Freunde und ich nach meiner ersten Dungeon und ja, ich bin der Powerranger-Lookalike

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Die Pandemie hat es geschafft – ich habe ein Massive-Multiplayer-Online-Roleplay-Game angefangen, und es hat mir den Lockdown versüßt. Als Gelegenheitsspielerin sind MMOs eigentlich nicht in meiner üblichen Spielebibliothek vertreten. Schon gar nicht Final Fantasy 14 von Square Enix, ein Spiel das direkt nach seiner Veröffentlichung 2010 von Fans und Kritikern das Prädikat "unspielbar" erhalten hatte. Seit dem berüchtigten Launch vor mehr als zehn Jahren gelang jedoch das Unmögliche: der Aufstieg vom Schandtitel der Marke zu einem der aktuell beliebtesten MMORPGs auf dem Markt.

Für manche stellt sich nun die Frage, warum Final Fantasy 14 noch ein Thema ist, wenn es schon Trailer für Final Fantasy 16 gibt? Für jene, die bisher nicht viel Erfahrung mit der Final Fantasy-Reihe sammeln konnten, eine kurze Erklärung vorweg: Bei den japanischen Rollenspielen von Square Enix handelt es sich um voneinander unabhängige Geschichten, die lediglich Elemente wie Monster, Namen, Spielmechaniken, Items, und Maskottchen, wie das Chocobo, teilen.

Weltuntergang für Neuanfang

Final Fantasy 14 erschien 2010 für Windows, doch das Spiel war eine finanzielle und technische Katastrophe. Das Feedback von Kritikern und Spielern war verheerend und die Liste der Probleme, die das MMO unspielbar machten, sehr lang. Nach einem desaströsen Launch, wurde Naoki Yoshida als Produzent mit der Leitung des Spiels beauftragt und sollte die Mängel wieder gerade richten. Um zum heutigen Ergebnis zu gelangen musste die erste Version zerstört und von Grund auf neu entwickelt werden – wortwörtlich.

Nicht einfach wurden die Server offline genommen und das Spiel durch ein neues ersetzt, die Entwickler wollten die Version 1.0 endgültig begraben. Im Zuge eines Events ließ Yoshida Eorzea, so heißt die Welt von Final Fantasy 14, auch in der Geschichte untergehen. Spielerinnen und Spieler konnten die Apokalypse live miterleben. In den letzten Momenten war der Mond am Tageshimmel der Online-Welt zu sehen – wie er blutrot und feuerspeiend auf den Boden zuraste.

So ließen die Entwickler die fehlgeschlagene Version 1.0 enden und in die Geschichte eingehen
GameNChick

Square Enix gab im Vorhinein bekannt, dass das Spiel für das nächste Jahr offline genommen werden würde. Alle Spieler wurden mit einer letzten Quest beauftragt, doch egal was sie taten, der Mond und der Untergang schien sich nicht abwenden zu lassen. In den letzten Minuten versammelten sich hunderte Spieler, und konnten dem Unheil nur tatenlos zusehen.

Schließlich wurde eine Cutscene eingeblendet, die der Qualität eines Films entsprach. Bahamut, ein sogenannter Primal, springt aus seinem Käfig, dem Mond, und richtet verheerenden Schaden an. Louisioux, der Führer der Gruppe "Circle of Knowing", die sich der Bekämpfung der gottähnlichen Primals verpflichten, gelingt es Bahamut in die Flucht zu schlagen und einige Charaktere in Sicherheit zu bringen, jedoch kostet es ihn sein Leben.

Mit dem Ende des Videos wurden 2012 alle Spieler ausgeloggt, die Server blieben bis zum Launch von "A Realm Reborn" im August 2013 offline. Ein neues Zeitalter für Final Fantasy 14 hat begonnen, und zwar für Windows PC, Playstation 3 und in späterer Folge für die Playstation 4 und 5.

Version 1.0 und Yoshidas "A Realm Reborn" im Vergleich
Lirion

Von Gladiator zu Weißmagier

Acht Jahre später und aus der Tragödie hat sich eines der beliebtesten und erfolgreichsten MMORPGs mit über 20 Millionen aktiven Spielern entwickelt. Aktuell gibt es vier Erweiterungen, die im Crossplay, also unabhängig von der Plattform, zusammen auf der Playstation 4 und 5, sowie Windows PC und Mac gespielt werden können.

