Makrokamera mit dem Smartphone? Klingt seltsam, wird aber von manchen Herstellern beworben.

Foto: STANDARD/Manakas

Auf der Suche nach einem neuen Smartphone kann man schnell am schier endlosen Angebot verzweifeln. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, werben Hersteller deshalb insbesondere mit den verbauten Kameras. Neben immer höher auflösenden Sensoren scheint sich auch die Anzahl der Kameramodule selbst zu vermehren. Nach den Trends in Richtung Tele und Ultraweitwinkel werben Produzenten inzwischen auch mit Makrokameras. Doch welchen Nutzen haben diese in Smartphones?

DER STANDARD hat die Funktion im Xiaomi Mi 11 und im Samsung A52 auf Herz und Nieren getestet. Außerdem wurde das Oneplus 9 zum Vergleich herangezogen, der Hersteller verspricht eine softwareseitige Lösung. Hinweis: Wer weitere Beispielfotos im Detail betrachten will, sei auf den dazugehörigen Google-Drive-Ordner verwiesen.

Immer dabei und voller Schwächen

Eigentlich klingt das Ganze erst mal ziemlich interessant. Immerhin müsste man im Bereich der klassischen Fotografie ein halbes Vermögen hinblättern, um hochwertige Makrofotos zu schießen. Samsung und Huawei verbauen hingegen einfach einen weiteren Sensor in ihren kompakten Geräten. Dieser löst mit fünf Megapixeln auf und hat eine Naheinstellgrenze von nur wenigen Zentimetern.

Links ist eine Aufnahme mit der Hauptkamera des Xiaomis zu sehen, rechts mit der Makrokamera.
Foto: STANDARD/Manakas

Nach erster Begeisterung zeigten sich im Praxistest jedoch zahlreiche Schwächen in der Umsetzung – die einen mit der Frage hinterlassen, ob hier ein Feature um des Features Willen verbaut wurde. Das beginnt schon bei der Überlegung, was man mit einem Smartphone eigentlich aus nächster Nähe ablichten möchte. Den Spaziergang, die Familie oder das eigene Zuhause? Es ist kein Zufall, dass Makroobjektive meistens zum Einfangen beeindruckender Naturgeschehnisse oder in der Produktfotografie verwendet werden. Hinzu kommt, dass eine Auflösung von fünf Megapixeln heutzutage durchaus belächelt werden darf.

Warum nicht die Hauptkamera?

Doch dabei bleibt es nicht. Denn es ist schlicht frustrierend, den Makromodus der getesteten Smartphones zu verwenden. Der Fokusbereich ist sehr schmal, bewegt sich das Subjekt also nur minimal, hat man ein unscharfes Bild vor sich. Doch selbst wenn man einen Stein ablichten würde: Allein durch die eigenen Handbewegungen verwackelt das Bild sehr häufig. Außerdem scheint die Software in keinem der drei Smartphones wirklich mit der Verarbeitung des Bilds hinterherzukommen. Immer wieder denkt man, dass man diesmal erfolgreich war, um dann erneut enttäuscht zu werden. Doch auch dies sollte in Wirklichkeit eigentlich niemanden verwundern, eine Spiegelreflex- oder Systemkamera würde man meist auf einem Stativ platzieren, um genau diese Probleme zu vermeiden.

Fotografiert man dasselbe Objekt sowohl mit der Haupt- als auch mit der Makrokamera (bzw. dem Makromodus), stellt sich außerdem die Frage, warum man Letztere überhaupt verwenden sollte. Immerhin löst der primäre Sensor des Xiaomi mit 108 Megapixeln auf, der des Samsung A52 mit 64 Megapixeln. Zwar sind es aufgrund des Einsatzes von Pixel-Binning in Wirklichkeit nur 16 beziehungsweise zwölf Megapixel, dennoch sind sie den Makrosensoren weit überlegen.

Es scheint also naheliegender, das Foto aus etwas weiterer Entfernung zu schießen und zuzuschneiden, als in den Makromodus zu wechseln, verzweifelt den richtigen Abstand zu suchen, um dann ein qualitativ minderwertigeres Ergebnis zu erzielen.

Links: die Hauptkamera des Samsung A52. Rechts: die dedizierte Makrokamera.
Foto: STANDARD/Manakas

Außerdem fällt unangenehm auf, dass es eine softwareseitige Nachschärfung der Makroaufnahmen zu geben scheint, vermutlich um den offensichtlichen Schwächen entgegenzuwirken. Diese führt jedoch zur Bildung von Artefakten, die die Fotos künstlich wirken lassen.

(Keine) softwareseitige Lösung

Am meisten Stirnrunzeln verursacht jedoch das Oneplus 9, dessen Kamera in Kooperation mit Hasselblad entwickelt wurde. Eine Makrokamera softwareseitig umzusetzen klingt fragwürdig – und ist es auch. Denn wenn es sich um eine Umsetzung mittels Algorithmen handelt, wird es sich in Wirklichkeit um nicht mehr als einen bereits durchgeführten Crop mit digitalen Verbesserungsversuchen handeln. Auch hier empfiehlt es sich also, die Hauptkamera zu verwenden, um den Bildausschnitt im Nachhinein festzulegen.

Im STANDARD-Test hat sich also sehr schnell herausgestellt, dass die Umsetzung der in Theorie durchaus interessanten Funktion vor allem ein nutzloses Gimmick zu sein scheint. Niedrig auflösende Sensoren, mangelnde Einsatzzwecke und schlechte Bildergebnisse machen die Makrokameras nämlich zu einem enttäuschenden Erlebnis. Angesichts der eher lieblosen Umsetzung ist es fraglich, ob die Entwickler überhaupt selbst auf den Erfolg der Funktion setzen – oder ob die Sensoren bloß verbaut wurden, um sich zumindest auf dem Papier von der Konkurrenz abzuheben. Als Nutzer jedenfalls gewinnt man diesen Eindruck. (Mickey Manakas, 24.4.2021)