Einer kubistischen Figur aus Betonblöcken gleich schlummert der bekannte Sakralbau im 23. Bezirk.
Foto: Christian Fischer

Wir befinden uns am südwestlichen Stadtrand Wiens, auf dem 321 Meter hohen Georgenberg in Mauer. Von dort oben haben wir einen imposanten Blick über die Dächer der Stadt – doch diesem Anblick kehren wir den Rücken zu. Vor uns: eine Ikone der modernen Kirchenarchitektur, ein brutalistisches Gotteshaus, ein Denkmal. Weniger unter ihrer offiziellen Bezeichnung Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit als unter ihrem Rufnamen Wotrubakirchebekannt.

Unweit der Sternwarte und des Maurer Walds tummeln sich hier Besucher, Kinder laufen über die horizontalen Betonblöcke am Sockel der Kirche. Neben dem Eingang heißt es auf einem Schild: "Unsere Kirche ist, wie Sie sehen können, keine gewöhnliche Kirche." Der Bildhauer Fritz Wotruba, nach dessen künstlerischem Entwurf das Bauwerk erbaut wurde, wollte "etwas gestalten, das zeigt, dass Armut nicht hässlich ist und auch glücklich macht". Typisch für den modernen Sakralbau, ist der Innenraum auf das Notwendigste reduziert. Nur ein monumentales Bronzekruzifix hängt an der Wand. Die Glasfenster in den Schluchten der Betonquader fluten den Raum mit Tageslicht. Ein Spiel aus Masse und Fragilität.

Stonehenge oder Bauklötze?

Wotruba gilt als einer der wichtigsten Vertreter der klassischen modernen Bildhauerei in Europa. Er abstrahierte Figuren zu kubistischen Formen und gestaltete Wandreliefs, Grab- und Denkmäler sowie Bühnenarchitektur. Von außen gibt sich sein wohl bekanntestes Werk – ohne Kreuz oder Glockenturm – vorerst nicht als Kirche zu erkennen. Die 135 aufeinandergestapelten Betonblöcke erinnern an Stonehenge oder riesige Bauklötze, die willkürlich fallen gelassen wurden. Wie eine Figur schlummert sie dort, jederzeit bereit zu erwachen.

45 Jahre sind nun seit ihrer Einweihung vergangen. Ein Jahr nach dem Tod Wotrubas wurde der Kirchenbau 1976 fertiggestellt. Das Belvedere 21 widmet diesem Jubiläum mit Wotruba. Himmelwärts eine Ausstellung, die am 6. Mai eröffnet wird. Gezeigt werden Modelle und Skizzen des Kirchenbaus, die großteils aus dem Nachlass des Bildhauers stammen, der 2011 dem Museum übergeben wurde. Die Kuratorin Gabriele Stöger-Spevak wurde von dem Architekten Fritz Gerhard Mayr beraten, der den Kirchenbau gemeinsam mit Wotruba umgesetzt und nach dessen Tod geleitet hat. Ein ausführlicher Katalog erzählt die Geschichte der Entstehung, die anfangs durchaus umstritten war.

Fritz Wotruba 1967 bei der Arbeit an einem Tonmodell für das Projekt in Steinbach bei Wien.


Foto: Belvedere 21 / Nachlass Fritz Wotruba

Heftige Debatte

Zuallererst war die Kirche gar nicht für diesen Standort geplant. Die spätere Projektleiterin, Margarethe Ottillinger (nach der auch der Platz benannt ist), wurde 1962 von einer Gruppe Karmelitinnen mit dem Bau einer Klosterkirche für das neue Karmel Steinbach bei Wien beauftragt. Sie fragte Wotruba, und er lieferte 1964 das erste Modell.

Eine Ausstellung zu dem geplanten Projekt in der Galerie nächst St. Stephan in Wien erregte 1968 großes Aufsehen und machte den Kirchenbau zum kulturpolitischen Ereignis. Stöger-Spevak schreibt im Katalog, dass sich eine "intensive öffentliche Debatte" um das Bauvorhaben entspann: Kritisiert wurden die Verbindung von Kirche und moderner Architektur, zu hohe Baukosten sowie die abstrakte Architektur, die despektierlich als "überdimensionale Plastik" bezeichnet wurde. Andere stellten die Kirche in ihrer modernen Funktionalität infrage. Positive Reaktionen sahen Wotrubas Modell als sehr fortschrittlich und ihn selbst als "größten Bildhauer" an. Doch obwohl sich Ottillinger und Ordensmitglieder für den Bau einsetzten, geriet die Erzdiözese Wien unter Druck – schließlich wurde der Bau nicht genehmigt.

Zugang für alle

Nach längerer Suche stellte sich Jahre später der Grund auf dem Georgenberg als passend heraus, da er auch auf einer Anhöhe lag. 1974 konnte mit dem Bau begonnen werden. Nach Fertigstellung avancierten das Gebäude und das Areal darum zu dem beliebten Ausflugsziel, das es heute noch ist. Im Zentrum steht eine aktive Kirchengemeinde.

Als diese 2014 den Vorschlag machte, das Untergeschoß durch einen barrierefreien Zugang zur Kirche sowie einen unterirdischen Pfarrsaal zu erweitern, wurde eine erneute Debatte entfacht. Man sah den Bau denkmalschützerisch gefährdet. Es kam zu öffentlichen Diskussionen zwischen Mayr, dem Rektorat der Kirche, dem Bauamt der Erzdiözese sowie dem Bundesdenkmalamt. Kardinal Christoph Schönborn setzte sich schließlich im Sinne der Gemeinde für den Zubau ein, das Bundesverwaltungsgericht stimmte 2017 zu. Zwei Jahre später war der verglaste Anbau, der am Fuß des Hügels liegt, fertiggestellt.

Ob Wotruba dessen Gestaltung zugesagt hätte, sei dahingestellt. Dass sein Kirchenbau somit aber für alle zugänglich wurde, hätte dem Bildhauer bestimmt gefallen – im Sinne der Moderne. (Katharina Rustler, 28.4.2021)