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Annalena Baerbock will die Grünen in die nächste Bundesregierung führen und selbst als Nachfolgerin von Angela Merkel im Kanzleramt Platz nehmen. Derzeit liegen die Grünen in Umfragen auf Platz eins.

Foto: Reuters / Hilse

Es war klar, dass diese Frage gleich als erste kommt. "Irgendwie steht jetzt ganz blöd im Raum, Sie seien es nur geworden, weil Sie ’ne Frau sind. Kriegen Sie das noch mal abgeräumt?" Das will ARD-Talkerin Anne Will am Sonntagabend von Annalena Baerbock zu Beginn der Sendung wissen.

"Na, mein Geschlecht werde ich nicht ändern, auch nicht in den nächsten sechs Monaten", gibt die grüne Kanzlerkandidatin lächelnd zurück. Aber sie räumt ein, dass die "Frage der Emanzipation" schon eine Rolle gespielt habe bei der Entscheidung zwischen ihr und dem Co-Grünen-Chef Robert Habeck.

Derlei Fragen wird Baerbock noch oft beantworten müssen in den kommenden Monaten. Ebenso jene, ob sie mit 40 Jahren nicht zu jung sei für die Kandidatur. Und wie das denn überhaupt gehen solle, so ganz ohne Regierungserfahrung.

Bei Anne Will schlägt sich Baerbock gut und pariert die bohrenden Nachfragen. Ihre Botschaft: Ich bin anders als die älteren Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) – und das ist gut so.

Unterschied zur Union

Im Moment läuft es ja auch fein. Die Kandidatur haben Habeck und Baerbock in Ruhe unter sich ausgemacht. Kaum jemand bei den früher so streitlustigen Grünen monierte die Hinterzimmertaktik. Alle waren froh, dass sich ihr Führungspersonal bei der Kür der Kandidatin so fundamental von Armin Laschet und Markus Söder (CSU) unterschied.

Habeck trat dann zwar in einem Zeit-Interview doch noch nach und klagte, der Tag von Baerbocks Nominierung sei hart für ihn gewesen, der Tag der Entscheidung die "schmerzhafteste Niederlage". Denn er hätte den Job auch gern gehabt: "Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen."

Baerbock will ihn nun einbinden und kündigte an, dass er die Koalitionsverhandlungen für die Zeit nach der Bundestagswahl vorbereiten soll. Die Grünen gehen also fix davon aus, dass sie – in welcher Konstellation auch immer – in Regierungsverantwortung kommen.

Erfreut ist man in der Parteizentrale über einen neuen Mitgliederboom. In den fünf Tagen nach Baerbocks Nominierung wollten 2159 Menschen den Grünen beitreten. "Die Eintrittswelle in den letzten Tagen ist ein absoluter Rekord in der Parteigeschichte. Es läuft rund bei uns, und das macht mir gute Laune", freut sich Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.

In Umfragen auf Platz eins

Für noch bessere Laune dürften zwei neue Umfragen sorgen. Sowohl im Sonntagstrend des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag der Bild am Sonntag (BamS) als auch im RTL/NTV-Trendbarometer des Forsa-Instituts liegen die Grünen nun mit 28 Prozent auf Platz eins.

Die Union folgt mit 27 Prozent auf Platz zwei, die SPD ist abgeschlagen bei 13 Prozent. Und laut einer Insa-Befragung für die BamS würden sich 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler bei einer Direktwahl für Baerbock entscheiden, 20 Prozent für Scholz, 18 Prozent für Laschet.

Dass die Groko-Parteien Baerbock absolut als ernsthafte Konkurrentin ansehen, zeigen die jüngsten Aussagen von Scholz und Laschet.

"Deutschland ist eines der größten und erfolgreichsten Industrieländer der Welt. Es sollte von jemandem geführt werden, der Erfahrung im Regieren hat, der nicht nur regieren will, sondern das auch wirklich kann", stichelt Scholz Richtung Baerbock. Für geeignet hält er natürlich sich selbst.

Scholz und Baerbock kämpfen übrigens nicht nur um das Kanzleramt: Beide wollen im Wahlkreis Potsdam das Direktmandat für den Bundestag holen. Eine solche Konstellation gab es noch nie.

Söder zollt Respekt

Nichts Freundliches sagt auch Laschet über Baerbock: "Sie redet, ich handle." CSU-Chef Markus Söder hingegen warnt davor, die Grünen im Wahlkampf zu unterschätzen. Sie habe zwar keine Regierungserfahrung, "aber sie hat ihre Lebenserfahrung, und das Modell einer jungen Kandidatin hat in Finnland, Dänemark und Neuseeland viele Anhänger gefunden". Er, Söder, nehme Baerbocks "frische und moderne Kandidatur sehr ernst".

Diskutiert werden in Deutschland auch Fragen, mit denen sich ihre Konkurrenz wohl kaum auseinandersetzen müsste: etwa ob Baerbock mit zwei kleinen Kindern Kanzlerin werden könne. Und wie ihr Kleidungsstil zu deuten sei.

Der Berliner Tagesspiegel konstatiert: "An ihrem Äußeren bleibt nichts dem Zufall überlassen, trotzdem wirkt sie vollkommen natürlich." Obwohl Baerbock schlank sei, wirke sie "kompakt und tatkräftig", weil sie "Sportlerbeine" habe, heißt es in dem Beitrag. Die Kandidatin, schlussfolgert die Autorin, wolle grundsätzlich zeigen: "Seht her, ich bin eine von euch." (Birgit Baumann aus Berlin, 26.4.2021)