Die Fischsuppe von Alexander Mayer genießt in Wien Weltruf, mit gutem Grund: so dicht, so reichhaltig, so gut! Gibt es, mit separat verpackter Fischeinlage, auch für zu Hause.

Foto: Gerhard Wasserbauer

In den Vitrinen stapeln sich die Schinken aus dem französischen wie auch spanischen Baskenland, die Würste aus München, die Grammeln und das Geräucherte aus dem Innviertel, die Terrinen aus kücheneigener Fertigung und der unerhört schön gereifte Rohmilchkäse von Kaes.at oder direkt aus Frankreich.

Pandemiebedingt fällt die Auswahl in dieser kühl gekachelten Kathedrale des Wohlgeschmacks aber etwas schmäler aus als sonst, wenn auch das dahinter liegende Bistro mit dem langen Gemeinschaftsesstisch offen hat. Nicht etwa wegen Lieferproblemen, Alexander Mayer braucht den Platz vielmehr, um auch seine frisch eingekochten Gemeinheiten im Glas präsentieren zu können.

Wie bei den Delikatessen gilt auch für die eingerexten Sachen: Aufs Geld schauen sollte man sich gefälligst abgewöhnt haben. Wobei, Fischsuppe für zwei um 34 Euro ist gar nicht so exorbitant, wenn es eh schon wurscht ist – und ohnehin die teuerste Vorspeise. Fürs Protokoll: Saure Kranzlextra mit Cornichons, Kernöl, Roscoff-Zwiebeln und wachsweichem Sol-Ei ist um 21 Euro die günstigste, dafür reicht die auch locker für vier und haut einem vor lauter Wohlgeschmack ansatzlos die Sicherungen raus.

Ceviche, mon Amur!

Multihauber Mayer, der im Vincent auch einmal einen Stern holte, ist eben berüchtigt dafür, nur mit besten Zutaten zu arbeiten. Und er sieht überhaupt nicht ein, wie das jetzt, in der Selbstständigkeit, anders sein könnte als in seinen Zeiten als Lohnkoch.

Weil nicht alles Eingekochte in der Vitrine Platz hat, steht auf der Tafel hinter der Budel das jeweils aktuelle und, bis auf ein paar Evergreens, wöchentlich wechselnde Angebot. Ceviche vom weißen Amur etwa, ein Gericht, das den in Österreich heimischen, vegetarisch lebenden Fisch mit Leichtigkeit in die Sphären der ganz großen Gaumenfreuden entführt. So saftig, fleischig und edel wächsern im Biss wie in dieser zart gesäuerten Marinade läuft dieser Karpfen selbst nobelsten Fischen von Steinbutt bis Gelbschwanzmakrele den Rang ab.

In die Fischsuppe darf er natürlich auch, mit Waller, Zander und Seesaibling. Man muss schon einen besonderen Holzgaumen ausgefasst haben, um den Amurkarpfen in dieser vornehmen Runde nicht als herausragend köstlich wahrzunehmen. Die Suppe selbst hat es auf ganz eigene Art in sich, ein irrsinnig dichtes, sanft papriziertes Kompendium mit ideal kontrolliertem Safraneinsatz und deutlichen Krustentiernoten, das vor lauter Fischfond-Power als Dayglo-rot leuchtender Glibber aus dem Glas in den Kochtopf flutscht.

Der Fisch kommt separat, am Tag des Abschlagens filetiert, portioniert und mit Olivenöl mariniert schockgefroren, dazu und darf in der Suppe garziehen. Was soll man sagen? Es ist nicht alles schlecht an diesem Lockdown ohne Wiederkehr: Die Wiener Wohnungen, in denen schon irgendwann Fischsuppe von ähnlicher Eleganz und Kraft aufgetragen wurde, lassen sich an den Gräten einer Hand abzählen.

Dim Sum von der Grammel

Mayers gerühmte Grammelknödel haben es auch durch die Pandemie geschafft, die kaum Pingpongball großen Dinger sind wie gewohnt in hauchdünnen Schmalzteig gehüllt (tolle, bissfeste und doch elastische Konsistenz!), fantastisch knusprig und zart würzig im Inneren und mit einem wuchtig frischen Speckkrautsalat im Glasl gepaart, der irgendwie exotisch, aber auch hemmungslos apfelessigsauer gegen die Fett’n der Grammeln auffährt: Widerstand zwecklos, einfach zu gut für diese Welt.

Und weil eine Besprechung von Alexander Mayers Küche nicht ohne Nennung des Jambon persillé enden darf, noch ganz schnell: Die zart gelierte Terrine aus frisch gesurtem, in weißem Burgunder gargezogenem Thum-Beinschinken mit unvernünftig viel Petersil drin ist Sulz in edelster Perfektion. Der Sommer kann kommen! (Severin Corti, RONDO exklusiv, 30.4.2021)

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