Wien – Die Fußball-Bundesliga hat der schwer angeschlagenen Austria in zweiter Instanz die Spielgenehmigung für die kommende Saison erteilt. Der drohende Abschied aus dem Profifußball ist für die Violetten vorerst kein akutes Thema mehr. Möglich gemacht haben dies auch die "Freunde der Austria". Und das sind gar nicht so wenige. Vorstand Markus Kraetschmer hat schlaflose Nächte hinter sich – und viel Arbeit vor sich.

STANDARD: Die Austria hat die Lizenz für kommenden Saison in zweiter Instanz erhalten. Alles happy peppy am Verteilerkreis?

Kraetschmer: "Es gab zuletzt lange Tage und wenig Schlaf."
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Kraetschmer: Wir können uns in diesen ersten Stunden freuen. Die Erleichterung ist groß, die Anstrengungen wurden belohnt. Aber wir wissen, dass viel Arbeit vor uns liegt. Wir müssen die Nachfolge von Peter Stöger regeln, wir müssen den Kader für kommende Saison planen. Diese Aufgaben beschäftigen uns ab sofort. Es bleibt keine Zeit zum Durchatmen.

STANDARD: Waren Sie bei der Abgabe der Unterlagen überzeugt, dass es doch noch zur Spielgenehmigung reichen wird?

Kraetschmer: Wir haben gute Unterlagen eingereicht, die Zuversicht war gegeben. Ich freue mich für alle Beteiligten, dass es geklappt hat. Und ich empfinde Dankbarkeit. Wir haben die Aufgabe im Teamwork bewältigt. Vom Präsidium über Gremienvertreter bis hin zu Mitarbeitern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten. Es gab zuletzt lange Tage und wenig Schlaf.

STANDARD: Warum nicht gleich? Sie sind lange im Geschäft und müssen geahnt haben, dass sich das in erster Instanz nicht ausgehen wird.

Kraetschmer: Wir waren auch in erster Instanz gut vorbereitet und überzeugt, dass wir das schaffen können. Dass es zu finanziellen Auflagen kommen könnte, war uns bewusst. Dass dann aber so harte Nachweise für die Wirtschaftlichkeit der Zukunft gefordert werden, war für viele im Klub überraschend. Wir haben nun notwendiges nachgereicht – und die Lizenz ohne Auflagen bekommen.

STANDARD: Hat die Austria mehr Freunde als bisher angenommen?

Kraetschmer: Die letzte Woche hat bewiesen, dass der Begriff "Austria-Familie" keine Worthülse ist. Viele Menschen sind initiativ geworden. Wir haben Solidarität und Zusammenhalt erlebt. Im Grunde waren sich alle innerhalb und außerhalb des Klubs einig: Austria Wien muss in der Bundesliga bleiben. Gerade in einer solch schwierigen Phase schöpft man aus der Unterstützung Kraft. Dann kann man die Extrameile gehen.

STANDARD: Nicht alle Freunde der Austria sind auch Freunde von Markus Kraetschmer. Viele würden Sie lieber heute als morgen ihres Amtes entheben.

Kraetschmer: Ich muss mich auf meine Aufgaben konzentrieren, wir müssen die Zukunft für die Austria sichern und gestalten. Wir haben uns in den letzten Tagen voll auf die Lizenz fokussiert. Ja, ich stehe in der Kritik und ich stelle mich auch gerne jeder faktenbasierten Diskussion. Aber wichtiger ist doch, dass wir alle wollen, dass sich die Austria in die richtige Richtung entwickelt. Dazu habe ich in den vergangenen Tagen und Jahren auch meinen Beitrag geleistet.

STANDARD: Präsident Frank Hensel soll in die Privatschatulle gegriffen haben, Vizepräsident Raimund Harreither ist sowieso immer zur Stelle. Auch Ex-Spieler wie David Alaba und Aleksandar Dragović sollen eingesprungen sein. Was können Sie bestätigen?

Kraetschmer: Da muss ich leider einen alten Spruch bemühen: Es wurde Stillschweigen vereinbart. Wenn jemand darüber sprechen will, ist ihm das unbenommen. Wir als Klub dürfen dazu nichts sagen. Aber es stimmt, wir haben unter dem Antrieb des Präsidiums ein Optionsmodell entworfen. Dieses alternative Finanzierungskonzept war neben bestehenden und neuen Sponsoren eine wichtige Säule als Nachweis im Lizenzierungsverfahren.

STANDARD: Können Sie das Modell erläutern?

Kraetschmer: Das Modell gibt den "Freunden der Wiener Austria" die Möglichkeit, in Zukunft Aktionär zu werden. Wir haben ein Prozent der AG mit 250.000 Euro bewertet. Manche haben sich für einen höheren Anteil entschieden, manche für weniger. Ob die Unterzeichnenden ihre Option in Anspruch nehmen werden, wird sich erst zeigen. Sie haben bis 30. Juni 2022 Zeit. Das ganze Modell ist durch Liquiditätsnachweise unterlegt worden.

STANDARD: Die AG wurde also mit 25 Millionen Euro bewertet. Musste sich die Austria in einer Notsituation unter Wert verkaufen? Wurde der Verein verscherbelt?

Kraetschmer: Wir kennen unsere Bewertung durch diverse Gutachten und kalkulierte Wachstumspotentiale aus den vergangenen Jahren. Momentan fällt die Bewertung durch die sportliche Krise und den Schuldenstand des Klubs natürlich anders aus. Wir sind aktuell nicht Meister, wir spielen nicht international, da muss man in der Bewertung realistisch bleiben. Wir hatten nicht viel Zeit.

STANDARD: Ist das nicht alles ein Aufschieben der Probleme? Kann der Kader nächstes Jahr in der Bundesliga konkurrenzfähig sein?

Kraetschmer: Die Austria muss nicht mit einem Rumpfbudget arbeiten. Wir haben ein Budget abgegeben, das in der Bundesliga konkurrenzfähig ist. Aber natürlich kann man nie genug Budget haben, will die Erlöse steigern. Wir müssen jetzt Vollgas geben, um neue Partner zu gewinnen.

STANDARD: Werden wir konkret: Wie hoch wird das Budget in der Saison 2021/22 sein?

Kraetschmer: Es gibt mehrere Varianten. In der vorsichtigen Variante beträgt das Budget 24 Millionen Euro. Für den gesamten Klub wohlgemerkt. Da sind die Young Violets genauso inkludiert wie das Frauen-Team und die Akademie. Wir rechnen in der neuen Saison wieder mit Zusehern in den Stadien.

STANDARD: Wird der Verein über kurz oder lang unter dem enormen Schuldenberg zusammenbrechen?

Kraetschmer: Die Austria hat derzeit keine 78 Millionen Euro Schulden. Da werden falsche Zahlen kolportiert. Fremdkapital ist nicht gleich Verbindlichkeiten. Zudem muss man sich die Strukturierung ansehen. Mehr als 70 Prozent unserer Verbindlichkeiten laufen auf langfristige Investitionen in die Infrastruktur zurück. Aber klar ist: Ob ich nun Miete fürs Stadion oder Kreditraten und Zinsen bezahle, alles muss leistbar sein.

STANDARD: Wie hoch sind die Verbindlichkeiten der Austria also tatsächlich?

Kraetschmer: Es steht, Status heute, keine sieben vorne dran. Klar ist aber auch: Um unsere Infrastruktur dauerhaft betreiben zu können, muss man ein gewisses Level erreichen. Man braucht den sportlichen Erfolg, den Europacup, die Transfers. Sonst hat man ein Problem, den Betrieb zu finanzieren. (Philip Bauer, 25.4.2021)