Die geplante Gesetzesänderung zielt auf Einzelbäume und Parks ab.

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Wien – Das Justizministerium will Bäume schützen. Das gab die Behörde am Samstag in einer Aussendung bekannt. Konkret geht es um Haftungsfragen, wenn etwa Äste herabstürzen oder Bäume Schäden verursachen. Eine Studie des Umweltbundesamts hat berechnet, dass theoretisch ein Viertel der Waldflächen in Österreich von Haftungsfragen betroffen sein könnte. Eine Arbeitsgruppe soll nun dafür Lösungsvorschläge erarbeiten, um die Rechtssicherheit zu erhöhen. Winfried Süß, Förster aus Wolfsgraben in Niederösterreich, ist Teil der Arbeitsgruppe. Er sagt, dass die jetzige Rechtsprechung besser ist als ihr Ruf. Zukünftig will Süß aber stärker auf die Eigenverantwortung von Wald- und Parknutzern setzen.

STANDARD: Was ist das Problem mit der jetzigen Haftungsregelung bei Bäumen?

Süß: Es gibt die Wegehaftung laut Paragraf 1319a des ABGB. Einige Förster und Waldbesitzer glauben deshalb, dass sie Wege so absichern müssen, dass nie etwas passiert. In fast vorauseilendem Gehorsam schneiden sie dann Bäume und Sträucher um Straßen weg. Viele fürchten, dass sie bei herabfallenden Ästen oder Bäumen in Prozesse verwickelt werden. Dabei ist die jetzige Rechtsprechung besser als ihr Ruf. Das neue Gesetz soll dennoch mehr Klarheit bringen – und den Bewirtschaftern die unnötige Angst nehmen.

Winfried Süß ist Förster aus Wolfsgraben in Niederösterreich. Er ist einer der Petenten der Aktion "Wir für den Wald".
Foto: Winfried Süß

STANDARD: Auf welche Bäume zielt die Regelung ab?

Süß: Sie zielt auf Bäume außerhalb des Waldes ab, etwa Einzelbäume oder Parks. Es geht um die Bereiche, die gerade während Corona intensiver genutzt worden sind, wie etwa die Prater-Hauptallee. Bewirtschafter haben Angst bekommen, dass Schadenersatz- oder Haftungsansprüche generiert werden, weil so viele Menschen draußen unterwegs sind.

STANDARD: Welche Änderungen soll der Gesetzesentwurf konkret bringen?

Süß: Es soll eine Ergänzung sein zu Paragraf 1319a: Paragraf 1319b des ABGB. In dieser Ergänzung soll es etwa eine Beweislastumkehr geben. Wenn jemand sagt, ich bin beim Spazierengehen von einem Baum getroffen worden, muss er nachweisen, dass der Baumbesitzer sich nicht ausreichend um die Sicherheit gekümmert hat. Oder dass der Baum schon todkrank war und dass die Gefährdung schon sehr offensichtlich war. Das senkt die Sorge um mögliche Haftungen für den Besitzer. Es soll aber auch die Eigenverantwortung von Besuchern steigern. Wer anständige, vorausschauende Waldbewirtschaftung macht, soll von Waldbesuchern erwarten können, dass sie ihr Hirn einschalten – und nicht etwa bei Starkwind noch in eine Allee gehen. Es soll auch eine Ausnahme für Schutz- und Naturschutzgebiete geben. Dort sollen Wege nicht mehr so intensiv freigehalten werden müssen wie in normalen Erholungswäldern. Wer durchgeht, macht das dann auf eigene Verantwortung.

STANDARD: Wie lief das Treffen der Arbeitsgruppe?

Süß: Anfang April gab es eine Generaldebatte, bei der ich dabei war. Auch Vertreter der Land- und Forstwirtschaft, des Landwirtschafts- und Klimaministeriums und der Landwirtschaftskammer waren dort – genauso wie Vertreter des Alpenvereins, um Interessen der Erholungssuchenden zu vertreten. Ich fand es ein sehr gutes Verfahren.

STANDARD: Wann ist mit dem Gesetzesentwurf zu rechnen?

Süß: Die Diskussionen laufen weiter. Es geht derzeit noch um Abstimmungen mit dem Landwirtschaftsministerium, denn das Forstgesetz verweist auf diesen Abschnitt im ABGB. Bis Ende des Jahres soll der Entwurf in die parlamentarische Bearbeitung gehen. (Ana Grujić, 27.4.2021)