Wer wissen will, wie es mit dem Linux-Desktop weitergeht, greift zu Fedora. Ein Ruf, den sich die Distribution mit gewissem Recht erarbeitet hat. Immerhin steht dahinter nicht nur Red Hat und damit der finanziell erfolgreichste Linux-Anbieter, das mittlerweile im Besitz von IBM stehende Unternehmen stellt vor allem auch die Entwickler für viele zentrale Projekte in diesem Bereich.

Neuer Desktop

Mit Fedora 34 gibt es nun eine neue Version der Distribution, und diese wird ihrem Ruf wieder einmal voll und ganz gerecht. Während die aktuelle Ubuntu-Version den Wechsel auf GNOME 40 scheut, findet sich die neue Desktop-Generation bei Fedora bereits. Damit einher gehen einige zentrale Änderungen. Dies reicht von einem generell überarbeiteten Look bis zur Neugestaltung der Aktivitätsübersicht.

Die neu gestaltete Aktivitätsübersicht von GNOME 40 unter Fedora 34.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Konkret bedeutet dies etwa, dass die Leiste mit den bevorzugten Apps in der Aktivitätsübersicht nun unten statt links angebracht ist. Außerdem sind die virtuellen Desktops jetzt horizontal statt vertikal angeordnet. Zudem wird beim Login automatisch in die Aktivitätsübersicht gewechselt, anstatt den leeren Desktop zu präsentierten. Letzteres hatte sich in Nutzerstudien als verwirrend für manche User herausgestellt. All das ist mit diversen neuen Gesten für das Touchpad kombiniert, um auch die Nutzung auf diesem Weg zu vereinfachen. Die grundlegenden Konzepte werden beim ersten Login in die neue Version erklärt, wer mehr zu all den Neuerungen von GNOME 40 wissen will, sei auf unseren ausführlichen Test verwiesen.

Softwareauswahl

Die Softwareausstattung von Fedora 34 ist erfreulich schlank. Neben Firefox 87 gehört dazu vor allem LibreOffice 7.1.2.2. Ansonsten entstammen die grafischen Programme direkt dem GNOME-Paket. Besonders herausgestrichen sei dabei die neue Version von GNOME Weather, die ein komplett neues – und wirklich gelungenes – User Interface verpasst bekommen hat. Ansonsten gibt es vom Texteditor über den Videoplayer und den Musik-Player Rhythmbox so ziemlich alles, was man im Desktop-Alltag so braucht. Dass Fedora mit GNOME Boxes auch eine Virtualisierungssoftware mitliefert, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass Entwickler die Kernzielgruppe bilden.

Was allerdings etwas überrascht, ist, dass Fedora von Haus aus weiterhin kein einziges Programm als Flatpak ausliefert, immerhin gehört die Distribution zu den Hauptproponenten des neuen Paketformats. Vor allem aber hat Fedora mittlerweile ein eigenes Repository mit Flatpaks aufgebaut, das bisher aber nur beim alternativen Desktop-Angebot Fedora Silverblue von Haus aus genutzt wird. Dass man nicht gleich auf die distributionsunabhängige Plattform Flathub setzt, ist hingegen wieder verständlich. Immerhin widerspricht es der Fedora-Philosophie, dass hierüber auch nichtfreie Software vertrieben wird. Wer es in dieser Hinsicht nicht ganz so genau nimmt, der kann für die eigenen Videobedürfnisse wie gewohnt über externe Repositorys die passenden Codecs nachinstallieren. Oder aber man wählt einen anderen Weg, der interessant sein könnte, wenn man ohnehin Videos nur im Browser schaut: Auf Flathub gibt es mittlerweile eine von Mozilla selbst gepflegte Version von Firefox, die bereits von Haus aus mit all den notwendigen Codecs ausgestattet ist.

