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Drei Sätze zu einem Beitrag auf dem Facebook-Konto des Bundeskanzlers haben einem 60-jährigen Salzburger eine Anklage wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz eingebracht.

Foto: Reuters / THOMAS WHITE

Wien – Nach dem Angriff eines 31-jährigen syrischen Verdächtigen auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz, Elie Rosen, und Sachbeschädigungen an der Synagoge in der steirischen Landeshauptstadt verstärkten die Sicherheitsbehörden Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen. Auf dem Facebook-Konto von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurde danach ein Beitrag veröffentlicht, wonach die Budgetmittel für den Schutz verdreifacht würden – was Manfred K. geärgert hat. Weshalb der 60-Jährige nun wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung vor einem Geschworenengericht unter Vorsitz von Georg Olschak ist.

Der unbescholtene K. hat den Beitrag auf der Kanzlerseite nämlich am 16. September mit drei Sätzen kommentiert: "Warum, glaubt ihr, hatten die Deutschen so einen Hass auf die Juden? Und sagt bitte nicht, sie waren die Unschuld vom Land. Die Geschichtsbücher wurden gedreht und nochmals gedreht, bis von der Ursache des Hasses nichts mehr zu finden war."

Verhetzung statt Rechtfertigung

Aus Sicht von Staatsanwältin Bettina Sommer hat der Angeklagte damit den nationalsozialistischen Völkermord zu rechtfertigen versucht und somit gegen den Paragraf 3h des Verbotsgesetzes verstoßen. Sein Verteidiger sieht das nicht so: Es handle sich, wenn überhaupt, nur um Verhetzung, sein Mandant sei kein Nationalsozialist.

"Ich war in ganz schlechter Verfassung", erklärt der Salzburger dem Gericht. Seine Tochter betreibe ein Fitnessstudio und kämpfe wegen des Lockdowns mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. "Mia ham Hundattausend übanehman miassn", schildert er den finanziellen Engpass in der Umgangssprache seiner Heimat. Die lediglich tröpfelnden Entschädigungszahlungen der Bundesregierung hätten ihn geärgert.

"Warum posten Sie die Sätze dann genau unter diesem Beitrag?", fragt Olschak. "Goutieren Sie das nicht, wenn jüdische Einrichtungen besser geschützt werden?" – "Doch, i hob nix dagegen, wenn die dafia Steiergöd kriagn. Oba mia soitn a wos kriagen." Auf Nachfrage von Beisitzerin Nicole Baczak präzisiert er etwas: "Ich wollte, dass wir genauso behandelt werden wie andere Menschen." Er sei "aber sicher kein Rechter und kein Nationalsozialist", beteuert der Angeklagte. Der sich auch widerspricht: Einerseits behauptet er, er sehe auch viele Dokumentationen zum Thema, andererseits sagt er, er kenne sich nicht aus.

Erinnerungen an den Vater

In einer Stellungnahme während des Ermittlungsverfahren hatte K. auch noch ausgeführt, dass ihm sein 1928 geborener Vater in den 70er-Jahren erzählt habe, Österreicher hätten in den 20er-Jahren Juden gehasst, da diese bevorzugt wurden. "Was waren denn die Privilegien der Juden damals?", fragt Beisitzer Thomas Spreitzer daher. "Sie waren im Bankwesen und als Händler tätig und waren reicher", lautet die Antwort.

"Und wie viele Juden gibt es heute noch in Österreich? 100, 1.000, 100.000?", will Beisitzerin Baczak wissen. "Sicher 100.000", vermutet der Angeklagte. Der damit sicher falsch liegt, wiewohl die genaue Zahl schwer festzustellen ist. Seit der Volkszählung 2001 werden von der Statistik Austria keine Daten zur Religionszugehörigkeit mehr erhoben. Vor 20 Jahren gaben exakt 8.140 Menschen in Österreich an, jüdischen Glaubens zu sein. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien schätzt, dass es mittlerweile rund doppelt so viele sind.

Der Verteidiger macht in seinem Schlussplädoyer nochmals darauf aufmerksam, dass Antisemitismus per se noch nicht unter das Verbotsgesetz falle und sein Mandant noch nie auffällig geworden sei. "Es waren drei Zeilen, wo er einmal einen Fehler gemacht hat", appelliert er an die Geschworenen.

Knapper Freispruch

Diese folgen seiner Argumentation. Vom Vorwurf der NS-Wiederbetätigung wird K. einstimmig freigesprochen. Vier der Laienrichterinnen und Laienrichter sehen eine Verhetzung, vier nicht – bei Stimmengleichstand wird zugunsten des Angeklagten entschieden, daher erfolgt auch hier ein Freispruch. Die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 27.4.2021)