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Chloé Zhao mit den Oscars für die beste Regie und den besten Film.

Foto: REUTERS

Es sei "ziemlich toll, eine Frau im Jahr 2021 zu sein", sagte Regisseurin Chloé Zhao nach der Oscar-Verleihung. Sie ist in der über 90-jährigen Geschichte des Filmpreises erst die zweite Frau, die mit dem Regie-Oscar geehrt wurde. Als Erster wurde 2010 Kathryn Bigelow für "The Hurt Locker" diese Ehre zuteil. Sie habe Bigelow einmal getroffen und sei ein großer Fan von ihr, sagte Zhao.

Zhaos Dankesrede bei den Oscars.
Rolling Stone

Zhaos Siegerfilm "Nomadland" erzählt von einer Frau, die aus wirtschaftlicher Not mit wenigen Habseligkeiten in ihrem Van durch die USA zieht. Eine uramerikanische Geschichte, die mit Zhaos eigener Biografie auf den ersten Blick nicht viel gemein hat. Andererseits sieht Zhao doch auch Anknüpfungspunkte, wie sie zum STANDARD sagte: "Ich fühle mich überall als Außenseiterin. Deshalb hat es mich stets zu ihnen hingezogen. Das sind die Leute, um die es in meinen Filmen geht."

Aus Peking in die USA

Inzwischen lebt Zhao in Ojai, Kalifornien. Amerikas Landschaften und Mythos faszinieren sie. Geboren wurde sie aber 1982 als Zhao Ting in Peking. Der Vater war Stahlunternehmer, die Familie profitierte vom beginnenden chinesischen Wirtschaftswunder. So kam Zhao mit westlicher Popmusik in Kontakt, konnte in London ins Internat gehen und später nach Los Angeles und New York weiterziehen, um an der New York University Film zu studieren.

Zhaos erstes Interview nach der Auszeichnung.
Variety

2015 drehte sie dort mit "Songs My Brother Taught Me" ihren Abschlussfilm, der beim Sundance-Festival vorgestellt wurde. Auf das Debüt folgte 2017 "The Rider", der nicht nur Kollegen, sondern auch Barack Obama begeisterte und Zhao bei vielen auf dem Radar erscheinen ließ. So trug ihr denn auch Frances McDormand den Stoff zu, auf dem "Nomadland" basiert.

Zhao strebt in ihrer Kunst trotz schwieriger Themen unumwunden eine Balance zwischen Kunst und kommerziellem Erfolg an. Mit "Nomadland" hat Zhao vergangenen Sommer schon den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen – inzwischen hat sie mit der Marvel-Comics-Adaption "Eternals" aber auch einen Blockbuster gedreht. Er soll in den USA Ende 2021 anlaufen.

Wenn dieser Sieg mehr Menschen wie ihr dazu verhelfe, so wie sie den eigenen Traum leben zu können, sei sie dafür sehr dankbar, erklärte Zhao bei der Preisverleihung. Weiterzumachen, wenn es schwierig wird, habe sie in ihrer Kindheit gelernt. Damals habe sie mit ihrem Vater klassische chinesische Gedichte auswendig gelernt – beim gemeinsamen Aufsagen hätten sie versucht, die Verse des anderen zu vollenden. Einer der Texte habe besagt: "Alle Menschen auf der Erde sind von Natur aus gut." Das habe großen Einfluss auf sie gehabt, und daran glaube sie noch heute, auch wenn es "manchmal so scheinen mag, als wäre das Gegenteil wahr".

China reagiert mit Zensur

Etwa in China. Dort wird mit Zensur und Zurückhaltung auf den historischen Erfolg Zhaos reagiert. Wichtige Staatsmedien, darunter die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua und der Staatssender CCTV, berichteten zunächst überhaupt nicht über die Verleihung des Preises an die chinesischstämmige US-Amerikanerin. In sozialen Netzwerken wurden Beiträge zum Thema teilweise gelöscht. Ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums lehnte einen Kommentar mit der Begründung ab, dass es sich "nicht um eine diplomatische Angelegenheit" handle.

Noch Anfang März hatte die chinesische Zeitung "Global Times" Zhao als "Chinas Stolz" gefeiert, nachdem diese bei den Golden Globes ausgezeichnet worden war. Dann tauchte jedoch ein altes Interview mit Zhao im chinesischen Internet auf, in dem sie die Volksrepublik als "Ort der Lügen" kritisiert hatte. Werbematerial und Verweise auf "Nomadland" wurden in den vergangenen Tagen gelöscht. Auch verschwanden Informationen zum Film von chinesischen Ticket-Websites. (red, APA, 26.4.2021)