Mit einem Ei pro Huhn und Tag darf man bei manchen Hühnerrassen schon rechnen. Den Aufwand, den das macht, sollte man aber nicht unterschätzen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Irving Sandoval

Prinzessin hält, was ihr Name verspricht. Puppi und Mädi sind folgsame Mitläuferinnen. Und Lady Gaga ist die Chefin – wie sollte es auch anders sein? Die vier Hühner leben im Garten von Karin A. in einer Einfamilienhaussiedlung im Mühlviertel. Hier picken sie im Gras nach Würmern oder liegen entspannt in der Sonne.

Nach so einer Idylle sehnen sich viele. Der Trend, sich Hühner im Garten zu halten, hat durch Corona einen Aufschwung bekommen, erzählt der Tiroler Hühnerblogger Robert Höck, der auf seinem Youtube-Kanal "Happyhuhn" Tipps gibt, die von Tausenden gesehen werden: "Ich habe meine Abonnentenzahl im letzten Jahr verdoppelt", erzählt Höck stolz. Er führt das auf eine wachsende Sehnsucht nach Selbstversorgung zurück. Viele wollen heute wissen, woher ihr Essen kommt. In manchen Familien fange das mit einem Hochbeet an – und ende mit Eiern der eigenen Hendln.

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Krähender Störenfried

Oft ist es aber auch der Anfang eines Konflikts: Krähende Hähne, gackernde Hühner und der damit verbundene Geruch erfreuen nicht alle Nachbarn. Immer wieder landen solche Nachbarschaftsstreitigkeiten vor Gericht. 2018 urteilte der Verwaltungsgerichtshof, dass die Hühnerhaltung mit der Widmung eines Wohngebietes unvereinbar sei.

Auch die Lärmbelästigung ist laut dem seit kurzem emeritierten Leibnitzer Rechtsanwalt Wolfgang Reinisch ein großes Thema. Hier geht es um die Frage der Ortsüblichkeit: Im Dorf wird man den krähenden Hahn eher hinnehmen müssen als im urbaneren Gebiet. "Aber die Welt wird kleinräumiger, die Parzellen kleiner", sagt der auf Nachbarschaftsrecht spezialisierte Jurist. "Das bedeutet, dass der Hahn unter Umständen jeden Tag um 4.30 Uhr in drei Metern Entfernung vom Schlafzimmer kräht." Reinisch kennt die Kriege, die über Gartenzäune ausgefochten werden: "Ein Nachbar ist jemand, mit dem man sehr sorgsam umgehen muss." Ist das Klima einmal zerstört, wird es schwierig, eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten leben können. "Zu uns kommen dann die, wo der eine sagt: 'Ohne Hahn kann ich nicht leben.' Und der andere kann mit Hahn nicht leben. Da gibt es wenige Auswege."

Hendlblogger Robert Höck rät daher dazu, die Nachbarinnen und Nachbarn an Bord zu holen – und sie auch mit Eiern zu versorgen. Manchmal funktioniert das, manchmal nicht: "Kein Huhn dieser Welt ist mir so viel wert, dass ich mit meinem Nachbarn zu streiten anfange", sagt Jurist Reinisch.

Ungewollte Hühner

Regina Binder, Expertin für Tierschutz- und Veterinärrecht an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, sieht den Trend kritisch. Auch weil Hühner anspruchsvoller seien, als viele glauben. Für zwei Tiere sind 18 Quadratmeter an Auslauf vorzusehen, außerdem brauchen sie einen Stall mit erhöhter Rückzugsmöglichkeit und ein Sandbad. "All das kann man ihnen in einem begrenzten Lebensumfeld nicht ermöglichen", sagt Binder.

Und beim Ausbruch einer Seuche – etwa der Vogelgrippe – kann verfügt werden, dass die Tiere im Innenraum gehalten werden müssen: "Mit einem Ministall ist das nicht machbar. Und ins Haus wird sich die Hühner auch niemand nehmen."

Bei Nina Hofstädter vom Verein Rette dein Huhn landen dann die Hühner, die keiner mehr will. Sie vermittelt Hendln aus der Legeindustrie weiter, wenn ihre Legeleistung mit etwa 16 Monaten nicht mehr ausreicht und ihnen die Schlachtung droht. Seit dem Ausbruch von Corona landen in ihrer Auffangstation "Pipiland" extrem viele Hähne. "Das Problem ist, dass sich viele Privatpersonen einen Brutapparat zugelegt haben, mit dem unkompliziert Eier ausgebrütet werden können", erzählt Hofstädter. Dem Schlüpfen folgt oft Erstaunen: Mindestens die Hälfte der Küken ist in der Regel männlich. Weil die Lärm machen und raufen, wollen sie viele loswerden: "Die Hähne werden dann im Wald ausgesetzt."

Ein Hoch aufs Steinpiperl

Daher sollte man die Sache vorab durchdenken. Dazu gehört, sich auf der Gemeinde zu erkundigen, ob die Haltung erlaubt ist, "und sich zu überlegen, ob es einen stört, dass man ständig Hendlscheiße an den Schuhen hat". Insektenphobie dürfe man auch keine haben, "oft wurlt der ganze Stall". Verschärft wird die Situation, wenn die Tiere von der roten Vogelmilbe, einem Parasiten, befallen werden. "Wir hatten letztes Jahr Fälle, wo die Hühner zu uns zurückgebracht wurden, weil den Leuten so gegraust hat", sagt Hofstädter.

Und auch mit den Rassen sollte man sich beschäftigen, empfiehlt Hühnerblogger Höck. Er mag alte Rassen, die zwar weniger Eier legen, dafür unkomplizierter sind. Steinpiperl seien "wunderschön, aber richtige Wildfänge", Sulmtaler gemütlich, sie fressen sogar aus der Hand.

Überhaupt kommen Hühnerhalter ins Schwärmen, wenn sie über die oft unterschätzten Tiere mit unterschiedlichen Persönlichkeiten reden, die zahm wie Haustiere werden. So wie Prinzessin, Puppi, Mädi und Lady Gaga, zu denen sich zwei weitere Hühner gesellt haben: Bianca und Renate sind die Hühner der Nachbarin. Die Eier werden anteilsmäßig aufgeteilt. Auch so kann Nachbarschaft funktionieren. (Franziska Zoidl, 28.4.2021)