Er hat den Realitätssinn also doch nicht ganz verloren. OMV-Chef Rainer Seele ist offenbar zur Einsicht gelangt, dass es mit einer Verlängerung seines lukrativen Vertrags, anders als bei der Wiederbestellung vor zwei Jahren in Aussicht gestellt, doch nicht klappen dürfte. Macher, der er ist, wollte er das Heft des Handelns auch in dieser Situation nicht aus der Hand geben. Wenn, dann würde er selbst entscheiden, wann er geht, wenn er schon nicht bleiben kann. Das hat er am Montag getan: bis zum nächsten Sommer, und dann ist Schluss.

OMV-Chef Rainer Seele verzichtet auf eine Vertragsverlängerung.
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Vorausgegangen sind Wochen und Monate, in denen die Kritik an Seele laut und lauter geworden ist. Dem Deutschen wurde ein autoritärer Führungsstil angekreidet. Bis auf sich selbst misstraue er fast allen. Vorwürfe bis hin zu mutmaßlicher Bespitzelung von Personen inner- und außerhalb des Unternehmens prasselten in immer kürzeren Intervallen auf die OMV herein. Dazu noch der Verdacht, dass bei einem Lieblingsprojekt von Seele, der Mehrheitsübernahme des Kunststoffkonzerns Borealis, mehr als nötig bezahlt worden sei.

Das hat auch den Aufsichtsrat aufgescheucht, wo die Republik als 31,5-Prozent-Eigner ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Auch wenn Seele in den vergangenen Jahren hohe Dividenden abgeliefert hat, ist der Druck für den Hauptaktionär zu groß geworden, an ihm festzuhalten. Seele hat gecheckt, dass er doch nicht Gott ist – und zieht nun die Konsequenz. (Günther Strobl, 26.4.2021)