Blitze sind weitaus besser erforscht als ihr donnernder Nachhall. Forscher wollen das – auch mithilfe von seismologischen Messdaten – ändern.

Foto: imago images / Gottfried Czepluch

Erdbebenmessgeräte zeichnen nicht nur Erderschütterungen, sondern auch das Vorbeifahren von Autos oder Gewitterdonner auf. Mit Daten aus Erdbebenstationen im ganzen Alpenraum erforscht ein Team um Götz Bokelmann von der Uni Wien, wie Donner entsteht und wie sich seine Schallwellen ausbreiten.

Normalerweise werden Signale von Verkehr oder Gewittern aus den Erdbebendaten als Störsignale herausgefiltert. Das machten auch Bokelmann und seine Kollegen am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien bisher bei den Daten, die 600 im Alpenraum verteilte Sensoren über mehrere Jahre hinweg für ein Projekt namens Alparray lieferten, um die Erdbebenvorgänge in dieser Region zu erfassen. "Diese seismologischen Messgeräte zeichneten sehr häufig auch Donner auf und deshalb haben wir uns gedacht, dass wir diese Signale nicht nur als unerwünscht herausfiltern, sondern näher betrachten könnten, um den Donner besser zu verstehen", sagte Bokelmann. Im Gegensatz zum Blitz sei dieses Phänomen nämlich noch recht wenig erforscht.

Messstation am Gaisberg

Um die umfangreichen Donnerdaten der Alparray-Messstationen richtig deuten zu können, brauchten die Forscher gute Vergleichsdaten. Dazu grub das Team seismische Sensoren rund um die Blitzmessstation am Gaisberg. Der Berg nahe der Stadt Salzburg beherbergt auf seinem knapp 1.287 Meter hohen Gipfel einen Sendemast mit einer Messstation des österreichischen Blitzortungssystems ALDIS (Austrian Lightning Detection and Information System). Dort werden Blitzeinschläge und deren Eigenschaften wie der Blitzstromverlauf gemessen. Weil der Gipfel und Sender sehr prominent in der Landschaft stehen, schlagen dort sehr viele Blitze ein, die natürlich ein Donnergrollen nach sich ziehen, welche von den Erdbebensensoren aufgezeichnet werden.

"Der genaue Zusammenhang zwischen Donner und Blitz ist im Detail noch nicht so ganz klar", erklärte Bokelmann, der das Vorhaben auf der heuer online stattfindenden EGU-Generalversammlung (19. bis 30. April) vorstellt. Prinzipiell kann dieser zwischen der Wolke und dem Einschlags- oder Ursprungspunkt am Boden überall entstehen. Der elektrische Strom des Blitzes läuft durch einen dünnen Kanal. Die Luft darin erhitzt sich rapide durch die großen Energiemengen. "Diese Erwärmung führt zu einer schnellen Ausdehnung, es wird zunächst eine nicht-lineare Schockwelle erzeugt, die wiederum eine akustische Welle hervorruft", so der Forscher. Letztere nimmt man als Schall war, aber ein Großteil davon findet im Infraschall-Bereich statt, der von Menschen nicht wahrgenommen, aber eben von Erdbebensensoren aufgezeichnet wird.

Hoffnung auf bessere Prognosen

Auch in der Wolke selbst gibt es messbare Veränderungen. "Wenn Strom aus der Wolke zum Boden läuft, sind in der Wolke auf einmal viel weniger elektrische Ladungsteilchen und die elektrostatische Abstoßung nimmt ab", sagte Bokelmann. "Dadurch kollabiert die Wolke ein bisschen, und das erzeugt langwellige Schwingungen, die wir messen könnten".

Mit Donnerdaten der Erdbebensensoren wollen die Forscher theoretische Modelle testen, wie dieses Naturphänomen genau entstehen könnte. Außerdem wäre es vielleicht möglich, die Blitz-Einschlagsdaten des ALDIS-Systems zu verbessern. Dieses zeichnet derzeit mittels acht Sensoren in ganz Österreich Einschläge auf und kann mit einer Genauigkeit von 100 Metern bestimmen, wo ein solcher stattgefunden hat. Dadurch können etwa Feuerversicherungen eruieren, ob tatsächlich ein Einschlag stattgefunden hat, wenn jemand einen Schaden durch Blitzeinschlag an seinem Haus meldet. Durch die zusätzlichen Erdbebensensoren würde das System eventuell noch genauer werden. Vielleicht könne man damit aber auch die Gewitter-Vorhersagen verbessern, sagte Bokelmann. (APA, 27.4.2021)