EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen fühlte sich beim Türkeibesuch diskriminiert.

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Brüssel/Ankara – Drei Wochen nach dem diplomatischen Eklat bei ihrem Türkeibesuch hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärt, wie sie die Situation wahrgenommen hat. Weil sie eine Frau sei, sei sie nicht ihrem Amt gemäß behandelt worden, sagte von der Leyen am Montag im Europaparlament. "Ich fühlte mich verletzt und allein gelassen, als Frau und als Europäerin."

Bei dem Besuch Anfang April wurde nur EU-Ratspräsident Charles Michel ein Platz neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angeboten. Von der Leyen musste am Sofa sitzen. "Dies zeigt, wie weit der Weg noch ist, bis Frauen als Gleiche behandelt werden", sagte von der Leyen. Sie selbst sei privilegiert, weil sie sich wehren könne. Millionen Frauen, die täglich verletzt würden, könnten dies jedoch nicht. Tausende viel schlimmere Zwischenfälle würden nie bekannt.

Frauenrechte als Vorraussetzung für Zusammenarbeit

Die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen sei ein wichtiges Instrument, sagte von der Leyen. Der Rückzug der Türkei aus dem Vertrag sei ein furchtbares Signal. Inakzeptabel sei auch, dass einige EU-Staaten das Abkommen noch nicht ratifiziert hätten und andere über eine Abkehr nachdächten, sagte sie mit Blick unter anderem auf Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen. "Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ein Verbrechen, wir müssen es als Verbrechen benennen" und ahnden.

An die Adresse der Türkei sagte sie, der Respekt für Frauenrechte sei wichtige Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Dialogs und die Ausweitung gemeinsamer Programme. Gefordert seien darüber hinaus eine weitere Deeskalation im östlichen Mittelmeer sowie die Achtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. "Das sind unsere Bedingungen für eine Vertiefung unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Türkei", sagte die Kommissionspräsidentin.

Unterstützung von Charles Michel

EU-Ratschef Michel sagte zu "Sofagate", er habe öffentlich sein Bedauern ausgedrückt und mit von der Leyen vereinbart, dass sich so etwas nie wiederholen dürfe. Er höre auch die Kritik, dass er in der Situation bei Erdogan anders hätte reagieren müssen. Doch habe er nicht monatelange Arbeit zur Vorbereitung des Besuchs zunichte machen wollen. Er bekundete seine Unterstützung für die Gleichberechtigung der Frau.

ÖVP-Europaabgeordneter Lukas Mandl äußerte sich im Vorfeld der Sitzung kritisch zu Michel, dem er mit Blick auf Sofagate eine "Mitverantwortung" dafür attestierte, "welches Zerrbild der EU hier vermittelt wurde". "Unabhängig von protokollarischen Fragen ist die oberste operative Ansprechpartnerin der EU Ursula von der Leyen. Erdogan und seinesgleichen werden lernen müssen, das auch in Formalfragen gelten zu lassen", betonte der Parteifreund von der Leyens in einer Aussendung. (APA, 26.4.2021)