Vom Kahlenberg (dem Hügel links) brachte ein Paar ein hartes Andenken mit, das in einem Prozess gegen einen zweifach vorbestraften 23-Jährigen eine Rolle spielt.

Foto: Robert Newald

Wien – Die neurochemischen Prozesse, die Menschen als Liebe empfinden, können die Wahrnehmung trüben – "Liebe macht blind", wie der Volksmund sagt. Bei der 20-jährigen Zeugin F., der Freundin des Angeklagten Muslim K., scheint das der Fall zu sein. "Er ist meine Zukunft. Er ist mein zukünftiger Ehemann", erklärt sie Richterin Erika Pasching auf deren Frage nach dem Verhältnis zwischen K. und ihr. Friktionsfrei scheint die bisher dreijährige Beziehung nicht zu sein: Zwei Auseinandersetzungen mit F. sind indirekt der Grund, warum der 23-Jährige mit einer Anklage wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und versuchtem Hausfriedensbruch hier sitzt.

Zwei Vorfälle beim Haus von Familie F. sind angeklagt. Der erste ereignete sich im November 2019: K. soll ein Fenster eingeschlagen haben. "Ich musste raus aus der Wohnung", erinnert er sich. Hinauskomplementiert wurde der Russe von F.s Mutter, nachdem er das Mädchen im Streit beschimpft und sich aggressiv aufgeführt hatte. Seiner Darstellung nach wollte er mit seiner Freundin nochmals Kontakt aufnehmen. "Ich habe ein Sackerl mit Kleidung dabeigehabt. Das habe ich gegen das Fenster geworfen. Leider war ein Stein drinnen, von dem ich nichts wusste."

Eigenes Handy zerstört

Richterin Pasching ist angesichts der Bilder im Akt skeptisch: Die Fensterscheibe ist nicht nur gesprungen, sondern komplett zertrümmert. "Grundsätzlich ist Ihnen aber bewusst, dass Glas zerspringen kann, wenn etwas dagegen fliegt?" – "Es war wirklich nicht mit Absicht." – "Haben Sie es zumindest für möglich gehalten, dass es passieren könnte?" – "Nein." – "Das ist dann kein Geständnis." K. betont aber, seiner Freundin danach 100 Euro als Schadenersatz gegeben zu haben. "Ihr zerstörtes Handy wurde auch vor Ort gefunden", stellt Pasching noch fest. "Ja, das habe ich selbst auf den Boden geschmissen, da ich wütend war."

Der Angeklagte scheint generell ein Problem mit seiner Impulskontrolle zu haben. Seine Strafregisterauskunft weist zwei Vorstrafen auf: Im Jahr 2018 wurde der Arbeits- und Unterstandslose wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung an einem Beamten verurteilt. 2019 erkannte ihn ein Gericht wegen gefährlicher Drohung für schuldig.

Auch am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2020 wollte K. mit seiner Freundin sprechen. "Ich habe geklopft, ihr Vater hat die Tür aufgemacht und gesagt, dass sie nicht da ist. Da habe ich die Tür aufgedrückt und ihn ein bisschen herumgeschubst", erklärt der Angeklagte. "Was wollten Sie in der Wohnung machen?", fragt Pasching. "Schauen, ob sie da ist." Woher F.s Vater Kratzwunden an der Hand und eine blutende Wunde im Mundbereich hat, kann K. sich nicht erklären. Nach zwei oder drei Minuten sei er wieder gegangen. "Ich weiß wirklich nicht, wie das passiert ist."

Angebliche Drohung mit Schlägen

Vater F., der nicht sagen kann, ob seine Tochter noch mit K. zusammen ist, hat eine Theorie zum Ursprung seiner Verletzungen, die er als Zeuge schildert. "Er ist aufgetaucht und hat an ihrem Fenster gepumpert", schildert er diesen 26. Dezember. Danach sei er ums Haus gegangen und habe Sturm geläutet. Fünf bis zehn Minuten sei das abwechselnd so gegangen, dabei habe K. gebrüllt, dass er F. schlagen werde, behauptet der Vater.

