Das Kind, Jesus, war nicht von ihm, Josef blieb dennoch ruhig – das macht ihn laut einer Broschüre von Arbeiterkammer Tirol und Diözese Innsbruck zu einem guten Krisenmanager.

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Die Pandemie führt nach einem Jahr teils zu unkonventionellen Ratgebern: "Krisen-Coaching durch den heiligen Josef" steht groß auf einer vierseitigen Broschüre, die die Tiroler Arbeiterkammer in Kooperation mit der Diözese Innsbruck erstellt hat. Es handelt sich dabei um den Abdruck der Predigt zum Festtag des Landespatrons – des heiligen Josef.

"Enttäuschung und Vertrauenskrise pur"

Verzweifelte Tirolerinnen und Tiroler können viel von Josef lernen, wenn man den Empfehlungen der Broschüre folgt: Gerade jetzt während der Pandemie würde man "unseren Josef" als "alltagsnahen Coach" brauchen.

Was Josef als Coach qualifiziere? Zum einen die mehrfache Krisenerfahrung, wie es heißt. "Seine Verlobte Maria war schwanger, aber nicht von ihm. Enttäuschung und Vertrauenskrise pur. Zum Glück hatte er das nötige Nervenkostüm und Glauben, um gewaltfrei mit der Situation umzugehen." Leider würden viele Männer dem "gefährlichen Reaktionsmuster einer aggressiven Problemlösung" folgen, nicht aber der Landespatron: "Josef hingegen wollte sich leise davonmachen, um seine Verlobte nicht bloßstellen und anklagen zu müssen. Das Recht wäre hundertprozentig auf seiner Seite gewesen."

Krisenerfahrung sei "unserem Coach" aber auch nicht fremd, weil Maria und Josef den zwölfjährigen Jesus einmal in einer Menschenmenge verloren hätten, heißt es in der Broschüre außerdem.

"Erschreckendes Männerbild"

Die Grünen haben für das Josef-Special der Arbeiterkammer kein Verständnis: "Es ist schon sehr eigenartig, dass die Arbeiterkammer Tirol in ihrer Broschüre eine Predigt nachdruckt, die ein erschreckendes Männerbild vermittelt", sagt Barbara Neßler, Nationalratsabgeordnete aus Tirol, die unter anderem für Familie und Jugend bei den Grünen zuständig ist. Hier werde "Männern zwischen den Zeilen zugestanden, dass sie in einer – im Übrigen in Bezug auf die Bibel herbeifantasierten – Enttäuschung und Vertrauenskrise mit Gewalt gegenüber Frauen agieren können und es nur dem Glück zuzuschreiben sei, wenn sie das nicht tun".

Gerade in Hinblick auf die bereits hohe Anzahl an getöteten Frauen in diesem Jahr sei das bedenklich. "Selbst wenn es um den heiligen Josef geht – das ist vorsintflutlich, was hier transportiert wird", sagt Neßler. "Und dass die Arbeiterkammer ihre Mitgliedsbeiträge für ein solches Machwerk verschwendet, ebenso."

Schutzpatron der Arbeiter

Zum Tag des heiligen Josef, dem 19. März, laden die Diözese Innsbruck und die Arbeiterkammer jährlich gemeinsam zur Josefimesse. Warum die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Kammer? Der heilige Josef ist nicht nur Landespatron, sondern auch Schutzpatron der Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Kammer nimmt den Landesfeiertag fast jedes Jahr zum Anlass, um durch Resolutionen oder auf andere Art auf soziale Anliegen aufmerksam zu machen – 2015 setzte man sich am Josefitag beispielsweise für Wohnen als Grundrecht ein, 2017 wurde auf die Armut in Europa aufmerksam gemacht, und vor zwei Jahren forderte AK-Präsident Erwin Zangerl "menschenwürdige Arbeit, Wohnungen, die sich die Beschäftigten auch leisten können, und ein faires Einkommen von mindestens 1.700 Euro brutto pro Monat". (Lara Hagen, 27.4.2021)