Der Anwendungsstarter im Vergleich: links Fedora 33, rechts Fedora 34.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Wayland

Während Ubuntu gerade erst auf Wayland gewechselt ist, nutzt Fedora den X.org-Nachfolger schon länger als Default-Wahl für seinen Desktop. Mit Fedora 34 bezeichnet man die Entwicklung nun aber als komplett – im Sinne davon, dass sämtlich funktionellen Defizite – oder zumindest die, die man für relevant hält – ausgeräumt wurden. Die neue Version nimmt in dieser Hinsicht zwei wichtige Schritte vor. Einerseits wäre da die Unterstützung von 3D-beschleunigter Ausgabe mit XWayland-Anwendungen bei Verwendung des proprietären Nvidia-Treibers. Damit das auch wirklich geht, bedarf es zwar noch einer neuen Treibergeneration, die im Sommer folgen soll. Die Grundlagen sind aber – endlich – geschaffen. Dem waren jahrelange Diskussion zwischen der Linux-Community und Nvidia vorausgegangen. Die zweite aktuelle Neuerung ist der Headless-Display-Support in Wayland. In diesem Modus läuft der Desktop ohne grafische Ausgabe direkt am Gerät. Das mag paradox klingen, hat aber durchaus seine Einsatzgebiete. Ein Beispiel wäre hier ein Server, dessen Benutzeroberfläche ausschließlich über eine Remote-Desktop-Verbindung – also etwa VNC oder RDP – angezeigt wird.

Parallel hat Fedora auch bei der Unterstützung alter X-Programme unter Wayland einen Wechsel vollzogen: So ist dafür nun ein eigenständiges XWayland-Paket zuständig, das direkt aus dem Entwicklungszweig des Projekts erstellt wird. Klingt nach einem Implementationsdetail, hat aber durchaus relevante Auswirkungen auf die Nutzer. Erhält man so doch deutlich neuere XWayland-Versionen, da bei X.org sonst die Entwicklung zu weiten Teilen eingeschlafen ist, und so auch viele aktuelle XWayland-Verbesserungen noch auf eine offizielle Release warten. Dieser Wechsel bringt also einige aktuelle Optimierungen mit sich, so werden etwa durch ein neues Buffer-System Tearing-Problem bei XWayland-Anwendungen verhindert.

Pipewire übernimmt alle Audio-Aufgabe

Strukturell noch wichtiger ist aber ein andere Schritt: Mit Fedora 34 tauscht die Distribution nämlich kurzerhand das gesamte Audiosystem aus. So werden diese Agenden künftig vom Multimedia-Framework Pipewire übernommen. Bisher war dies nur für Videoaufgaben und hier nicht zuletzt für Screen Sharing zuständig. Mit der neuen Version schnappt es sich zusätzlich den Bereich Audio – und das gleich komplett. Es ersetzt nämlich mehrere bisher genutzte Systeme: Neben Pulseaudio zählt dazu auch die Profilösung Jack, selbst für die alten ALSA-Schnittstellen gibt es einen Ersatz. Der Wechsel erfolgt dabei nahtlos, es werden also künftig wirklich alle entsprechenden Aufgaben über Pipewire geleitet, das entsprechend mit den älteren Lösungen kompatibel ist.

Die Audio-Komponenten von Pipewire wurden in Kooperation mit Entwicklern von professionellen Audio-Tools entwickelt. Dabei hat man sich in weiten Teilen am Design von Jack orientiert, um dessen Vorzüge wie niedrige Latenz und generell hohe Performance zu erben. Für viele Desktop-Anwendungen sollte dies im Vergleich zu Pulseaudio also deutliche Verbesserungen bringen. Ein Beispiel hierfür ist etwa der durchgängige Support für hochqualitative Bluetooth-Audio-Codecs. Ein weiterer Vorteil von Pipewire ist die höhere Sicherheit. Können damit doch pro Client Regeln festgelegt werden, etwa um zu bestimmen, auf welche Gerät zugegriffen werden kann oder ob die Ausgabe von anderen Programmen unterbrochen werden darf. In Kombination mit einer Sandbox, wie sie etwa bei als Flatpak gelieferten Anwendungen vorhanden ist, verspricht dies also einen deutlichen Sicherheitsgewinn.

