Kampagne für die Impfung in Vorarlberg: 30 Prozent haben bereits zumindest einen Stich. Unter den Jüngeren verbreitet sich das Virus nun besonders stark.

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Im Zentrum von Lustenau gilt ab Dienstag im Umkreis von rund 500 Metern Masken- und Testpflicht, wie Bürgermeister Kurt Fischer (ÖVP) bestätigt. Man orientiere sich dabei an Straßenzügen. Der Entscheidung waren langwierige Verhandlungen im Krisenstab des Landes mit jenen Gemeinden vorangegangen, in denen die Infektionszahlen zuletzt wieder bedenklich hoch angestiegen sind. Neben Lustenau betrifft das vor allem den Bregenzerwald.

Konkret muss im Bereich 500 Meter rund um das Lustenauer Rathaus jeder eine FFP2-Maske tragen und einen gültigen Coronatest (Wohnzimmertest, Selbsttest unter Aufsicht, Antigengest in Teststraße oder PCR-Test) mitführen. Noch genauer: Im Gebiet innerhalb Zollamt Lustenau-Au, Roseggerstraße/Radetzkystraße zur Staldenstraße/Holzstraße bis zum Engelkreisverkehr und Grindelstraße/Reichshofstraße/Reichsstraße bis zum Zollamt Au-Lustenau. Die Maßnahme gilt ab Dienstag 27. April 0 Uhr.

Angesichts der vielen Infektionen unter Jüngeren, werden auch die Schulen von den Verschärfungen betroffen sein: Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufen in Lustenau und dem Bregenzerwald müssen zurück ins Distance-Learning. Einzig die Abschlussklassen dürfen weiter vollzählig in die Schule kommen. Für Schularbeiten dürfen 50 Prozent präsent sein. Die Verhandlungen mit der Landesregierung über mögliche weitere Verschärfungen werden am Dienstag weitergehen, sagte Fischer. Im Raum stehen weitere Verschärfungen für Gemeinden mit hohen Inzidenzen.

Viele Infizierte jünger als fünf

Das liegt auch daran, dass die aktuell Erkrankten besonders jung sind. In Lustenau entfallen von 145 Infektionen 41 auf Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren – die Gemeinde hat 23.000 Einwohner. "Auffallend ist bei den unter 18-Jährigen, dass es mehr Infektionen bei den Null- bis Fünfjährigen gibt und bei Fünf- bis Zehnjährigen mehr als bei den über Zehnjährigen", sagt der Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer (ÖVP) zu vol.at.

Ältere kaum mehr betroffen

Bei den über 60-Jährigen gebe es hingegen nur acht Fälle. Das Bild habe sich in den letzten Wochen umgekehrt, Fischer führt das auf die Impfungen zurück. In Vorarlberg werden mittlerweile bereits unter 60-Jährige geimpft, die keiner Risikogruppe angehören. Zwischen Mittwoch und Sonntag haben rund 12.900 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger ihre erste Teilimpfung erhalten. Mehr als 30 Prozent aller Impfberechtigten im Ländle sind laut der Landesregierung bereits zumindest einmal geimpft.

In Lustenau wurde eine Kinderbetreuungsstätte komplett geschlossen. Größere Cluster gebe es laut Fischer aber nicht, die Infektionen würden sich über die ganze Ortschaft verteilen.

Warum an der Modellregion festgehalten wird

In der Landesregierung wird bekanntlich an der Modellregion – seit Mitte März hat in Vorarlberg unter anderem die Gastronomie geöffnet – festgehalten. Die Zahlen in den Spitälern seien rückläufig bis stabil, sagte Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) dazu. Insgesamt 37 Menschen müssen in Vorarlberg derzeit im Krankenhaus behandelt werden, acht von ihnen benötigten am Montag intensivmedizinische Betreuung. 23 der 59 zur Verfügung stehenden Intensivbetten sind noch frei. Den Höchststand erreichten die Hospitalisierungen in der zweiten Welle, am 19. November waren 223 Menschen mit Corona im Spital. Zum Start der Modellregion waren 16 Personen hospitalisiert.

Man wisse außerdem, sagt Rüscher zum Festhalten an der Modellregion, dass die Infektionen nicht auf die Gastronomie, sondern auf private Treffen und auf Ansteckungen am Arbeitsplatz zurückzuführen seien.

Dieser Einschätzung stimmt der Corona-Berater der Vorarlberger Landesregierung, Armin Fidler, zu: Die steigenden Infektionszahlen führt er im Interview mit Puls 24 auf die Ausbreitung der britischen Variante des Virus zurück, die in Vorarlberg vor der Öffnung kaum präsent war und sich später als im Rest Österreichs ausbreitete. Außerdem sei der jetzige Anstieg auch auf zwei regionale Cluster zurückzuführen. "Dieser Fallanstieg in Vorarlberg hat mit der Gastro-Öffnung absolut nichts zu tun", so Fidler.

Fehlende wissenschaftliche Begleitung

Viele Expertinnen und Experten sehen das anders. "Das Modell ist meiner Meinung nach kein Erfolg", warnte am Samstag der Mikrobiologe Michael Wagner im STANDARD. Gerald Gartlehner, Experte für evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems, kritisierte außerdem, dass in Vorarlberg nicht von Anfang an spezifische Daten zu den Auswirkungen der verschiedenen Öffnungen erhoben worden seien. Das sei "eine vertane Chance".

Laut Dashboard des Landes standen am Montag 116 Neuinfektionen 42 Genesungen gegenüber, damit galten 1.777 Personen (plus 73) als Corona-positiv. Landesweiter Hotspot ist weiterhin Dornbirn mit mittlerweile 215 Fällen. Auf Platz zwei folgt Feldkirch mit 165 Infektionen vor Lustenau (145) und der Landeshauptstadt Bregenz (89). In 15 der 96 Kommunen gibt es aktuell keine Corona-Fälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag am Montag bei 239 (Österreich-Durchschnitt: 182), damit ist Vorarlberg nun Schlusslicht. (lhag, red, APA, 26.4.2021)