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Ein ursprünglich allseits gelobtes Buch verschwindet wegen Missbrauchsverdachts: Blake Baileys umfangreiches Porträt von US-Autor Philip Roth.

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Blake Bailey (57), eben noch akklamierter Biograf des US-amerikanischen Jahrhundertautors Philip Roth, sieht sich mit ernsten Vorwürfen der sexuellen Belästigung sowie der Vergewaltigung konfrontiert. Bailey, der in der Vergangenheit bereits Biografien über Richard Yates oder John Cheever verfasst hat, soll sich bereits in den 1990er-Jahren als Mittelschullehrer in New Orleans gegenüber Schülerinnen "unangemessen" benommen und von ihnen sexuelle Handlungen erzwungen haben. Weiters wird Bailey vorgeworfen, er habe 2015 eine leitende Verlagsangestellte im Haus eines Buchkritikers in New Jersey vergewaltigt. Gegenüber der "New York Times" wies Bailey die Beschuldigungen als "kategorisch falsch und verleumderisch" zurück.

Der wenig erquickliche Stoff würde sich im Werkregister des großen jüdischen US-Romanciers Philip Roth (1933–2018) gar nicht verkehrt ausnehmen. Der Plot: Ein Autor von Weltformat, nämlich Roth, betraut den aus Oklahoma stammenden Kollegen Blake Bailey mit der Aufgabe, seine Lebensgeschichte niederzuschreiben: die Story eines jüdischen Intellektuellen aus Newark (New Jersey), der aus den eigenen Obsessionen ein ebenso gigantisches wie kühnes, in allen Farben der Manie und Selbstbezichtigung schillerndes Romanwerk zimmerte.

Imposante 900 Seiten

Roth lud den frisch gekürten Vertrauensmann anno 2012 sogar in sein Wochenendhaus in Connecticut ein und erteilte ihm seelenruhig Auskunft. Die Frucht von Baileys Bemühungen ist imposante 900 Seiten stark und enthält reichlich Schmackes. Immerhin war Roth eine schwierige Persönlichkeit in eroticis; sein Sex-Life gestaltete er wiederholt als Versteckspiel.

Baileys Werk, von der Kritik recht wohlwollend aufgenommen, erreichte unter dem reichlich endgültig wirkenden Titel "Philip Roth – The Biography" (Norton) 2021 die US-Buchläden – drei Jahre nach Roths Ableben.

Gerade als die Druckerei daranging, die zweite Auflage herzustellen (die erste umfasste 50.000 Stück), wurden Auslieferung und Bewerbung von Baileys Werk ausgesetzt. Immerhin nimmt der Verlag W.W. Norton die Vorwürfe "sehr ernst". Tatsächlich hatten erste Begutachter des Bailey-Wälzers an diesem getadelt, in ihm würde allzu vertrauensselig Roths Perspektive eingenommen. So fragt Bailey an einer Stelle, was denn ein vielsprechender junger Autor wie Roth denn mit seiner ersten Ehefrau hätte anfangen sollen – die ihn letztlich nur vom Sex mit anderen Frauen abhielt. Skurriles Detail am Rande: Etwa zeitgleich ist eine zweite Roth-Biografie erschienen, "Philip Roth – A Counterlife" von Ira Nadel. (Ronald Pohl, 24.4.2021)