Lilli Hollein wird neue Chefin des Wiener Museums für angewandte Kunst.

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Sie ist die erste Direktorin der altehrwürdigen Institution. Mit der Bestellung von Lilli Hollein zur Generaldirektorin des Wiener Museums für angewandte Kunst setzt Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) nicht nur einen feministischen Schwerpunkt, sie bringt auch einen Generationenwechsel in dem Museum in Gang. Der vormalige Direktor Christoph Thun-Hohenstein, der das Haus zehn Jahre lang führte, ist 61, Langzeitdirektor Peter Noever war 70, als er nach 25 Jahren an der Spitze des Hauses wegen Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung abdanken musste.

Lilli Hollein ist 48, und mit ihr zieht gleich auf mehreren Ebenen ein neuer Geist in das von Besuchern nicht immer gleichermaßen mit Aufmerksamkeit bedachte Museum ein. Angewandte Kunst tut sich in diesem Land schwer. Hier steht die Anwendung im Vordergrund, der Gebrauchswert eines Gegenstandes ist genauso wichtig wie dessen Schönheitswert. Mit Hollein kommt jetzt eine Frau an die Spitze der Institution, für die Ästhetik und Pragmatismus, Alltagstauglichkeit und Praxisbezug schon immer selbstverständlicher Teil ihres Denkens waren.

Favoritin Hollein

Es war ein offenes Geheimnis, dass Staatssekretärin Mayer einer neuerlichen Verlängerung von Christoph Thun-Hohenstein skeptisch gegenüberstand und mit Lilli Hollein früh eine spannende Alternative in petto hatte. Als gelernter Diplomat und langjähriger Leiter des Österreichischen Kulturforums in New York hatte Thun-Hohenstein das Museum nach den turbulenten Noever-Jahren zwar in ruhigere Gewässer geführt, eine über die Branche hinausreichende Sichtbarkeit konnte er dem Haus aber nicht verpassen. Dafür war sein Programm zu akademisch. Die von ihm ins Leben gerufenen Biennalen waren zwar gut gedacht, konnten ihr Anliegen aber kaum einer breiteren Öffentlichkeit transportieren. Zu selten glückten ihm Ausstellungen wie jene mit Stefan Sagmeister, die Wissen und Witz, Sinnlichkeit und Theorie vereinten.

Sie habe keine Entscheidung gegen Thun-Hohenstein, sondern eine "für die Zukunft des Mak" getroffen, sagte Mayer bei der Bestellung. 16 Personen hatten sich für den Job beworben, davon zehn Männer und sechs Frauen. Wenig überraschend, dass sich Mayer dem einstimmigen Votum der Findungskommission angeschlossen hat. So gestrahlt wie bei der Mak-Pressekonferenz hatte die Staatssekretärin schon länger nicht mehr.

Gestaltungswille und Führungsstärke

Hollein hatte bereits vor fünf Jahren an der Leitungsposition des Mak Interesse gezeigt, auch um die neue Führung des Technischen Museums soll sie sich beworben haben. Nach 14 Jahren an der Spitze der Vienna Design Week (in den vergangenen Jahren als alleinige Leiterin), ist die Führung eines größeren Hauses die logische Fortsetzung einer Karriere, in der Gestaltungswille und Führungsstärke schon früh Hand in Hand gingen. Als Tochter des Stararchitekten Hans Hollein und Schwester von Max Hollein, dem Direktor des weltweit größten Museums, des New Yorker Metropolitan, wuchs sie in einem Haushalt auf, in dem Architektur, Design und Kunst Teil des Alltags waren. Fuhr die Familie auf Urlaub, dann orientierte man sich an möglichen Kunstbesuchen.

Mit der Gründung der Vienna Design Week (gemeinsam mit Tulga Beyerle und Thomas Geisler) füllte sie 2007 eine Lücke, die in der Kunststadt Wien klaffte. Der immer umtriebigeren Designszene der Stadt gab sie damit ein zumindest temporäres Zuhause und wurde im Laufe der Jahre zu so etwas wie dem organisatorischen Kopf einer Szene, die sich zwischen kommerziellen und künstlerischen Ansprüchen nicht immer leichttut.

Basisarbeit als Stütze

Diese langjährige Basisarbeit in der Designszene wird Hollein an der Spitze des Mak eine Stütze sein, auch wenn sie bei ihrer Präsentation darum bemüht war, ein "explizit vielfältiges Programm" in Aussicht zu stellen. Besonders gelegen sei ihr an einer Stärkung der Vermittlungsarbeit, eine Notwenigkeit, um die in Post-Corona-Zeiten kein Museum herumkommt. Sie wolle feministische Ansätze stärken, mehr popkulturelle Themen aufgreifen, den eurozentristischen Blick hinterfragen, das Thema Nachhaltigkeit weitertreiben. So weit, so erwartbar.

Bei dem potenziellen Interessenkonflikt, den DER STANDARD im Vorfeld der Bestellung zum Thema gemacht hat, scheinen das Staatssekretariat und Hollein dagegen ein Agreement gefunden zu haben: 2016 kaufte die Republik Teile des Nachlasses ihres verstorbenen Vaters Hans Hollein, der zum Bestand des Mak gehört und im Architekturzentrum bearbeitet wird. Dieser Interessenkonflikt war offiziell auch der Grund für den Rücktritt Holleins aus dem Mak-Kuratorium Anfang des Jahres. In ihrer neuen Funktion als Direktorin schloss sie nun jegliche Involvierung im Umgang mit dem Nachlass ihres Vaters aus.

Der Nachlass werde im Architekturzentrum Wien bewahrt, das Mak selbst habe mit der Bearbeitung nichts zu tun. Offen ließ Lilli Hollein, ob die ursprünglich für 2022 geplante große Hans-Hollein-Ausstellung im Mak unter ihrer Direktion nun tatsächlich stattfinden wird. Sie werde sich das anschauen, aber "in diesem Umfang" werde die Schau wohl nicht realisiert.

Die wirtschaftlichen Belange des Hauses bleiben bei Teresa Mitterlehner-Marchesani. Ihr Vertrag wird um fünf Jahre verlängert. (Stephan Hilpold, 26.4.2021)