Was haben Solarstrom und Elektroautos gemeinsam? Beide Technologien haben sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt und stehen in vielen Fällen ihren fossilen Vorgängern – Kohlestrom respektive Verbrennungsmotor – um nichts nach. Auf beiden liegen enorme Hoffnungen: Während Photovoltaik die dringend notwendige Energiewende herbeiführen soll, wird vom Elektroauto nicht weniger erwartet, als den Individualverkehr vom CO2 zu befreien.

Was wäre da naheliegender, als den Sonnenstrom mit dem Stromauto zu vereinen und Autos mit Photovoltaik-Modulen vollzupacken? Vorbei wären die (in der Regel unbegründeten) Ängste um die zu geringe Reichweite, die Überlastung der Stromnetze oder die Suche nach einer freien Ladesäule. Das Solarauto, es wäre ein Perpetuum mobile – zwar nicht physikalisch, aber zumindest psychologisch. Denn nachtanken würde sich erübrigen, wenn der Strom immer wieder kostenlos und umweltfreundlich vom eigenen Dach nachkommt.

Lange Zeit waren Solarautos nur etwas für Abenteurer.
Foto: BWCS/Mark Evans

Was technisch möglich ist, versuchen Freaks aus aller Welt seit 1987 bei der World Solar Challenge auszuloten. Die rund 3000 Kilometer zwischen den australischen Städten Darwin und Adelaide müssen die Teilnehmer allein mit Solarstrom vom eigenen Fahrzeug zurücklegen. Die Gefährte sind – gelinde gesagt – nicht gerade alltagstauglich: Die meisten sind nicht mehr als Solarpanels mit Rädern, in denen irgendwo der Fahrer eingequetscht ist. Erst 2013 kamen neue Kategorien hinzu, die auch praxistauglicheren Modellen eine Chance geben.

Bisher keine Serienproduktion

In Serienproduktion sind Solarautos allerdings bisher noch nicht. Ein Pionier kommt passenderweise aus dem Land der aufgehenden Sonne: Den Toyota Prius kann man seit 2017 auch in einer Variante mit Solardach bestellen, die 180 Watt starken Photovoltaik-Panels liefern allerdings nur rund fünf Kilometer zusätzliche Reichweite pro Tag. Während der Fahrt speisen sie überhaupt nur die Bordelektronik.

Gewöhnungsbedürftiger Look: Ein mit Solarmodulen zugepflasterter Prototyp des Toyota Prius.
Foto: Toyota

Seit 2019 testet der japanische Autobauer deshalb einen neuen Prototypen, der fast fünfmal so viel Leistung und bis zu 56 kostenlose Solarkilometer bringen soll. Dazu hat Toyota nicht nur das Dach, sondern auch die Motorhaube und das Heck mit Solarmodulen zutapeziert. Schön anzusehen ist das nicht wirklich: Die schwarzen Module wirken wie ein Fremdkörper auf den sonst so durchdesignten Fahrzeugen.

Adieu, Waffeloptik

Unter anderem das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE) arbeitet deshalb nicht nur daran, die mobilen Solarzellen so effizient, sondern auch so unsichtbar wie möglich zu machen. 2019 hat das Institut ein Pkw-Solardach vorgestellt, das sich mit jeder beliebigen Farbe beschichten lässt. Die typische schwarze "Waffeloptik" gibt es beim Prototypen des ISE nicht. Nur wer sehr genau hinschaut, sieht, dass im Autodach ein kleines Solarkraftwerk arbeitet. Bis zu 300 Watt soll es liefern, was die Reichweite eines Mittelklassewagens um rund zehn Kilometer pro Tag verlängern könnte.

