Häupl, Conchita, Lugner: Mit ihren etwa 200 Charakteren sind die CryptoWiener das österreichische Pendant der CryptoPunks. Das Kollektiv sieht durch die NFT-Technologie ein Problem digitaler Kunst gelöst.
Foto: CryptoWiener

Vorbei kommt man daran nicht mehr. Seit Wochen wird die internationale Kunstszene von einem einzigen Thema dominiert. Täglich poppen neue Schlagzeilen zu NFTs, Kryptokunst und Blockchain auf. Es wird von Hype und Verheißung am Kunstmarkt gesprochen, von der Zukunft der Kunst. "Bluff oder Revolution?", titelt das Monopol-Magazin. Manche sagen, der Trend sei schon wieder vorbei, andere prophezeien Großes. Egal, was stimmt, die traditionelle Kunstszene wird sich in diese andere Welt wagen müssen. Zumindest probeweise.

Im Grunde geht es darin tatsächlich um etwas Revolutionäres: Erstmals ermöglicht es eine Technologie, digitale Kunstwerke als Originale zu kennzeichnen und in weiterer Folge damit zu handeln. In der Szene sieht man ein langjähriges Problem gelöst. Möglich machen das NFTs (Non fungible tokens), also nicht austauschbare Token. Kurz: Damit wird wie mit einem digitalen Fingerabdruck eine Datei als authentisches Unikat zertifiziert. Zwar kann dieses noch immer unendlich oft kopiert werden, das Recht am Original hat aber nur der Besitzer. Gekauft werden NFTs mit Kryptowährungen (meist mit Ether) und gespeichert wird als Datensatz auf der Blockchain, quasi einem virtuellen Register.

Hysterie und Adaption

Ganz neu ist diese Technologie allerdings nicht: Das erste NFT wurde 2014 gemintet (minten heißt prägen/erstellen), 2017 tauchten auf Blockchain-Plattformen erste Kunstwerke wie die CryptoKitties oder CryptoPunks auf. Die digitalen Charaktere genießen heute Kultstatus in der Kryptoszene, die zu einer immer größeren Community anwächst. Nicht zuletzt wurde der Hype durch die Pandemie und die einhergegangene Digitalisierung der Kunstwelt angefeuert. Die NFT-Technologie hat sich aus den Gefilden der Tech-Welt zunehmend in jene der Kunst bewegt. Bester Beweis: Im Mai sollen CryptoPunks für bis zu neun Millionen Dollar bei Christie’s – neben Werken von Warhol und Basquiat – versteigert werden.

Das große Auktionshaus war es auch, das Anfang März für den entscheidenden Publicity-Moment sorgte. Für knapp 70 Millionen Dollar (etwa 58 Mio. Euro) wurde die NFT-Collage Everydays. The First 5000 Days von Mike Winkelmann alias Beeple versteigert. Seither geht es rund.

Nach und nach stiegen auch die großen Player wie die Galerien Pace oder Nagel Draxler ein und rühren die Marketingtrommel heftig mit. Der Berliner Popgalerist Johann König initiierte unter dem Titel The Artist is Online eine NFT-Auktion als Ausstellung. Aber auch analoge Künstlergrößen wie Damian Hirst steigen ins NFT-Geschäft ein. Und sogar das Linzer Francisco Carolinum kündigt eine Ausstellung zum Thema an. Etabliert sich da gerade ein neues Kunstmedium, oder handelt es sich um eine schillernde Blase?

Laut der Analyse-Seite NonFungible.com gingen die NFT-Verkäufe im April bereits um 70 Prozent zurück. Die Beeple-Auktion hat vor allem in den USA eine "Massenhysterie" ausgelöst, sagt Christina Steinbrecher-Pfandt. Die ehemalige künstlerische Leiterin der Kunstmesse Viennacontemporary beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema. In San Francisco gründete sie 2019 die digitale Kunst-Managementplattform Blockchain.art mit. "Der Markt wurde kurzfristig überschwemmt. Nun korrigiert sich dieser gerade wieder", sagt sie. "Native digitale Kunst wird sich als nachgefragtes Kunstmedium zum Sammeln etablieren."

Amazon für Kunst?

Dies spielt sich bisher vor allem auf großen NFT-Plattformen für digitale Kunst wie Nifty Gateway ab. Dort können ähnlich einem Online-Marktplatz Animationen, Videos, Memes oder Gifs angeboten und gekauft werden. Wonach diese Grafikdesigns und Illustrationen ausgewählt werden, scheint sich an der Instagram-Prominenz und Internet-Bekanntheit der Digitalkünstler zu orientieren. Es drängt sich die Frage nach der Qualität auf den oft ungefilterten Plattformen. Diese geben sich als Galerie, Ausstellungsraum und Kunst-Amazon zugleich aus. Wird hier gerade der traditionelle Kunstbegriff angegriffen?

Spannend wird, wie die klassische Kunstszene damit umgehen wird – ob sie kooperieren oder konkurrieren wird. Wird es mehr professionelle Mischungen aus Marktplatz und Datenbank geben, die an der Schnittstelle zwischen Galerien, Institutionen, Künstlerinnen und Sammlern arbeiten?

Die Meinungen gehen auseinander, die meisten sehen hier eine Erweiterung, jedoch keine Verdrängung. Auch der hohe Energieverbrauch der meisten Blockchains, auf denen NFT-Verträge gespeichert werden, steht in der Kritik. Nachhaltige Seiten werden aber bereits angekündigt. Dass sich NFTs aber als technischer Standard auch für die Fine Art etablieren werden, ist sich Steinbrecher-Pfandt sicher. "Künstler und Galerien werden ihre Märkte austesten und etablieren, statt den Markt zu überschwemmen."

Wiener Kryptokunst

Dies kann man auch zaghaft hierzulande erkennen. Während sich junge Galerien noch skeptisch zeigen, darin eine Nische sehen und die Entwicklung – und vor allem die Reaktion der Sammlerinnen – erst einmal beobachten wollen, entwickeln sich indes alternative Projekte.

So versucht beispielsweise das Start-up Portal, auf einem kuratierten Marktplatz bereits etablierte bildende Künstlerinnen – die ersten sind Peter Kogler, Linn Phyllis Seeger und Markus Oehlen – dabei zu unterstützen, digitale Kunstwerke als NFT zu minten und auf den Markt zu bringen. Die zwei Gründer wollen so auf längere Sicht auch unbekannteren Künstlern die Chance geben, ihre Arbeiten abseits des elitären Kunstsystems ausstellen und verkaufen zu können. Als Vorteil sehen sie, dass Künstler durch sogenannte Royalties (quasi Tantieme) bei jedem weiteren Sekundärverkauf beteiligt sind.

"Viele digitale Künstler bekommen so erstmals Geld für ihre Arbeit", heißt es vom Crypto-Kollektiv VRON, das damit auf den demokratisierten Zugang zum Kunstmarkt durch die NFT-Technologie verweist. Das sechsköpfige Team zählt zu den bekanntesten Kryptokünstlern in Österreich. Seit 2018 schaffen sie sogenannte CryptoWiener als digitale Pixel-Figuren, die international gekauft werden und von den CryptoPunks inspiriert wurden. Mittlerweile haben sie eine ganze Welt für die Charaktere erstellt. Dort gibt es ein virtuelles Museum – und sogar Crypto-Bier. (Katharina Rustler, 25.4.2021)