"Dantons Tod" am Schauspielhaus Düsseldorf 2019 mit Ron Iyamu (sitzend) in der dazuerfundenen Rolle eines ehemaligen Sklaven.

Foto: Thomas Aurin

Schauspieler Ron Iyamu, am Mozarteum ausgebildet.

Thomas Rabsch

Sophie Mefan, Schauspielerin am Landestheater Salzburg.

Anna-Maria Löffelberger

Christina Alexandridis, Schauspieldirektorin und Chefdramaturgin am Tiroler Landestheater.

Günther Egger

Nikola Jaritz-Rudle, Schauspielerin und Sprecherin der politischen Aktionsgruppe am Landestheater Salzburg.

Foto: Anna-Maria Löffelberger

Noch macht das Theater nicht mit seinen neuen Inszenierungen von sich reden, sondern mit Konflikten, die sich hinter den Kulissen abspielen. Rassismusvorwürfe am Schauspielhaus Düsseldorf haben jüngst die Debatte über den Arbeitsplatz Theater erneut angestoßen. Am Rande von Probenarbeiten zum Stück Dantons Tod im Sommer 2019 wurde der schwarze Schauspieler Ron Iyamu, der im Stück den ehemaligen Sklaven Toussaint Louverture spielte, vom Regisseur als "Sklave" angesprochen. Das hat Ensemblemitglieder in der Folge dazu bewogen, noch weiter zu gehen. Ein Kollege trat Iyamu später mit gezücktem Teppichmesser entgegen und sagte: "Wann schneiden wir dem N-Wort eigentlich die Eier ab?"

Iyamu, 1992 in Hannover geboren und am Mozarteum in Salzburg ausgebildet, hat sich damals im Haus beschwert, ohne Konsequenz. In einem Interview mit dem WDR auf rassistische Erfahrungen angesprochen, machte er den Vorfall nun publik. Seither sieht sich das Schauspielhaus Düsseldorf schwerwiegender Kritik ausgesetzt, von "toxischen" Arbeitsbedingungen ist die Rede. Das Haus unternimmt derzeit alles, um aus dem Schlamassel unbeschadet herauszukommen.

Das Wissen Betroffener

Der damals verantwortliche Regisseur Armin Petras hat sich inzwischen bei Iyamu per Mail entschuldigt. Und auch der Intendant Wilfried Schulz hat den Ernst der Lage erkannt und eine Aufarbeitung der Vorwürfe mit externer Hilfe angekündigt. Dass dann auch noch der Theaterdozent Bernd Stegemann in der FAZ mit dem Kampfbegriff der "Identitätspolitik" ins Feld zog – Titel: "In den Schützengräben der Verletzbarkeit" –, hat die Sache weiter angeheizt. 1.400 Theateraffine richteten sich daraufhin in einem Leserbrief gegen dessen herablassenden Beitrag.

Es braucht offenbar solchen Bahö, damit sich Menschen bereiterklären zuzuhören. Die Düsseldorfer Vorgänge belegen, dass struktureller Rassismus nicht mit Fachliteratur, Vorträgen und ein paar Workshops aus der Gesellschaft verschwinden wird. Auch deshalb, weil sich viele Menschen der Mehrheitsgesellschaft ihren eigenen Rassismus offenbar nicht bewusst machen und die Bereitschaft, sich mit dem Wissen Betroffener auseinanderzusetzen, sichtlich niedrig ist.

Nicht Teil des Problems

Das bestätigen auch Menschen an österreichischen Bühnen. "Viele sehen sich selbst nicht als Teil des Problems", stellt Sophie Mefan fest. Sie gehört seit 2019 zum Ensemble am Landestheater Salzburg und sagt: "BIPoCs (Black, Indigenous and People of Color, Anm.) werden nicht einfach nur als Menschen, sondern, ich nenne es einmal 'Menschen + ...' betrachtet." Mefan habe schon oft erlebt, dass "Ausreden" gefunden werden mussten, um People of Color in ein Stück einzubauen, etwa durch eine Anlehnung an die Flüchtlingskrise.

Auch Christina Alexandridis, Schauspieldirektorin und Chefdramaturgin am Tiroler Landestheater, ist sich des verdeckten Rassismus bewusst. "Ich selbst habe an unserem Haus keine rassistischen Vorfälle wahrgenommen – allerdings bedeutet das nicht, dass es sie nicht gab oder gibt." Alexandridis ist gerade dabei, proaktiv eine Workshopreihe am Haus in Gang zu setzen. Eine größere Diversität in den Ensembles wäre entscheidend: "In unserem Schauspielensemble gibt es – anders als im Tanz oder Chor – zurzeit keine People of Color – auch das ist sicherlich ein Fakt, über den es nachzudenken lohnt."

Entmischung

Das findet auch Nikola Jaritz-Rudle, Schauspielerin und Sprecherin der politischen Aktionsgruppe am Landestheater Salzburg: "Besonders bei den Themen Repräsentation und Sichtbarkeit hinken wir krass hinterher."

22 Theatermacher of Color, temporär beim Schauspielhaus Düsseldorf engagiert, wollen aber nicht darauf warten und fordern in einer Petition eine "unabhängige, selbstorganisierte Freie Bühne" mit einem eigenen Subventionsvolumen, um "dem institutionellen Rassismus" zu entkommen. Ein Ansinnen, das den Rassismusspieß umdreht und eine Entmischung zum eigenen Schutz einfordert. Ihre Produktion M(a)y Sister befasst sich übrigens mit der afrodeutschen Poetin May Ayim, die aufgrund psychischer Erkrankungen infolge ihrer Rassismuserfahrungen 1996 von einem Hochhaus in den Tod sprang. (Margarete Affenzeller, 27.4.2021)