Dem Fraunhofer-Prototypen sieht man das Solarkraftwerk nicht an.
Foto: Fraunhofer ISE

Nicht nur das Dach, sondern gleich die gesamte Karosserie inklusive Türen will Sono Motors mit Photovoltaik ausstatten. Das deutsche Start-up, das Ende 2019 knapp vor der Pleite stand, will die Produktion seines Modells Sion noch 2021 anlaufen lassen. Die rein solarelektrische Reichweite soll bei dem Kleinwagen bei bis zu 245 Kilometern pro Woche liegen. Die Stromernte kann man dabei nicht nur zum Fahren, sondern auch für andere Geräte einsetzen. So soll das Auto über eine ganz normale Schuko-Steckdose verfügen – etwa für Campingausflüge oder Baustellen. Sich auf der Fahrt in die Arbeit noch schnell die Haare trockenzuföhnen dürfte dem Akku aber ziemlich zusetzen.
Ergänzung statt Ersatz

Sogar "Monate ohne Laden" verspricht vollmundig das niederländische Start-up Lightyear. Fünf Quadratmeter Photovoltaik stecken im stromlinienförmigen Luxusauto, was unter sonnigen Bedingungen pro Stunde zwölf Kilometer Reichweite liefern soll. Aufs Jahr gerechnet wären das 20.000 Kilometer, und damit mehr als die 13.000 Kilometer, die ein österreichischer Durchschnitts-Pkw im Jahr fährt. Dem Traum von "nie wieder laden" käme man mit dem Lightyear One schon ziemlich nahe – wenn auch zum saftigen Preis von rund 150.000 Euro.

"Monate ohne Laden" verspricht der niederländische Lightyear One.
Foto: Lightyear

Ergänzung statt Ersatz

Technisch sei vollständige Autonomie jedenfalls machbar, sagt Martin Heinrich vom ISE. Bedecke man alle Außenflächen mit höchst effizienten Solarmodulen, könne man in Mitteleuropa auf 10.000 bis 15.000 Kilometer Reichweite pro Jahr allein durch Sonnenkraft kommen. Im Winter ist man selbstredend mehr von der Ladesäule abhängig als im Sommer. Im sonnigen Kalifornien seien hingegen 20.000 bis 25.000 Kilometer drin, schätzt Heinrich.
Das ISE sieht jedenfalls in sogenannter fahrzeug¬integrierter Photovoltaik für Deutschland ein technisches Potenzial von 41 Gigawatt Peak-Leistung. Zum Vergleich: Derzeit sind in Deutschland rund 54 Gigawatt Solarleistung installiert.

Aber wäre es nicht einfacher und effizienter, Photovoltaik zunächst auf Hausdächern und Freiflächen zu installieren, anstatt sie aufwendig in Fahrzeuge zu integrieren, wo jedes Gramm zählt und die Ausbeute wohl nie ganz optimal ist? Heinrich sieht die Fahrzeug-Solaranlagen vor allem als Ergänzung, um Druck vom Stromnetz zu nehmen. Wird Strom über weite Strecken transportiert, geht außerdem ein Teil davon verloren – vom Dach bis in die Batterie ist es hingegen nur ein kurzer Weg.

Nicht ganz unsichtbar sind die Solarmodule im Sion von Sono Motors.
Foto: Sono Motors

Auch für Nutzfahrzeuge könnte die Solarverkleidung sinnvoll sein, etwa als Unterstützung für Kühllaster. Um herauszufinden, wie sinnvoll, hat das Institut Messanlagen auf Lkws angebracht, um die Sonneneinstrahlung auf typischen Routen zu messen. Ein 40-Tonnen-Kühllaster könnte im Jahr etwa bis zu 1900 Liter Diesel einsparen, so die Berechnungen des ISE.

Sonnenklar, aber nicht ganz irrelevant ist, dass das Konzept vom Solarfahrzeug nur draußen funktioniert. Würden die Solardächer in Serie gehen, könnte diese Tatsache im Konflikt mit so manch urbanen Verkehrspolitik stehen. Denn auf der Straße will Autos in der Stadt niemand haben – auch nicht wenn sie umweltfreundlichen Strom erzeugen. (Philip Pramer, 29.4.2021)