Bojko Borissow spricht sogar schon von möglichen Neuwahlen.

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Die bisherige bulgarische Regierungspartei Gerb unter Bojko Borissow ist am Freitag nach einer Woche Verhandlungen daran gescheitert, eine Mehrheit für eine neue Koalition nach den Wahlen am 4. April zu formieren. Gerb bekam bei den Wahlen 26 Prozent der Stimmen. Die Reihe ist nun an der zweitstärksten Partei "Es gibt so ein Volk" des populistischen Entertainers Slavi Trifunow, die 17 Prozent der Stimmen gewann. "Es gibt so ein Volk" hat ebenfalls – so wie Gerb– eine Woche Zeit, um zu versuchen, eine Mehrheit im Parlament zu bekommen.

"Die, die im Parlament sitzen, sind gegenüber jenen arrogant, die die Wahlen gewonnen haben", sagte Borissow sichtlich verärgert, nachdem seine Versuche gescheitert waren, ein Regierungsbündnis mit den reformorientierten Kräften wie "Demokratisches Bulgarien" und Trifunow zu schmieden.

Trifunow erkrankt

Der langjährige Premier hatte versucht, Brücken zu Trifunow zu schlagen, und etwa Ljuben Dilow, einen Geschäftspartner von Trifunow, als Tourismusminister und Kalin Veliow, den früheren Schlagzeuger in der Ku-Ku-Band von Trifunow, als Kulturminister vorgeschlagen. Borissow erwähnte am Freitag zudem, dass er davon ausginge, dass es zu Neuwahlen kommen könnte.

Trifunow hat sich bisher nicht klar zu seinen Plänen geäußert. Er ist zudem an Covid-19 erkrankt. Er bräuchte für eine Regierung ohne Gerb auch die Unterstützung der Sozialisten und anderer Parteien. Allerdings hätten diese Kräfte kaum inhaltliche Gemeinsamkeiten. Vor allem eine Koalition mit den Sozialisten, die eine prorussische Haltung einnehmen, ist für viele ein Tabu.

Minderheitsregierung

Der bulgarische Politikwissenschafter Alexej Pamporow sagt zum STANDARD, dass es auch zu einer Bildung einer Minderheitsregierung kommen könnte, eine klare Mehrheit gegen die Gerb sei bereits ersichtlich gewesen. Allerdings könnte so eine Minderheitsregierung jederzeit die Unterstützung im Parlament verlieren. (Adelheid Wölfl, 23.4.2021)