Die "Traditionelle Chinesische Medizin" ist bekannt für allerlei Heilmittel vom Tier. Das ist schlecht für den Tiger und für das Nashorn, dessen Knochen beziehungsweise dessen Horn als Heilmittel empfohlen werden. Die anthroposophische Medizin ist etwas bodenständiger. Auch sie kennt tierische Heilmittel, dafür muss allerdings kein seltenes Wildtier in der Savanne oder im Dschungel erlegt werden. Ein guter Draht zu einem heimischen Fleischhauer reicht da. Zwei der wunderbaren Medizinen der Anthroposophie sind: der Penis des Rinds und der Anus des Rinds. Die beiden Mittel werden vom anthroposophischen Pharmaunternehmen Wala angeboten, beim Rinderpenis und -anus handelt sich um homöopathische Mittel in properer Verdünnung. Die Packung mit jeweils zehn Ampullen zur Injektion ist ab knapp 13 Euro erhältlich. 

Rinderafter soll heilen können.
Foto: REUTERS/Pascal Rossignol/

Penis und Anus als Injektion - wofür bleibt freilch unklar

Die Produktbeschreibung auf der Webseite des Unternehmens Wala (ein Akronym für Wald - Asche - Licht - Asche) ist allerdings dürftig: Der Penis und die Rinderrosette gehören - so Wala - "zu den rund 850 Wala Arzneimitteln, die wir hier nicht näher beschreiben." Warum uns Wala im Dunklen tappen lässt, zu welchem Zweck wir uns Penis und Popsch injizieren solllen, bleibt ein Geheimnis.

Eine Anfrage an das Unternehmen zu Indikationen oder zu entsprechenden Arzneimittelprüfungen bleibt unbeantwortet. Im Fall des Penis finden wir dann aber doch ein Infoblatt. Dort heißt es: "Das Arzneimittel ist aufgrund der Zusammensetzung nur zur Anwendung bei männlichen Patienten bestimmt." Das regt unsere Fantasie an, allerdings hält sich manch geschäftstüchtiger Vermarkter nicht an die explizite und einleuchtende Warnung, sonst würde der geheimnisvolle Penis nicht just auf der Webseite "Frauenapotheke" beworben werden. Beim homöopathischen Rinderanus scheint das Geschlecht des Patienten indes keine so große Rolle zu spielen. 

"Registrierte homöopathische Arzneien": Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt

Bei den beiden Medizinen handelt es sich um "registrierte homöopathische Arzneimittel". Das ist eine schöne Umschreibung für den Sachverhalt, der es möglich macht, dass unter dem Namen Homöopathie jedes Fantasieprodukt in der Apotheke landen darf, ohne einen wie immer gearteten Nachweis für Wirkstoffe oder Wirkung belegen zu müssen. 

Die Anthroposophische Medizin geht auf die Lehren des Universalscharlatans Rudolf Steiner zurück, sie bedient sich recht behände an philosophischen Pseudoweisheiten- und Kalauern ("Gegen das Karma kann nicht geheilt werden"), aber auch an der Homöopathie. Apotheken mit anthroposophischen Schwerpunkten sind in Fragen des Produktmarketings recht einfallsreich. Die Wiesen-Apotheke in Wien-Liesing setzt zum Beispiel auf Mitmach-Pharmazie.

Apotheke bittet Mütter: Bringen Sie uns Ihre Muttermilch

Für homöopathische Plazenta- oder Muttermilch-Globuli darf die Kundin den Rohstoff beisteuern. Muttermilch-Globuli seien demnach bei Beschwerden indiziert, die in direkter Beziehung zum "Thema Stillen oder Muttersein" stehen. Die Apotheke rät Müttern, die mit diesen "Themen" hadern: "Bringen Sie 10 Milliliter frische und gekühlte Muttermilch in die Apotheke. Nach etwa einem Tag erhalten Sie zu den Globuli der gewünschten Potenz ein Fläschchen mit der entsprechenden Dilution zur Anfertigung weiterer Globuli kostenlos dazu. (...) Wir empfehlen bei körperlichen Beschwerden eine D 6-Potenz, bei seelischen eine D 30-Potenz."

Glücklich ist die Mutter, deren Muttersein lediglich von körperlichen Zipperleins begleitet wird. Der Rückkkauf der zu Globuli veredelten eigenen Muttermilch in der Potenz D 6 kostet nur 25 Euro. Kurz, was D 6 bedeutet: eine Verdünnung im Verhältnis von eins zu einer Million. Wenn das Team der Apotheke allerdings die Ärmel hochkrempeln muss, um die Muttermilch zur Hochpotenz D 30 und damit zur psychopharmazeutischen Wirkung hochzuschütteln, dann sind schon stolze 70 Euro fällig. Derlei Globuli dienen laut Apotheke zur "Stressprohylaxe bei Taufe oder Familienfeiern". Seit langem verwende ich eine Stressprophylaxe für Familienfeiern: Sie wird im Halbliterglas verabreicht und ist im Idealfall kalt und hat einen Schaum.

Zurück ins ernste Fach: D 30 entspricht in etwa dem Verhältnis eines Tropfens der Muttermilch zu einem Vielfachen des Volumens aller Weltmeere. Und die haben mit ganz anderen Verunreinigungen zu kämpfen als mit Penisen oder Arschlöchern von Rindern oder ein paar Tropfen Muttermilch. Was uns Sorgen machen sollte: Das ist die Kontamination der Wissenschaft der Pharmazie mit anthroposophischem und homöopathischem Humbug. (Christian Kreil, 30.4.2021)

Christian Kreil bloggt rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Soeben erschien sein Buch "Fakemedizin".

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