Ein Pionier und dennoch ein Feindbild vieler Rassisten im Deutschland der Nachkriegsjahre: Erwin Kostedde – hier zwischen Erich Beer (li.) und Berti Vogts im Jahr 1975 – war der erste schwarze DFB-Nationalspieler.

Foto: : Broadview Pictures / Imago / Sven Simon

Er habe sich drei, vier Stunden mit Kernseife gewaschen, bis die Haut abgeperlt sei: "Aber es wollte nicht weiß werden." Was Ex-Fußballprofi Erwin Kostedde, geboren 1946 bei Münster, im Deutschland der Nachkriegszeit erlebt hat, steht exemplarisch für viele: "Wegen meiner Hautfarbe hat man mir den Hitlergruß gezeigt." Er sei ein "harter Hund" gewesen, aber: "Das lässt einen nicht mehr los."

Am schlimmsten seien die damals 18- und 19-Jährigen gewesen, die vorher alle bei der Hitlerjugend waren: "Deutschland hat den Krieg verloren. Ich war ihr Feindbild." Kostedde, Sohn eines afroamerikanischen Soldaten und einer Deutschen, war 1974 der erste schwarze DFB-Nationalspieler. Der "braune Bomber", wie er genannt wurde, brachte es auf drei Länderspiele und 219 Bundesligaspiele, in denen er 98 Tore erzielte. Nur zu den rassistischen Anfeindungen gibt es keine Statistik.

Dass es sehr viele gewesen sein müssen, das zeigt Dokumentarfilmer Torsten Körner in seinem sehenswerten Film Schwarze Adler. Er ist seit vergangener Woche auf Amazon Prime zu sehen. Das ZDF zeigt ihn am 18. Juni.

KinoCheck Home

Körner spricht – eingebettet im historischen Kontext – mit insgesamt 14 prominenten Fußballerinnen und Fußballern und dokumentiert, welchen Anfeindungen sie allein aufgrund ihrer Hautfarbe ausgesetzt waren. Einer davon ist William "Jimmy" Hartwig, dessen Vater ein US-Soldat war. Hartwig wuchs bei seinem Großvater auf. Der habe nicht geduldet, dass seine Mutter eine Beziehung mit einem dunkelhäutigen Mann führe, erzählt er: "Mein Großvater war besessen von Hitler." Er habe vor dem Spiegel die rechte Hand gehoben und gesagt: "Ich stehe zu dir", schildert Hartwig. Er habe Angst gehabt, "eine aufs Maul zu bekommen". Gerettet habe ihn der Fußball. Für Deutschland absolvierte er zwei Länderspiele – mit dem filmtitelgebenden schwarzen Adler auf der Brust.

Jimmy Hartwig.
Foto: Broadview Picture

Adoption und Zirkuskind

Zu Wort kommen neben Hartwig beispielsweise noch Anthony Baffoe, Gerald Asamoah, Cacau oder die Ex-Nationalspielerin Steffi Jones. Am meisten berührt hätten ihn die Ausflüge ins Archiv, sagt Filmemacher Torsten Körner (Angela Merkel – Die Unerwartete, Die Unbeugsamen) dem STANDARD: "Wenn man so etwas wie Toxi lebt anders sieht und schaut, wie Journalisten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in dieser Zeit Müttern mit schwarzen Kindern begegnen, dann ist das erschreckend."

In der Dokumentation Toxi lebt anders aus dem Jahre 1957 werden deutsche Mütter dunkelhäutiger Kinder mit Fragen konfrontiert wie: "Was soll denn aus Ihrem Kind werden? Es kann doch nicht zum Zirkus gehen!" oder "Hatten Sie nie den Gedanken, es adoptieren zu lassen?". Körner: "Wenn mehrere Protagonisten erzählen, wie sie sich in dem weißen Land tatsächlich mit Seife weißwaschen wollten, weil sie diesen Blick der weißen Mehrheitsgesellschaft nicht mehr ertragen haben, dann schmerzt das auch einen selbst."

