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Im Wettbewerb um Wettbewerbs- und Kartellrecht arbeiteten Wirtschafts- und Justizministerium nicht synchron – wie beim Armdrücken.

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Wien – Die Formulierung im Gesetzentwurf weckt die schlimmsten Befürchtungen bei Wettbewerbshütern: Das am Freitagnachmittag dem Nationalrat zugeleitete Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 (KaWeRÄG 2021) räumt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) das Recht ein, sich jederzeit über sämtliche Gegenstände der Geschäftsführung und Aufgabenerfüllung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zu informieren.

Die BWB hat der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf Verlangen unverzüglich und schriftlich alle diesbezüglichen Anfragen zu beantworten, heißt es im Textentwurf. Dieser liegt nicht wie üblich sechs Wochen zur Begutachtung auf, sondern gerade einmal dreieinhalb, wie die Ministerin mit Verweis auf die nächste Sitzung des Justizausschusses einräumte.

Viel Zeit, aber eilig

Eile sei geboten, hieß es in einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Montag, weil man bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie in Verzug sei. Das ist korrekt, allerdings hätte Österreich ausreichend Zeit gehabt. Denn die Richtlinie "zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedsstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts" trat am 14. Jänner 2019 in Kraft, also vor zwei Jahren.

Ob derart umfassende Befugnisse für das Ministerium dieser EU-Richtlinie entsprechen? Eher nicht. Allerdings dürften diese ohnehin nicht so weit gehen, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn Ausliefern muss die BWB demnach lediglich Unterlagen und Informationen, "soweit dies nicht der Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde nach EU-Recht widerspreche".

Unabhängigkeit gewahrt

Angaben über konkrete Missbrauchsfälle, zu Wettbewerbsuntersuchungen oder gar geplante Hausdurchsuchungen seien damit nicht gemeint, versicherten Schramböck und ihre Beamtinnen. "Das ist keine Weisung", betont die im Ministerium für Wettbewerbspolitik und -recht zuständige Erika Ummenberger-Zierler. Aber es sei notwendig, die in der Verfassung (BVG §20) vorgesehene Auskunftspflicht etwa gegenüber Minister oder Parlament auch in im Kartellrecht gegenüber der BWB zu verankern. Das habe man nach Vorbild der Bestimmungen der E-Control – wie die BWB eine Behörde mit richterlichem Einschlag – versucht.

Transparenz

Die Übung scheint nicht so recht gelungen zu sein. "Es ist schon erstaunlich, dass ein Gesetz, mit dem eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, die der Stärkung der Wettbewerbsbehörden dient, in die Gegenrichtung zeigt", merkt die auf Kartellrecht spezialisierte Rechtsanwältin Isabella Hartung im Gespräch mit dem STANDARD an. Hier wäre eine Klarstellung jedenfalls angebracht, zumindest in den Erläuterungen zum Gesetz.

Klarstellung notwendig

Ins selbe Horn stößt ein anderer Experte, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Der Zusatz, dass Ermittlungshandlungen der weisungsfreien Behörde nicht eingeschränkt werden dürfen, sei unerlässlich. Transparenz, etwa gegenüber dem Gesetzgeber und in Form eines Tätigkeitsberichtes sei wohl wichtig und notwendig, aber "mit Augenmaß und Ziel". Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten habe Österreich keine nennenswerten Defizite im Kartell- und Wettbewerbsrecht, daher solle man auf schwammige Formulierungen verzichten.

Die BWB, deren Chef Theodor Thanner über die Pläne zur Berichtspflicht nicht informiert worden sein will, warnte: Die Informationspflicht sei ohne Einschränkungen. "Daher ist es möglich, Information etwa über Razzien zu erfragen." Auch Whistleblowingmeldungen, Beschwerden über Marktmachtmissbrauch oder Geschäftsgeheimnisse wären betroffen.

Sensible Alleingänge

Verfassungsrechtlich seien Auskunftsrechte des Ministers notwendig, beharrt das Ministerium. Dass die BWB etwa Verhandlungen mit dem weißrussischen Minister über ein Kooperationsabkommen aufgenommen hat, habe das Ministerium über eine weißrussische Wirtschaftsdelegation erfahren, nicht über die BWB. Auch das Außenministerium sei über derart sensible außenpolitische Schritte nicht informiert gewesen.

Bei den Grünen beklagt man enormen Zeitdruck, der Koalitionspartner habe sich mit Finalisierung seines, das Wettbewerbsrecht betreffenden Parts, viel zu lange Zeit gelassen. Die Grünen wollen die unabhängige BWB und ihre Ermittlungen jedenfalls erhalten und die entsprechende Gesetzespassage gegebenenfalls ändern, kündigte Wirtschaftssprecherin Elisabeth Götze an. (Luise Ungerboeck, Renate Graber, 27.4.2021)