesstaat mit den wenigsten Wahlleuten" –, eine stimmberechtigte Vertretung im Repräsentantenhaus oder im Senat gibt es aber immer noch nicht.

Nun gibt es wieder einen Versuch, das zu ändern. Am Donnerstagabend hat das US-Repräsentantenhaus mehrheitlich dafür votiert, einen neuen Bundesstaat zu schaffen – mit allen damit verbundenen Rechten, also Sitzen im Repräsentantenhaus und im Senat. "State of Washington, Douglass Commonwealth" soll er heißen – eine elegant-pragmatische Lösung, die es erlauben würde, die bisherige Abkürzung "D.C." zu behalten und zugleich Frederick Douglass zu ehren. Douglass, ein ehemaliger Sklave und späterer Schriftsteller, war im 19. Jahrhundert eine der wichtigsten Stimmen für die Abschaffung der Sklaverei in den USA.

Sehr kleine Hauptstadt

Das Gebiet dieses neuen "Washington, D.C." wäre fast deckungsgleich mit der aktuellen Fläche – kleine Teile, in denen sich die wichtigsten Verwaltungsgebäude, das Kapitol und das Weiße Haus befinden, würden allerdings weiter in einem eigenen Hauptstadtbezirk verbleiben. Damit würde man den Vorgaben der US-Verfassung entsprechen, wonach es einen gesonderten "Hauptstadtbezirk, nicht größer als zehn Quadratmeilen", geben müsse, über den der Kongress Autorität hat. Intention der Gründerväter war es damals, keinen Staat entstehen zu lassen, der mehr Macht als alle anderen hat, weil er den Regierungssitz beheimatet.

Nicht gerechnet hatten sie freilich damit, dass einst mehr als 700.000 Menschen dort leben würden. Etwa gleich viele wie in den Staaten North Dakota und Alaska und mehr als in Vermont und Wyoming. Sie fordern die gleichen Rechte wie die meisten anderen US-Bürger. Seit den 1990er-Jahren hat die einzige Vertreterin des Gebiets im Kongress – die nicht stimmberechtigte Abgeordnete Eleanor Holmes Norton – stets ein Gesetz eingebracht, das diesen Zustand ändern sollte. Und nun hat das Repräsentantenhaus dieses auch zum zweiten Mal angenommen.

Kaum Chancen

Dass ein Staat "Washington, Douglass Commonwealth" so schnell Realität wird, ist dennoch nicht anzunehmen. Denn die ganze Angelegenheit ist von jeher vor allem parteipolitisch umstritten. Schon bisher gilt die Hauptstadt als denkbar sicherste Bank der Demokraten. 2020 stimmten 92,15 Prozent der Wahlberechtigten für Joe Biden als neuen Präsidenten.

Und so sind es auch vor allem die Demokraten, die den Plan für einen neuen Bundesstaat verfolgen. Heftiger Widerstand kommt von den Republikanern, die ein Dauerabo ihrer Gegner auf zwei Sitze im Senat und einen weiteren im Repräsentantenhaus möglichst vermeiden wollen. Zudem wollen sie um jeden Preis einen Präzedenzfall vermeiden. Denn auch Puerto Rico, Guam und weitere Überseeterritorien der USA könnten sonst mit gutem Grund den Anspruch erheben, zum Staat zu werden. Alle gelten als mehrheitlich demokratisch.

Und ironischerweise ist es auch genau der Senat, wo die Bemühungen um einen Bundesstaat ihr Ende finden werden. 60 Stimmen bräuchte man – jedenfalls mit größter Wahrscheinlichkeit – dafür, um das entsprechende Gesetz auch in dieser Kammer zu beschließen. Zwar gibt es auch die theoretische Möglichkeit, die Schaffung des Bundesstaates als Budgetfrage zu deklarieren und damit eine Abstimmung via einfacher Mehrheit zu ermöglichen. Dass das juristisch durchgehen würde, ist aber unwahrscheinlich. Außerdem müssten dann immer noch alle 50 Demokraten diesem Vorschlag zustimmen. Demokratische Senatorinnen und Senatoren aus mehrheitlich republikanischen Staaten – vor allem Joe Manchin aus West Virginia – zeigen sich aber zögerlich.

Die "Taxation without Representation"-Schilder werden also, aller Voraussicht nach, noch einige Zeit ihre Gültigkeit behalten. (Manuel Escher, 23.4.2021)