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Die Oscars werden ab 2 Uhr früh im ORF und auf Pro7 übertragen.

Foto: Reuters

Es gibt viele Gründe dafür, dass sich die 93. Oscar-Zeremonie, die am Sonntagabend über die Bühne geht, von früheren Ausgaben unterscheiden wird. Der wichtigste ist natürlich pandemiebedingt: Statt des üblichen Rummels vor dem und im Dolby Theatre hat man sich unter den versierten Händen von Steven Soderbergh – dem Meister im Wechseln von Schauplätzen – eine Art Split-Screen-Variante überlegt.

In Los Angeles kommt mit der Union Station ein weiterer zentraler Ort hinzu, weiters sind Liveschaltungen nach Paris und London geplant. Da und dort sind nur Nominierte und Präsentatoren im Raum zugelassen. Trotzdem soll die Gala so "normal", wie es unter Covid-19-Bedingungen eben geht, wirken; mithin elegant (in der Garderobe) und ausgelassen (in der Stimmung). Eine Zoom-Pyjama-Party wie bei den Golden Globes wollte man unter allen Umständen vermeiden. Mit einem Live-Event soll schließlich auch ein Stück Öffentlichkeit zurückerobert werden. Und das Kinoerlebnis: Die Gala wird tatsächlich in der Bildfrequenz von Film, also 24 Bildern pro Sekunde, festgehalten.

Wer hat "Mank" gesehen?

Für Hollywood geht es um ein deutliches "proof of life", ein wichtiges Lebenszeichen. Nach einem Jahr Pandemie haben sich viele Koordinaten verschoben, nicht nur, was die Präsenz von nominierten Filmen betrifft, die in großer Mehrheit auf Streamingportalen ausgewertet, oft auch von diesen produziert wurden. Eine Umfrage unter 1500 Filmfans hat allerdings ergeben, dass nur 18 Prozent David Finchers Mank kennen, der mit zehn Nominierungen der Spitzenreiter im Feld ist. Die Vielfalt der Auswertungsflächen von Filmen, geschlossene Kinos und der Ausfall von Filmfestivals, die als Gatekeeper der Filmwelt dienen, alle diese Faktoren haben dazu geführt, dass das Angebot für Zuschauer in diesem Jahr viel unübersichtlicher geworden ist.

Ob die Oscar-Gala, die schon in den letzten Jahren beharrlich an Zusehern eingebüßt hat, unter diesen Erschwernissen Einheit stiften und Werbewirkkraft entwickeln kann, ist mehr als fraglich. Dabei ist das Feld der nominierten Filme in diesem Jahr durchaus abwechslungsreich und qualitativ überdurchschnittlich gut. Man könnte direkt den Eindruck gewinnen, dass sich ein Jahr nach dem Triumph von Parasite ein Wandel verfestigt hat, der auch ästhetisch eine größere Bandbreite zulässt – man denke an Nomadland, Sound of Metal, Minari oder Pieces of a Woman.

Prominente Filme scharzer Filmschaffender

Auch die nach den OscarSoWhite- und MeToo-Protesten erfolgten Änderungen in der Zusammensetzung der Academy zeigen in der Auswahl bereits Wirkung. Mit One Night in Miami, Ma Rainey’s Black Bottom und dem Black-Panthers-Drama Judas and the Black Messiah sind Filme von Schwarzen prominent vertreten, Minari und Nomadland haben ein koreanischstämmiger Amerikaner beziehungsweise eine gebürtige Chinesin gedreht. Chloé Zhao wäre elf Jahre nach Kathryn Bigelow erst die zweite Regisseurin, die den Regiepreis gewinnt.

Im Jahr eins von US-Präsident Joe Biden ist Nomadland auch der Film, der die Stimmung des Landes am besten wiedergibt. Mit einem zwei Billionen schweren Infrastrukturplan will die Politik soziale Gefälle ausgleichen helfen. Zhaos Film hebt jene von der Depression Betroffene, für die das Programm wohl zu spät kommt, auf eine Bühne. Ob es dem Kino gelingt, sich wieder aufzurichten, wird sich erst zeigen. Die Oscars wollen jedenfalls dabei helfen. (Dominik Kamalzadeh, 25.4.2021)