Die Softwarezentrale von GNOME
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Erwähnt sei an dieser Stelle allerdings auch, dass lange nicht klar war, ob Pipewire wirklich schon in Fedora 34 zur Default-Wahl werden soll. Immerhin werden hier gleich mehrere andere Lösungen komplett ersetzt, was einiges Potenzial für Probleme birgt. Schlussendlich hat man sich dann zwar zu diesem Schritt entschlossen, trotzdem gilt es abzuwarten, wie viele Fehler sich hier in den kommenden Monaten noch zeigen werden. Während einige Nutzer davon berichten, dass bei ihnen der Wechsel problemlos war, zeigten sich im Test immer wieder Probleme mit in einzelnen Programmen fehlenden Ausgabegeräten sowie Bluetooth-Audio-Verbindungsprobleme – wobei letztere natürlich auch auf andere Änderungen zurückzuführen sein könnten. Bluetooth ist ja generell nicht unbedingt also eine sonderlich zuverlässige Technologie bekannt.

Rendering

Eine weitere für den Desktop relevante Neuerung ist eine, bei der sich Fedora gehörig Zeit gelassen hat: Für Freetype wurde endlich Harfbuzz aktiviert. Wem das so gar nichts sagt: Das soll die Schriftendarstellung verbessern. Ebenfalls ein großer Schritt ist die Auslieferung von GTK4: Immerhin handelt es sich dabei um eine komplett neue Generation jenes grafischen Toolkits, das – unter anderem – die Basis für GNOME bildet. Aktuell klingt das aber etwas relevanter, als es in der Praxis ist, gibt es doch bisher kaum eine Anwendung, die schon auf GTK4 portiert wurde.

Bereits mit Fedora 33 wurde auf btrfs als Default-Dateisystem gewechselt, mit der neuen Version geht man nun noch einen Schritt weiter. Es ist nämlich auch die zstd-Komprimierung von Haus aus aktiviert. Das soll nicht nur Platz sparen, sondern auch Flash-Medien schonen und so deren Lebensdauer erhöhen. Wie bei solch strukturellen Änderungen üblich, gilt dies natürlich nur für Neuinstallation. Wer dies nach einem Upgrade von Fedora 33 – so das betreffende System denn überhaupt mit btrfs läuft – nachholen will, muss dafür selbst Hand in der /etc/fstab anlegen.

Dank der Nutzung von systemd-oomd soll Fedora nun besser darauf reagieren, wenn RAM oder Swap knapp werden. Das Ganze ist ein Ableger einer Facebook-Entwicklung, die das Unternehmen für die eigenen Server ersonnen hat.

GNOME Weather
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Grundlagen

Die Basis des Systems bildet Linux 5.11. Wer Fedora kennt, weiß aber, dass ein Update auf die nächste Version bald folgen dürfte. Die Distribution gibt sich in dieser Hinsicht deutlich Upgrade-freudiger als andere Anbieter. Weiter wichtige Updates stellen die 3D-Bibliothek Mesa 21 sowie die Compiler GCC 11 und LLVM 12 dar. Für Entwickler wichtig sind die Aktualisierungen auf MariaDB 10.5, PostgreSQL 13 und Ruby 3.0.

Auswahl

Erwähnt sei, dass die Fedora Workstation zwar die zentrale Desktop-Ausgabe des Projekts ist, sie ist aber bei weitem nicht einzige. Da wäre zunächst mit Fedora Silverblue so etwas wie der designierte Nachfolger der Workstation, der ganz auf Flatpaks auf Basis eines unveränderbaren Systems setzt. Aber es gibt auch zahlreiche Spins mit anderen Desktops von KDE Plasma (erstmals ebenfalls mit Wayland als Default-Wahl) über Xfce (jetzt in Version 4.16) bis zu LXQT (0.16). Ganz neu ist ein Spin mit dem Tiling Window Manager i3, der in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Anhänger gefunden hat. Dazu kommen dann natürlich noch Fedora-Ausgaben für andere Bereich als den Desktop – also Server oder das Internet der Dinge.

Was all diese Varianten vereint: Die Software kann kostenlos in Form eines Systemabbilds von der Seite des Projekts heruntergeladen werden. Dieses kann dann auf einen USB-Stick gespielt werden, von dem aus dann das System zunächst gefahrlos ausprobiert und bei Interesse fix installiert werden kann. Bestehende Fedora-Installationen sollten in Kürze über die Softwarezentrale einen Hinweis auf die neue Version und die Möglichkeit zum Upgrade präsentiert bekommen. (Andreas Proschofsky, 27.4.2021)