Die ersten beiden Teile "A Realm Reborn" und "Heavensward" sind innerhalb der kostenlosen Probeversion erhältlich und können auf unbegrenzte Zeit ausprobiert werden. Ähnlich wie bei anderen bekannten MMORPG-Titeln stehen verschiedene Klassen, und in weiterer Folge Jobs zur Verfügung. Die Besonderheit von Final Fantasy 14 ist jedoch, dass jeder Spieler alle Klassen und Jobs spielen und leveln kann, zum Wechseln muss nur die passende Waffe ausgerüstet werden.

Auch auf der Playstation 4 noch ganz hübsch
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Zum Einstieg des Spiels, bei der Charaktererstellung, muss der Spieler sich für eine der 10 Klassen entscheiden. Diese sind den klassischen Rollen des Verteidigers (Tanks), des Angreifers (DPS) und des Heilers zugeteilt. Im Kampf gegen NPCs, Charaktere die nicht von einem Menschen gespielt werden, ermöglichen sie die Zusammenarbeit mit anderen Spielern.

Im Zuge des Tests habe ich mich für die Klasse "Gladiator" entschieden, da ich ein Fan von Charakteren bin, die mit Schwert und Schild kämpfen. Die anderen Klassen unterscheiden sich zwischen magisch und physisch, sowie Fern- und Nahkampf.

Viele lange Textblöcke

Aus der Charaktererstellung heraus startet "A Realm Reborn" gleich mit einem langatmigen Dialog, in welchem die Geschehnisse der letzten fünf Jahre, seit der tragischen "Calamity", die das Ende des Zeitalters einläutete, zusammengefasst werden.

Langatmige Dialoge sind leider eine Symptom, das sich in den gesamten ersten beiden Expansions schmerzlicher Weise durchzieht. Zwar sind die Worte liebevoll gewählt und die Geschichten und Quests mit viel Detail ausgeschmückt, jedoch fehlt bei den meisten Cutscenes jegliche Vertonung, was so ziemlich jede Quest zur Leseübung macht. Die großen Textblöcke sind im Jahr 2021, in dem die meisten Spieler gewohnt sind, dass sich Videospiele wie ein Film selber erzählen, gewöhnungsbedürftig.

Viel Text ohne Ton
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Selbst für das Erscheinungsjahr 2013 hätte man sich einen anderen Standard erwartet. Jedoch ist zu bedenken, dass die gesamte Expansion innerhalb kürzester Zeit entwickelt wurde um die Probleme der katastrophalen Version 1.0 zu beheben. Die Bemühungen des Teams werden in Yoshidas emotionaler Rede zum Launch von "A Realm Reborn" nochmal verdeutlicht.

Flüssiges Gameplay

Sind die ersten Dialoge in Aufsatzlänge jedoch überwunden, und die ersten Schritte als freier Hyur (Mensch), oder vielleicht Lalafell (Zwerg) getan, fällt schnell auf, dass der eigene Charakter aus der Masse sticht. Neben dem Spielernamen ist nämlich eine kleine Sprosse abgebildet, die anderen Spielern signalisiert, dass es sich um einen Anfänger handelt.

Als zweiten Eindruck – und eine ähnliche Reaktion werden alle haben, die zum ersten Mal ein MMO-Rollenspiel spielen – nahm ich die unzähligen Spieler wahr, die vor mir durch die Stadt tummelten, und dabei gar nicht durch die Gegend glitchten. Das Spiel fühlt sich flüssig an, sofern die Internetverbindung passt, und im Test reichten da sogar meine traurigen 8 Mbit/s aus.

Man wird nicht einsam

In den Tiefen des vierten Lockdowns hatte es beinahe etwas befremdliches mit unbekannten Menschen interagieren zu können. In einem Spiel, bei dem es hauptsächlich um Kooperation geht und mit Ausnahme der Arena kaum gegen Spieler gekämpft werden kann, sind so gut wie alle Begegnungen von freundlicher Natur. Wie etwa das eine Mal, als mich ein Fremder überraschenderweise wiederbelebte während ich bereits damit beschäftigt war einen Screenshot meines leblos liegenden Charakters zu machen. Schließlich blieb er sogar in der Gegend um mir bei meiner Quest zu helfen. Auch passiert es immer wieder, dass Spieler auf mich zukommen und mich mittels Emotes wegen meines Nutzernamen aus- oder anlachen.

