"Supermärkte kenne ich nur vom Segnen, nicht vom Einkaufen", gibt Dompfarrer Toni Faber zu.

Foto: Katharina Gossow

Der Ort

Hier im Speisesaal neben der Pfarrkanzlei am Stephansplatz esse ich mit den zehn Priestern, die hier im Haus leben, zu Mittag. Ich habe den Vorsitz, spreche vor und nach dem Essen ein Gebet. An der Wand hängen ein Eberkopf und ein Hirschgeweih – beide von mir erlegt. Wild ist das gesündeste Fleisch.

Das Menü

Seit 17 Jahren kocht Silvia Zacharová montags bis samstags für uns zu Mittag. Sie macht das super. Fischgerichte waren anfangs aber nicht ihre Stärke. Ich habe dann Haubenkoch Manfred Buchinger gebeten, sie unter seine Fittiche zu nehmen. Nach vier Tagen Crashkurs beherrschte sie schließlich auch die Fischzubereitung. Zum Geburtstag darf man sich eine Speise wünschen. Ich wähle meistens Steak. Durch die Pandemie fallen die für mich sonst gewohnten Abendtermine und Einladungen aus, jetzt muss ich mich selbst versorgen. Mein Kühlschrank ist in der Regel aber nur mit Wein gefüllt. Supermärkte kenne ich nur vom Segnen, nicht vom Einkaufen. Ich wüsste nicht mal, wo ich dort Milch oder Butter finde. Darum nehme ich zurzeit Essensgeschenke gern an. Gestern gab’s Bresaola, Trüffelkäse und eingelegte Oliven. Der Stephansdom bekommt 365 Flaschen Messwein pro Jahr von den Wiener Winzern, deren Seelsorger ich bin. Diese Menge benötigen wir für die sieben Gottesdienste täglich. Ich trinke aber auch in meiner Freizeit gern zu einem guten Essen ein Glas Wein. Früher trank ich nur Rotwein, seit einigen Jahren liebe ich den Wiener Gemischten Satz.

Die Erinnerung

Ich bin im Gemeindebau aufgewachsen, meine Mutter hatte nicht viel Geld. Es gab fast nie Fleisch. Das machte mir nichts aus, ich freute mich immer sehr, wenn es Buchteln mit Vanillesauce, Apfelstrudel oder Kaiserschmarren gab. Als ich ins Priesterseminar eingetreten bin, verstand ich nie, wieso es gerade am Freitag, dem Fasttag, das beste Essen, nämlich Mehlspeisen gab. Heute halte ich mich bewusst zurück. Einmal im Jahr ernähre ich mich eine Woche lang nur flüssig. In die kirchliche Fastenzeit fallen mein Geburtstag und wichtige Termine, da kann ich nicht sagen "Ich esse nichts". Das wäre scheinheilig.

Die Gästeliste

Fünfmal im Jahr veranstalten wir ein Festmahl für Obdachlose und Einsame. Wir nennen es bewusst nicht Armenausspeisung, behandeln unsere Festgäste mit Würde. Ehrenamtliche Helfer, Firmkandidaten der Dompfarre, alle helfen mit. Supermärkte und die Pizzeria Da Capo spenden Lebensmittel. (Michael Steingruber, RONDO exklusiv, 2.5.2021)