Während die Grünen auf Bundesebene 2020 erstmals in eine Regierung eingetreten sind, verlief die Entwicklung ihrer Studierendenfraktion gewissermaßen entgegengesetzt. Nach mehr als zehn Jahren in einer linken ÖH-Koalition wechselten die Grünen und Alternativen Student_innen (Gras) Mitte vergangenen Jahres vom Vorsitz in die Opposition. Vorangegangen war dem ein schwer durchschaubarer Koalitionskrach mit dem Verband Sozialistischer Student_innen (Vsstö) und auch den Fachschaftslisten (FLÖ). Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (Ag) nutzte die Gunst der linken Missgunst und konnte Sabine Hanger zur ÖH-Chefin küren lassen.

Dabei hatte die Gras bei der ÖH-Wahl 2019 mit 23 Prozent ein starkes Ergebnis erreicht – ein Plus von sieben Prozentpunkten. Das entspricht 13 von 55 Mandaten im Studierendenparlament.

Die Regierungsbeteiligung der grünen Mutterpartei machte das Agieren für die Gras allerdings nicht einfacher, eher im Gegenteil. Dafür sorgte die türkis-grüne Novelle des Uni-Gesetzes samt Mindeststudienleistung, die die Gras als "studierendenfeindlich" einstufte. Während Grünen-Abgeordnete Eva Blimlinger die UG-Novelle verteidigte, demonstrierte die Gras auf der Straße dagegen.

Dieses Jahr steigen zwischen 18. und 20. Mai die ÖH-Wahlen. Schon jetzt können Studierende per Briefwahl die Stimme für ihre Interessenvertretung abgeben. In einer STANDARD-Serie stellen sich in den kommenden Wochen alle acht Fraktionen durch die schriftliche Beantwortung eines Fragenkatalogs vor. Für die Gras geht die 21-Jährige Politikwissenschaftsstudentin Keya Baier als Spitzenkandidatin ins Rennen.

Keya Baier ist Spitzenkandidatin für die Gras. Sie fordert die Abschaffung aller Studiengebühren.
Foto: APA/Schlager

STANDARD: Was sollten die Hochschulen aus drei Semestern Pandemie lernen?

Baier: Das Streaming und die dauerhafte Verfügbarkeit aller Grundlagenvorlesungen sind wichtige Schritte hin zu einem selbstbestimmten Studium und gerade für Studierende mit Betreuungspflichten oder einem Job besonders wichtig. Durch digitale Lehrmaterialien und Ressourcenschonung ist außerdem ein großer Schritt in Richtung klimaneutrale Hochschulen gemacht. Die Hochschulen müssen aber auch lernen, dass die Digitalisierung noch nicht überall angekommen ist – bei Lehrenden fehlt oft noch der Wille zur Umsetzung, und die Studierenden dürfen nicht selbst auf den Kosten für die notwendige Ausstattung sitzen bleiben.

STANDARD: Wie steht die Gras zu Studiengebühren – auch vor dem Hintergrund des Corona-bedingten "neutralen Semesters" vergangenes Frühjahr?

Baier: Studiengebühren sind sozial selektiv und widersprechen einem freien und selbstbestimmten Studium. Wir fordern die Abschaffung aller Studiengebühren, insbesondere der doppelten Gebühren für Studierende aus Drittstaaten. Ein neutrales Semester, bei dem Studiengebühren nicht zurückerstattet werden, ist jedenfalls nicht genug.

STANDARD: Was sind eure zwei wichtigsten Forderungen für Unis?

Baier: Unser Ziel ist ein freies und selbstbestimmtes Studium durch mehr freie Wahlfächer und ein flexibleres Kursangebot. Außerdem muss der Uni-Alltag an die Lebensrealität der Studierenden angepasst werden, dazu braucht es etwa einen 24/7-Bibliothekszugang.

STANDARD: Und was ist für die Fachhochschulen am Wichtigsten?

Baier: Wir wollen endlich eine Ausfinanzierung der FHs durch den Staat und damit die Studiengebühren abschaffen.

STANDARD: Mit wem würdet ihr (k)eine Koalition eingehen?

Baier: Wir sind mit allen gesprächsbereit, außer mit Rechtsextremen vom RFS.

STANDARD: Wie hoch ist euer Wahlkampfbudget, und wer finanziert es?

Baier: Unser Wahlkampfbudget beträgt 70.000 Euro, und wir werden finanziell durch die Grünen unterstützt.

STANDARD: Sollten die Grünen in der Regierung mit der ÖVP bleiben, zumal mit der UG-Novelle weitere Verschärfungen beschlossen wurden, die den hochschulpolitischen Anliegen der Gras beziehungsweise den Grünen widersprechen?

Baier: Wir haben ein freundschaftlich-kritisches Verhältnis zu den Grünen. Durch die Regierungsbeteiligung sind die Grünen in der Kompromissrealität angekommen. Unser Anspruch als Gras ist es aber immer, kompromisslos Politik für die Studierenden zu machen, ganz egal, wer in der Regierung sitzt. Gerade in der Hochschulpolitik fehlen uns die entscheidenden Schritte, das Studium freier und selbstbestimmter zu gestalten. Deshalb bleiben wir weiterhin laut, wie wir es beispielsweise bei der UG-Novelle schon waren.

STANDARD: Was wollt ihr anders machen, damit es nicht wieder zu einem Koalitionschaos in einer linken Exekutive kommt?

Baier: Ich habe die letzten zwei Jahre eine sehr stabile linke Koalition an der ÖH Uni Salzburg angeführt – das wollen wir auch auf Bundesebene in den nächsten beiden Jahren schaffen. Unser Ziel ist jedenfalls eine laute und kritische ÖH aufseiten der Studierenden.

STANDARD: Es droht wegen Corona eine historisch niedrige Wahlbeteiligung – ab welchem Wert wäre die Legitimationsbasis der ÖH gefährdet?

Baier: Die ÖH ist die gesetzlich verankerte Interessenvertretung aller Studierenden – wir geben alle fraktionsübergreifend unser Bestes, damit die Wahlbeteiligung nicht zu stark unter den geschlossenen Hochschulen leidet.

Keya Baier (21) ist ÖH-Spitzenkandidatin der Gras. Sie stammt aus Berlin und studiert in Salzburg Politikwissenschaft. Sie ist Vorsitzende der ÖH Uni Salzburg.