Wolfgang Sobotka findet, dass die Wahrheitspflicht in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen Auskunftspersonen "ungeheure Sorge" bereitet und man daher eine Abschaffung überlegen könnte.

Foto: APA

Wien – Entschiedene Ablehnung hat Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Montag mit einem Vorstoß in Richtung Verzicht auf die Wahrheitspflicht in Untersuchungsausschüssen geerntet. SPÖ, FPÖ und Neos wiesen das sofort unter scharfer Kritik an Sobotka zurück, der derzeit dem Ibiza-U-Ausschuss vorsitzt.

"Bei uns hat jede Person, die Auskunftsperson ist, eine ungeheure Sorge, dort etwas Falsches zu sagen, weil sie dort unter Wahrheitspflicht steht. In Deutschland gibt es das nicht", sagte Sobotka laut einer Puls-24-Aussendung. Tatsächlich gibt es in deutschen Untersuchungsausschüssen aber sehr wohl eine Wahrheitspflicht. Sobotkas Aussage hierzu ist also falsch. Er fügte außerdem hinzu: "Man kann sich da viele Dinge überlegen, wenn man einen Konsens findet."

Grund für Sobotkas Aussagen war, wie sein Sprecher gegenüber der APA ergänzte, die Problematik, dass sich Auskunftspersonen, gegen die parallel ein Strafverfahren läuft, "in Permanenz entschlagen können". Das unterbreche nicht nur den Befragungsfluss, sondern sei auch für die Klärung der politischen Verantwortung oft kontraproduktiv. Mit einer diesbezüglichen Änderung der Verfahrensordnung könnte man diese "Pattsituation" lösen – "das und nichts anderes hat der Präsident zum Ausdruck gebracht", merkte der Sprecher an.

Kritik von SPÖ, Neos und FPÖ

Die oppositionellen Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss machten umgehend klar, dass es absolut keinen Konsens für die Abschaffung der Wahrheitspflicht gibt: "Im Parlament die Wahrheit zu sagen kann doch nicht zu viel verlangt sein", meinte Kai Jan Krainer (SPÖ) auf Twitter. Aber es sei "leider nichts Neues", dass "Wolfgang Sobotka ein Problem mit der Wahrheit" habe. Er legte dem Nationalratspräsidenten den umgehenden Rückzug aus dem U-Ausschuss nahe.

Christian Hafenecker (FPÖ) zeigte sich in einer Aussendung empört über diesen "wahnwitzigen Vorschlag", der darauf hinauslaufe, "die Lüge in Untersuchungsausschüssen zu legalisieren". "Das schlägt dem Fass den Boden aus", befand er – unter Hinweis darauf, dass es bisher nur Angehörige der ÖVP gewesen seien, deren mutmaßliche Falschaussagen zu Anzeigen bei den Behörden geführt hätten.

"Ungeheure Sorge" müssten nur Auskunftspersonen haben, die "wissentlich die Unwahrheit" sagen, stellte Stephanie Krisper (Neos) fest. Sie hielte das Gegenteil für geboten: "Statt die Wahrheitspflicht abzuschaffen, müssen wir viel eher dafür Sorge tragen, dass Falschaussagen in Untersuchungsausschüssen von der Justiz auch gewissenhaft verfolgt werden und endlich auch Konsequenzen haben." Für Krisper ist es "bezeichnend und selbsterklärend, dass Sobotka genau jetzt, da wir Bundeskanzler Kurz und andere hochrangige ÖVP-nahe Personen wegen des Verdachts der Falschaussage angezeigt haben, laut über die Abschaffung der Wahrheitspflicht nachdenkt". (red, APA, 26.4.2021)