Künftig könnte der Strom nicht nur ins E-Auto, sondern auch wieder zurück ins Stromnetz fließen.

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Wenn die Österreicher aus dem Bett steigen, die Kaffeemaschine anwerfen, der Boiler für die Morgendusche anspringt und das Frühstücksei in der Pfanne brutzelt, schnellt der Stromverbrauch landesweit rasch nach oben. Bislang hieß das: Das Gas- oder Kohlekraftwerk gibt mehr Dampf.

Solarkraftwerke kommen morgens allerdings erst langsam in die Gänge. Die Leistung steigt mit dem Sonnenstand an und erreicht zu Mittag ihren Höhepunkt, um bis zum Abend, wenn wieder gekocht und geduscht wird, wieder abzufallen. Überspitzt gesagt: Solarmodule erzeugen den Strom immer dann, wenn ihn wenige brauchen – und Wind ist ohnehin unberechenbar. Genau auf Photovoltaik und Wind liegt aber die große Hoffnung der globalen Energiewende.

Energiespeicher spielen deshalb eine Schlüsselrolle bei der Abkehr von fossilen Energieträgern, schreibt die Internationale Energieagentur (IEA) – und auch sonst sind sich in dieser Einschätzung alle einig. Bisher ging das Stromspeichern vor allem so: Bei Überschuss Wasser auf den Berg pumpen und bei Bedarf wieder durch eine Turbine nach unten rinnen lassen. Erst langsam werden Akkus so erschwinglich und kompakt, dass sie sich im großen Stil auch als Reserve für das Stromnetz nutzen lassen.

Die meisten produzierten Akkus wandern derzeit in Fahrzeuge – aber auch dort könnten sie helfen, die Netze zu stabilisieren. Durch sogenanntes bidirektionales Laden soll Strom nicht nur ins Elektroauto hinein-, sondern auch aus diesem herausfließen. Das durchschnittliche Auto steht 23 Stunden nur herum – das mag zwar vor allem in der Stadt Platzverschwendung sein, für ihre Rolle als Energiespeicher ist das aber ideal. In Zukunft könnten viele Hunderttausend Elektroautos den Strom für ebenso viele warme Duschen oder Herdplatten bereitstellen. Mit Betonung auf "könnten" – denn momentan werden Österreichs Elektroautos fast nur ge-, aber nicht entladen.

Momentan kaum lohnend

"Es scheitert aktuell an den Fahrzeugen", sagt Georg Lettner vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien. Er leitet das Forschungsprojekt Car2Flex unter dem Dach des Green Energy Lab, das die Möglichkeiten von Vehicle-to-Grid-Infrastruktur ausloten soll. Aktuell können nur wenige Fahrzeuge und Ladesäulen Strom vom Auto ins Netz speisen. Dazu kommen unterschiedliche Anschlüsse und Schnittstellen – eine einheitliche Softwareplattform gibt es bisher noch nicht.

Aber selbst ohne technische Hürden würden Autohalter mit der Stromspeicherung derzeit nicht das große Geld machen. Rund 20 Cent kostet eine Kilowattstunde Strom für Privatkunden, die Einspeisevergütung liegt derzeit bei etwa fünf Cent – Strom aus dem Netz zu speichern wäre ein Verlustgeschäft. Die Strompreise für Konsumenten spiegeln die wahren Kosten für Energie nicht wieder, so Lettner. An den Strombörsen hingegen schwankt der Preis mit Angebot und Nachfrage, Spitzenlaststrom kann dort im Extremfall ein Vielfaches von günstigem Grundlaststrom kosten.

15 Demo-Standorte geplant

Schon eher könnte sich bidirektionales Laden hingegen im Einfamilienhaus lohnen. Statt den Solarstrom vom Dach für wenig Geld ins Netz einzuspeisen, könnte dieser im Elektroauto gespeichert werden und bei Bedarf, etwa nachts, den teureren Netzstrom ersetzen. Das Projektteam arbeitet gerade an einer Gleichstromladesäule, Umwandlungsverluste fallen damit weg.

Bis kommenden Frühling will Car2Flex außerdem mindestens 15 Demo-Standorte aufbauen, an denen Strom aus dem Auto selbst genutzt oder ins Netz gespeist werden kann. Es ist ein reiner Modellversuch, denn das Arbitragegeschäft mit vorher vom Netz abgezapften und später weiterverkauften Strom rechnet sich momentan noch nicht. "Dazu bräuchten wir ein komplett neues Tarifsystem", sagt Lettner. Denkbar wäre etwa, Elektroautobesitzer für die Vorhaltung von Kapazitäten zu bezahlen. Das passiert aktuell im großen Maßstab mit Kraftwerken, die kurzfristig Blackouts verhindern sollen.

Regulatorische Herausforderung

Auch bei der Verbund-Netztochter Austrian Power Grid verfolgt man das Thema Vehicle-to-Grid. Es sei aber "regulatorische Herausforderung", sagt Kurt Misak, der dort die Abteilung Versorgungssicherheit leitet. Wenn Kunden plötzlich zum Erzeuger oder Dienstleister werden, stellt sich die Frage, wer sie für das Einspeisen bezahlt – die Netzbetreiber, die Stromversorger, die Konsumenten? Sich allein auf das Marktmodell zu verlassen sei jedenfalls zu verlassen sei aber zu wenig, sagt Misak, es brauche in Zukunft wohl Flatrates und Bonussysteme, um Anreize zu schaffen. Überschätzen darf man E-Autos als Stromspeicher zudem nicht: Selbst wenn fünf Millionen Elektroautos ihre Batterie teilen würden, hätten diese nur rund ein Zehntel der Kapazität von Österreichs Pumpspeicherkraftwerken, rechnet Misak vor.

Lettner sieht das Potenzial vor allem bei Carsharing-Anbietern oder Park-and-ride-Garagen. Dort könnte der Stellplatz in Zukunft kostenlos angeboten werden, wenn der Parkhausbetreiber im Gegenzug die Batterie managen darf. Im Idealfall werde das Teilen der Autobatterie so normal wie das Mülltrennen, sagt Lettner. "Das haben wir uns schließlich auch angewöhnt, ohne eine direkte Gegenleistung dafür zu bekommen." (Philip Pramer, 26.4.2021)