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Eine Frau in Gurudwara erhält Sauerstoff.

Foto: REUTERS/Danish Siddiqui

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Auf dem Flughafen von Neu-Delhi fährt ein Sauerstofftanker aus einem Transportflugzeug der indischen Luftwaffe.

Foto: REUTERS/INDIAN AIR FORCE

Jede Minute infizieren sich in Indien im Moment 243 Menschen mit dem Coronavirus, titelt die Times of India und stützt sich auf die offiziellen Zahlen der Behörden. Am Sonntag waren es bereits den vierten Tag in Folge mehr als 300.000 Neuinfektionen landesweit – fast 350.000, um genau zu sein, und damit mehr als ein Drittel aller registrierten Neuinfektionen weltweit. Die Zahlen auf dem Subkontinent steigen rasant, denn erst Anfang April wurden zum ersten Mal mehr als 100.000 Fälle an einem Tag gemeldet. Vor wenigen Monaten musste man noch fast 65 Tage warten, um diese Zahl zu erreichen.

Und dabei gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass die Dunkelziffer noch viel höher liegt. Schließlich wird in Indien im Vergleich zu anderen Staaten viel weniger getestet. In den USA, dem Vereinigten Königreich und auch Österreich wurden weit mehr Tests durchgeführt, als es Einwohner gibt. Auf dem Subkontinent mit seinen rund 1,3 Milliarden Bewohnerinnen und Bewohnern kommt man aber nur auf knapp 200.000 Tests pro eine Million Menschen. Das bedeutet, dass viele Positivfälle einfach nicht erkannt werden.

Für die rasche Ausbreitung des Virus wird unter anderem auch eine neue Variante verantwortlich gemacht. Sie wird als B.1.617 bezeichnet und ist eine sogenannte Doppelmutation. Maria Van Kerkhove, technische Leiterin des Covid-19-Arbeitsbereichs bei der Weltgesundheitsorganisation WHO, sprach am Freitag von einer "besorgniserregenden" Variante. Sie weise Ähnlichkeiten mit Mutationen auf, die ansteckender seien und die Immunisierung reduzieren könnten.

Das würde auch erklären, warum in dem Land, in dem laut Seroprävalenzstudien rund eine von fünf Personen mit dem Virus infiziert gewesen ist, Covid-19 wieder so grassiert.

Einreiseverbote

B.1.617 wurde bereits Ende des Jahres in Indien entdeckt, aber erst Ende März erwähnte sie das Gesundheitsministerium – seitdem spielt es die Rolle der Variante hinunter. Fälle sind unter anderem auch schon in Deutschland und der Schweiz aufgetreten, mehrere Staaten haben deshalb Einreiseverbote für Menschen aus Indien verhängt.

Doch nicht nur die Variante allein soll Schuld an den hohen Fallzahlen sein: Auch seien die Vorsichtsmaßnahmen wie Abstandhalten und Maskentragen weniger eingehalten worden, beschreiben Beobachter die Situation vor Ort. Menschenansammlungen, etwa während Wahlkampfveranstaltungen in fünf Bundesstaaten, waren nicht selten. Das hinduistische Fest Kumbh Mela lockte rund fünf Millionen Menschen an das Gangesufer der nordindischen Stadt Haridwar. Allein an zwei Tagen meldeten die Behörden dort rund 2000 Neuinfektionen mit dem Virus.

Gleichzeitig geht Indien der Sauerstoff aus. Die Regierung in Neu-Delhi organisierte deshalb bereits Sonderzüge, die die begehrte Flüssigkeit in die am schlimmsten betroffenen Metropolen transportieren. Ein solcher "Oxygen-Express" brachte 30.000 Liter flüssigen Sauerstoffs in die nördliche Stadt Lucknow, wo sie von bewaffneten Wachen in Empfang genommen und zu den Krankenhäusern transportiert wurden, wie der Guardian meldet.

Auf TV-Bildern ist zu sehen, wie sich Menschen vor Spitälern Sauerstoff teilen, während sie darauf warten, dass Betten frei werden – etwa weil Covid-19-Erkrankte sterben. Probleme mit Abfüllanlagen häufen sich und verschärfen die Sauerstoffknappheit. Provinzspitäler und private Einrichtungen melden erste Tote, weil nicht genug zur Verfügung steht.

Die Vereinigten Staaten wollen Indien nun unter die Arme greifen und kündigten Hilfe für das medizinische Fachpersonal an. Außenminister Antony Blinken twitterte am Sonntag, dass man deshalb "eng mit den Partnern in der indischen Regierung" zusammenarbeite.

Mobile Impfkliniken

Am stärksten betroffen von der Ausbreitung des Virus ist der Bundesstaat Maharashtra mit der Metropole Mumbai. Kabinettsminister Nawab Malik kündigte am Sonntag an, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner kostenlos geimpft werden sollten. Mumbais Bürgermeisterin Kishori Pednekar fügte hinzu, dass es zwar keine Tür-zu-Tür-Impfkampagne, wohl aber mobile Impfkliniken geben werde. Jede Person ab 18 Jahren könne sich via Mobilapp dafür anmelden. Man habe genug Impfstoff des heimischen Vakzins Covaxin und erwarte weitere Lieferungen von Covishield, das auch vor B.1.617 schützen soll. (Bianca Blei, 25.4.2021)