Er forderte seine Tochter auf, ins versperrbare Badezimmer zu gehen, dann öffnete er die Wohnungstür, um mit K. zu reden. "Er hat mich sofort weggestoßen und wollte hinein. Ich habe ihn festgehalten, wir haben fast gerauft. Er hat auch gesagt, dass er ein Messer dabei hat und es auch einsetzen wird", schildert der Zeuge auch eine angebliche Drohung. Dass K. nach wenigen Minuten wieder verschwunden sei, bestätigt aber auch der Zeuge.

Die Tochter macht von ihrem Aussageverweigerungsrecht kein Gebrauch – und nimmt im Fall des zerstörten Fensters alle Schuld auf sich. "Wir haben gestritten, gestritten, gestritten", sagt sie. Und zwar am offenen Fenster, nach K.s unfreiwilligem Abgang. "Dann habe ich das Fenster zugemacht, das hat er vielleicht nicht gesehen." Das Sackerl mit seiner Kleidung habe wegen ihr zerstörerische Kraft entfaltet. "Ich habe damals gedacht, es ist aus. Deshalb habe ich ihm heimlich unseren Glücksstein in sein Sackerl eingepackt, bevor er gegangen ist." Der harte Talisman wurde beim zweiten oder dritten gemeinsamen Treffen auf dem Kahlenberg eingesammelt, erfährt man noch.

"Er hatte Angst, dass ich mir wehtue"

Auch dem zweiten Vorfall sei eine Auseinandersetzung vorausgegangen, sagt die auffällig schlanke und jünger als 20 aussehende Zeugin. "Er hatte Angst, dass ich mir wehtue wegen unseres Streits um ein Mädchen", verteidigt F. den Angeklagten. "Er hat keinen Angriff versucht, er wollte nur hereinkommen", sagt sie.

Angeblich sei sie auch nur die ersten Sekunden im Badezimmer gewesen, danach habe sie aus dem Nebenzimmer gesehen, dass ihr Vater K. die ganze Zeit an der Schulter gehalten hat. "Ich habe auch keine einzige Drohung gehört", beteuert sie. Auf Paschings Einwand, dass Vater F. die Sache anders darstellt, antwortet die Zeugin: "Ich will meinen Papa nicht beschuldigen, dass er lügt, aber er kann Muslim nicht leiden", vermutet sie eine übertriebene Darstellung.

An die die Richterin nicht glaubt. Sie verurteilt K., der seit drei Wochen in Untersuchungshaft ist, wegen der angeklagten Delikte zu 15 Monaten Haft, fünf davon sind unbedingt. "Ich glaube die Geschichte mit dem Glücksstein einfach nicht", begründet sie ihre Entscheidung. "Selbst wenn man es glauben würde – aufgrund des Fotos ist klar, dass etwas mit sehr großer Wucht gegen das Fenster geworfen wurde. Ich nehme an, Sie waren aufgebracht, genauso wie am 26. Dezember, das passt leider in Anbetracht Ihrer Vorstrafen wie die Faust aufs Auge."

"Spürbare Konsequenz erforderlich"

Die beiden offenen Vorstrafen widerruft Pasching allerdings nicht. "Sie verspüren jetzt erstmals das Haftübel und sind erstmals als Erwachsener vor Gericht. Ich hoffe, der unbedingte Teil reicht. Aber eine spürbare Konsequenz ist erforderlich. Denken Sie jetzt noch eine Weile darüber nach und passen Sie in Zukunft Ihr Verhalten an", gibt die Richterin K. noch mit auf dem Weg zurück in die Justizanstalt. "Versprochen", betont der seine Reformwilligkeit. (Michael Möseneder, 23.4.2021)