Der Umgang mit Geld beim Zahlungsdienstleister Wirecard war scheinbar besonders: Mitarbeiter sollen regelmäßig Bares im Plastiksackerl aus dem Unternehmen getragen haben.

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Die Aufarbeitung der spektakulären Pleite von Wirecard bringt immer noch pikante Details ans Licht. Laut "Financial Times" sagten ehemalige Angestellte vor der Münchner Polizei aus, dass Mitarbeiter über Jahre hinweg regelmäßig große Geldmengen in bar in Supermarktplastiktaschen aus der Zentrale trugen. Die Praxis soll bereits 2012 begonnen haben. Wie viel Geld insgesamt und zu welchem Zweck aus dem Gebäude getragen wurde, sei unklar.

Die ehemaligen Mitarbeiter sagten aus, dass fast zwei Jahre lang bis 2018 Beträge bis 700.000 Euro aus der Zentrale getragen worden seien – manchmal mehrmals pro Woche. Damit könnten mehr als 100 Millionen Euro an Bargeld aus der Wirecard-Zentrale geschafft worden sein. Interne Aufzeichnungen würden allerdings nur Abhebungen von rund sechs Millionen dokumentieren.

Geld zum Flughafen

Viele der Bargeldbehebungen seien durch die Assistentin eines hochrangigen Wirecard-Managers, der für die in Dubai tätige Tochter tätig war, erfolgt. Sie habe die Plastiktaschen voller Geld zumindest in einem Fall zum Flughafen München gebracht. In einem anderen Fall soll ein sechsstelliger Betrag für den in Manila sitzenden Ex-Wirecard-Mitarbeiter Christopher Bauer bestimmt gewesen sein. Kurz nach dem Zusammenbruch von Wirecard wurde berichtet, Bauer sei gestorben.

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrugs, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Vorstände von Wirecard sitzen in Untersuchungshaft, Ex-Chef Jan Marsalek ist auf der Flucht. Der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin und damit auch dem Finanzministerium wird weitgehendes Versagen in dem Fall vorgeworfen.

Für die ermittelnden Behörden sind noch immer viele Fragen offen. Parallel zu den Ermittlungen läuft auch ein parlamentarischer U-Ausschuss. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte bei ihrer Befragung am Freitag unter anderem ihren Einsatz für Wirecard bei einer China-Reise. Das Unternehmen habe "keine Sonderbehandlung" genossen, so Merkel.

Der Kontakt von Merkel zu Ex-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist hingegen "momentan erstorben", sagte Merkel im U-Ausschuss. Sie habe sich wegen dessen Lobbyismus für den Skandalkonzern Wirecard distanziert. Es gebe derzeit keine konkreten Pläne, noch einmal Kontakt mit ihm zu haben, auch wenn dies nicht ausgeschlossen sei. Der frühere Shootingstar der CSU hat im Dienste von Wirecard die Regierung im September 2019 über den geplanten Markteintritt des Zahlungsabwicklers in China informiert und diese gebeten, die Pläne wohlwollend zu unterstützen – was Merkel dann wenige Tage später bei einer China-Reise auch tat.

Geld fehlt in der Bilanz

Der Digitalfinanzdienstleister, der zeitweise einen Börsenwert von 24 Milliarden Dollar (19,9 Mrd. Euro) erreichte, stürzte im Vorjahr im Zuge eines der größten deutschen Bilanzierungsskandale in die Pleite. Es war bekannt geworden, dass 1,9 Milliarden Dollar Firmenkapital gar nicht existierten und dass Teile des Geschäfts in Asien Scheingeschäfte waren. Wirecard, dessen Hauptgeschäft die Abwicklung von Zahlungen von Onlinehändlern war, besaß eine eigene Bank und Banklizenz, allerdings keine Filialen. Als der Bedarf an Bargeld wuchs, wurde ein Safe für die Zentrale angekauft. (red, 23.4.2021)