Achtung, Ironie! Schauspieler wie Nina Proll plädieren in einer Videoaktion für das unendliche Daheimbleiben und andere satirische Umgangsformen in Bezug auf die Corona-Bestimmungen

Foto: Youtube/Screenshot

Schauspieler sind von den Corona-Maßnahmen besonders hart getroffen. Die Theater sind seit Monaten geschlossen, die Aussichten trist. Rund fünfzig prominente Darsteller aus Deutschland und Österreich – darunter Nicholas Ofczarek, Nina Proll, Ulrike Folkerts oder Ulrich Tukur – haben sich am Donnerstagabend in einer Internetvideoaktion unter dem Slogan #AllesDichtmachen zum Dauerlockdown satirisch zu Wort gemeldet. Und wie das bei provokanten Ansagen im Hashtag-Zeitalter oft der Fall ist, stoßen die ironisch-kritischen Botschaften auch auf vehemente Ablehnung. Es sei verantwortungslos, so der Tenor von Kolleginnen und Kol legen, die Maßnahmen gegen die Pandemie lächerlich zu machen, während auf den Intensivstationen der Überlebenskampf tobt.

Vor allem die Vereinnahmung der Aktion durch Verschwörungstheoretiker oder Parteien wie die AfD hat über Nacht einige Akteure zu Klarstellungen veranlasst. So machte Manuel Rubey in einem morgendlichen Tweet deutlich, dass er mit "Querdenkern" nichts am Hut habe und sein Videobeitrag für sich stehe. Auch "Tatort"-Mime Jan Josef Liefers distanzierte sich vom Applaus von falscher Seite. Ist doch die PR-Aktion unfrei willig Wasser auf den Mühlen der Covid-19-Leugner geworden. Heike Makatsch hat ihr Video inzwischen sogar zurückgezogen.

Satire, die spaltet

Indes sind einige Beiträge durchaus vergnüglich. Burgschauspieler Nicholas Ofczarek etwa gibt auf der Couch einen vom Lockdown und seinen Einschränkungen pathologisch Gezeichneten, der offenbar am Stockholm-Syndrom erkrankt ist und eine unbändige Zuneigung zu den verordneten Maßnahmen verspürt, ja sogar vorauseilenden Trennungsschmerz empfindet. Die Corona-Regeln sollten für immer bleiben, wäre sein Wunsch. Vielleicht, so seine lethargische Fantasie, würden ja die Oktober-Maßnahmen noch toller als die Mai-Maßnahmen werden.

Deutlicher kann man die satirische Absicht nicht machen. Auch #LockdownFürImmer, unter dem die Videos ebenfalls laufen, spricht eine klare Sprache der Ironie. Dass die Aktion dennoch Gegenwehr evoziert, liegt in der Natur der Sache. Nicht jeder findet die Satire passend. Einerseits weil sie missverstanden werden könnte als Aufruf, sich nicht an die geltenden Regeln zu halten. Oder missverstanden als Aktion, die das Leid anderer verkennen würde. Unverständnis äußerte etwa Schauspielerin Nora Tschirner, Fernseh-Comedian Jan Böhmermann konterte auf Twitter professionell mit dem Gegen-Hashtag #AlleNichtGanzDicht und empfahl, sich die Realität an der Berliner Charité vor Augen zu halten. Pianist Igor Levit kanzelte das Manöver als "schlechten, bornierten Schrumpfsarkasmus" ab, der "letztendlich bloß fader Zynismus ist, der niemandem hilft. Nur spaltet."

Wer hat's erfunden?

An dieser Schlussfolgerung könnte etwas dran sein, wenn man sich das Spaltungspotenzial der Corona-Debatte bisher ansieht. Auch die Videoaktion ist kein vermittelnder Beitrag, sondern schießt zwischen die Fronten. Sie hat ihren satirischen Wert und möchte einer besonders hart getroffenen Berufssparte, die erfreulicherweise auf genügend prominente Vertreter zurückgreifen kann, Aufmerksamkeit verschaffen. Das verkennt nicht die Tatsache, dass es auch andere Berufe gibt, die Einschränkungen zu beklagen haben, nur halt leider keine Promis, siehe sämtliche körpernahen Dienstleister. So setzt #AllesDichtmachen unabsichtlich auch eine Neiddebatte in Gang, von der Kunstschaffende ohnehin häufig betroffen sind.

Wer hat das alles in die Wege geleitet? Die Münchner Fernseh- und Filmproduktionsfirma Wunder am Werk hat die Aktion initiiert, wie dem Spiegel bestätigt wurde. Doch inwiefern die professionellen Kurzvideos von den Darstellern selbst erdacht und gescriptet wurden, blieb bisher offen. Diesbezügliche STANDARD-Anfragen bei der Wunder am Werk GmbH blieben – wie auch alle Anfragen bei den Beteiligten aus Österreich – unbeantwortet. Die Bandbreite der Videos ist nicht unerheblich. So hat etwa die Satzkaskade des Schauspielers Hanns Zischler geradezu kafkaeske Gravität. Er variiert den Satz "Ich distanziere mich ..." mit schier unendlichen Möglichkeiten, "vom Robert-Koch-Institut, von der Corona-Politik der Regierung, vom Social Distancing, und ich distanziere mich von dieser Aktion hier und auch von mir selbst".

Kabarettist Roland Düringer wiederum provozierte mit der indirekten Aussage, die Gesundheitspolitik wolle den Tod abschaffen. Über sein Management teilt er mit, dass ihn die Vereinnahmung von rechts nicht irritiere, er sei das gewohnt. (Margarete Affenzeller, 23.4.2021)