Er sei aber nicht als "politischer Aktivist" in den Film gegangen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren, betont Körner: "Der Film hat auch keinen paternalistischen Off-Kommentar, der den Leuten sagt, wie die Menschen und ihre Geschichten zu bewerten sind. Das soll jeder für sich selbst herausfinden."

Etwa wenn der in Ghana aufgewachsene, 43-fache deutsche Nationalspieler Gerald Asamoah erzählt, wie schön es gewesen sei, als Teil des deutschen Sommermärchens bei der Weltmeisterschaft 2006 von den Fans bejubelt zu werden, und wie weh es dann tat, nur wenige Wochen danach bei einem Pokalspiel in Rostock mit Affenlauten rassistisch beschimpft zu werden. Wie fühlt man sich dabei? "Leer, allein, das kannst du gar nicht erklären."

Gerald Asamoah.
Foto: Broadview Picture

Angstgetriebener Hass

Rassismus sei immer nur eine "bequeme Abkürzung des Denkens" und ein "Navigationsgerät für Leute, die Angst haben", sagt Dokumentarfilmer Körner: "Rassismus ist eine Axt im Wald, um alles wegzuschlagen, damit man selbst einigermaßen klarkommt."

Körner, selbst Fußballfan (Werder Bremen), sieht dennoch Fortschritte auf den großen Bühnen wie etwa beim Nationalteam und in der Bundesliga: "Wird heute ein Schwarzer zum Nationalspieler, spielt das keine Rolle mehr." Andererseits gebe es im Amateurbereich immer noch viel Rassismus oder in den sozialen Medien: "Wenn ich mir ansehe, wie unser Film bewertet wird: zu 90 Prozent sehr positiv, dann gibt es aber auch Stimmen, wo blanker Hass da ist."

Filmemacher Torsten Körner hält der Gesellschaft mit Schwarze Adler einen Spiegel vor.
Foto: Benjamin Heinrich

Körner: "Es gibt Zuseher, die haben keine Lust, sich auf den Film oder die Menschen einzulassen, sondern es geht nur darum, ein sehr, sehr rechtes Gedankengut auszudrücken und Menschen abzulehnen. Sieht man das, so denke ich schon, dass der Film einen Finger in die Wunde legt, die auch noch da ist."

Empathie und Zuhören

Wie man als Interviewer mit diesen bedrückenden Geschichten umgeht, beantwortet Körner so: "Man kann nur versuchen, solche Situationen empathisch aufzulösen und dem Gegenüber ein Resonanzangebot zu machen. Zu zeigen, über Blicke und Gesten, dass ich da bin, dass ich zuhöre und dass ich es wertschätze, dass ich dir zuhören kann. Das ist das Angebot, das man als Interviewer machen kann." Etwa wenn Erwin Kostedde sagt, dass er das Gefühl hatte, er sei von den Journalisten nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Ding behandelt worden. "Dann kann man als Interviewer nur versuchen, dem Gegenüber in die Augen zu sehen und zu vermitteln: Ich höre dir zu, du bist kein Ding, sondern ein Mensch."

Ob Schwarze Adler einen Veränderungsprozess in Gang setzen kann? "Ich hoffe, dass der eine oder andere Sensibilisierungsbausteine für sein Bewusstsein mitnimmt oder einen veränderten Blick hat", sagt Körner: "Wenn man wieder in die Stadien zurückkehren kann und Zeuge von Rassismus werden würde, dass man vielleicht den Mut findet oder einfach nur den Anstand besitzt, gegen den grölenden Sitznachbarn aufzustehen, der etwas Rassistisches oder Antisemitisches brüllt. Das würde ich mir natürlich wünschen."

Fußball ist und bleibt ein Spiegelbild der Gesellschaft. (Oliver Mark, 24.4.2021)