Ein Kernelement des Spiels sind die kooperativen Dungeons und Trials, die mit anderen Spielern zusammen bewältigt werden müssen. Was ein sogenannter Tank alles können muss, und dass ich mir, als kompletter MMORPG-Anfänger nicht die einfachste Rolle ausgesucht habe, wurde mir erst in der ersten Dungeon klar die nach einigen Dutzend Quests freigeschalten wird. Insbesondere Heiler und Tanks nehmen die Verantwortung der ganzen Gruppe auf sich und entscheiden mit ihrer Taktik, wie gut das Team als solches durch die Dungeon kommt.

Taktik spornt an

Den eigenen Job und die damit verbundene Rolle zu meistern ist eines der am meisten motivierenden Tätigkeiten des Spiels. Dank der immer anspruchsvoller werdenden Dungeons ist nicht nur das Leveln und der bloße "Grind" ein Weg um besser zu werden, sondern muss auch die Handhabung der eigenen Rolle trainiert werden. Als Casual-Gamer haben mich Forumpostings, stundenlange Video-Tutorials und von Fans verfasste Handbücher selten derart gefesselt.

WeskAlber

Halbes Spiel ist kostenlos

Die Möglichkeiten der Gratisversion sind auch nach 118 Spielstunden noch lange nicht ausgeschöpft. Die erste Expansion "A Realm Reborn" ist mit ihren 40 verfügbaren Dungeons und 10 Klassen, die jeweils alle bis Level 60 gespielt werden können, wirklich umfangreich. Die überwältigende Länge der Cutscenes und Dialoge spielt dabei natürlich auch eine Rolle. Mit der gesamten zweiten Expansion "Heavensward" vor mir wird es wohl auch bis zur neuesten, für Herbst 2021 angekündigten Erweiterung "Endwalker" so schnell keinen Grund geben, auf die kostenpflichtige Version umzusteigen.

Level 60 leider schon erreicht, als nächstes versuche ich mich als Magier
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Kommen wir also zum nächsten Thema, dem Bezahlsystem. Anfangs kann dieses für Verwirrung sorgen, immerhin gab es in der Vergangenheit so einige grundlegende Veränderungen. Wie bereits erwähnt, enthält die Gratisversion die beiden ersten der vier Expansions und hat eine Handvoll Einschränkungen, wie eine Levelbegrenzung von 60 und dem Ausschluss aus dem Handel mit Items. Wer nun die ersten beiden Erweiterungen abgeschlossen hat, oder seine Klassen unbedingt bis Level 80 spielen und im globalen Item-Markt mitmischen möchte, muss die Vollversion des Games erwerben. Diese enthält immer alle bis Dato verfügbaren Expansions.

Wer die Gratisversion verlässt, muss auch Spielzeit kaufen. Diese kann in Form von 30-Tages-Tickets abonniert werden. Wichtig anzumerken ist, dass Playstation-Spieler nicht Playstation-Plus-Mitglied sein müssen um Final Fantasy 14 zu spielen. Die Vollversion kostet in der Regel 60 Euro, eine neue Expansion ebenfalls. Die Dienstgebühren können abhängig vom Paket ab 10,99 bis 13,99 pro Monat betragen. Bei der teureren Variante können Spieler bis zu acht verschiedene Charaktere pro Server erstellen.

Fazit

Besonders der Aspekt mit Freunden und Bekanntschaften am Abend kurz eine Dungeon erledigen zu können und sich dabei auf Discord über den Alltag zu unterhalten, ist einer, der vor allem während der Pandemie einen unerwarteten Wert bekommen hat. Die Möglichkeit, sich treffen zu können, egal ob man einen PC oder nur eine Playstation besitzt, macht das Erlebnis noch grenzenloser. Diese Erfahrung ist für eingesessene Online-Spieler nichts Neues. Für Anfänger wie mich, die sich zuvor vielleicht von monatlichen Gebühren oder dem unbekannten Terrain abschrecken haben lassen, ist ein MMORPG wie dieses eine willkommene Abwechslung. Vor allem während des Lockdowns hat es sich für mich als ein wirkungsvolles Gegenmittel für die Einsamkeit bewiesen. (Tiana Hsu, 25.04.2021)