Es war eine Botschaft zum Aufatmen, nicht nur für die breite Masse. "Für niemanden ist dieser Tag schöner als für mich", frohlockte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, Vizekanzler Werner Kogler versicherte: "Ich freu mich wirklich." Endlich, nach bleiernen Monaten des Lockdowns, sollen Wirtshäuser und Theater, Hotels und Sporthallen wieder öffnen dürfen.

Der Anflug von Euphorie steht den handelnden Politikern durchaus zu. Denn dass Österreich guten Gewissens ans Aufsperren denken kann, ist auch ein Verdienst der Regierung.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) , Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bei der Pressekonferenz nach Verhandlungen der Öffnungskommission.
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Rückblende: Vor einem Monat waren die türkisen und grünen Koalitionäre als leichtsinnige und durchsetzungsschwache Zauderer verschrien. Als zu lasch und zu spät kritisierten Experten die nur für den Osten des Landes verhängte "Osterruhe", Kommentatoren in den Medien urteilten oft nicht milder. Doch nach derzeitigem Stand ist es die Regierung, die recht behielt. Der von Fachleuten prognostizierte Höhepunkt an Infektionen fiel flach. Heute bescheinigt die Ampelkommission dem Land eine stabile Entwicklung.

Sicher: Das Niveau der täglichen Ansteckungen ist immer noch viel zu hoch, um Entwarnung zu geben. Aber ein Blick zu den Nachbarn zeigt, dass die dritte Welle auch weit dramatischer hätte ausfallen können. Die Tschechen, Ungarn oder Slowenen würden sich für ein Frühjahr, wie es die Österreicher erlebt haben, bedanken. Selbst im als Vorbild gehandelten Deutschland macht die heimische Krisenbewältigung Eindruck. Das Massenblatt Bild schreibt gar von einem "Ösi-Wunder" und fragt angesichts der ohne vollständigen Lockdown sinkenden Zahlen: "Wie hat unser Nachbarland denn DAS geschafft?"

Beängstigende Höhen

Besonders deutlich zeigt sich der relative Erfolg im Vergleich zum desaströsen, von Missmanagement geprägten Herbst. Weder die Infektionszahlen noch die Todesraten schossen in derart beängstigende Höhen wie in der von der gleichen Regierung verschlafenen zweiten Welle. Natürlich ist jeder im Zusammenhang mit dem Virus stehende Tod eine Tragödie. Doch unterm Strich hat die Sterblichkeit im Frühjahr insgesamt nicht das in den Jahren vor Corona übliche Maß überschritten. Die Intensivstationen gerieten im Osten zwar an ihre Grenzen, die völlige Überlastung blieb aber aus.

Unbeeinflussbare Faktoren mögen da mitgeholfen haben, bis hin zu schlichtem Glück. Wie Ages-Chef Franz Allerberger festgestellt hat, gehorcht die Pandemie keinem Drehbuch – wo und wann das Virus besonders wütet, ist mitunter einfach Zufall. Doch wer der Politik Missstände vorhält, kann ihr nicht nonchalant die Verantwortung absprechen, wenn etwas gut gelaufen ist. Offenbar hat das Konzept der Ausreisekontrollen für regionale Corona-Hotspots ebenso gefruchtet wie die Strategie der Massentests. In der dritten Welle haben die Koalitionäre – und mit ihnen auch die Landesregierungen – sicher nicht alles, aber doch einiges richtig gemacht.

Das Bittere daran: Obwohl nicht nur die halbwegs solide Lage, sondern auch das infektionsfeindliche Frühlingswetter dafür spricht, ist die Öffnung nicht rundum garantiert. Zu tückisch sind die Kapriolen des Virus: Verbreitet sich etwa die in Tirol aufgetauchte Mutation, die eine gewisse Impfresistenz zeigt, im schlechtesten Fall so rasch weiter wie bisher, muss die Regierung auch den Mut für Rückzieher aufbringen. Was die Menschen kaum noch erwarten können, müsste dann trotzdem weiter warten. (Gerald John, 23.4.2021)