Wetter gut, Essen schlecht. Eine beinahe vergessene Kulturtechnik, der Mutti aus dem Urlaub nach Hause schreiben.

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Das neue Schlagwort der Tourismusbranche nennt sich "Revenge Travel". Man kann es mit dem schönen Begriff "Rachereisen" auf den Punkt bringen. Nach dem Brotbacken, dem Fermentieren, dem Wohnungsausmisten, zwischendurch der Resignation auf dem Sofa, den Garagenpartys und speziell dem Wutspazieren wird nach dem prognostizierten baldigen Ende der Pandemie ein massiver Anstieg der guten alten Wanderlust erwartet. Wir Denglischen sagen auch "Post Covid Travel Boom" dazu. Und all das abseits der seit über einem Jahr beliebten Tätigkeit des Zigarettenholens, nach dem alle leider immer wieder heimkommen.

Kurz gesagt, Drogen des täglichen Bedarfs müssen bald nicht länger im Handel erworben werden. Man kann auch gleich nach Schottland fliegen, um Whisky vor Ort zu gurgeln oder mit den Cowboys in Marlboro Country um die Wette zu husten. Von den Liebreizen des Goldenen Dreiecks ein anderes Mal.

Mallorca, Sommer, Sonne, Herzinfarkt!

Rachereisen bedeutet im Sinne der Touristiker also etwas sehr Positives. Mallorca, Sommer, Sonne, Herzinfarkt! Alles, wovon man glaubt, es dringend nachholen zu müssen, wird dann exzessiv gebucht werden. Die Schinkenstraße auf Malle wird von hunderttausenden Vollrauschwilligen überrollt werden. Klimawandel, ökologischer Fußabdruck und Fluglinienkrisen sowie Hotelpleiten gut und schön, aber wenn auf Capri die rote Sonne im Meer versinkt, braucht man für den Panoramablick auf die Faraglioni-Klippen dann schnell wieder eine Reservierung eine Woche im Voraus. Venedig wird aufgrund des Besucherandrangs auf dem Markusplatz noch tiefer absacken. Dafür steigt der Spiegel des Gardasees um einen halben Meter, weil Kai-Uwe mit seinem Kegelclub aus Castrop-Rauxel baden geht.

Wir sehen schon, "Revenge Travel" wird Schattenseiten zeitigen. Das normale Leben mag in vielleicht etwas gemilderter Form zurückkehren. Aber nur, weil wieder etwas normal erscheint, bedeutet das ja noch lange nicht, dass es gut ist.

Reisefachleute raten jedenfalls, den heurigen ersten von drei oder vier Urlauben möglichst früh zu buchen. Auch bei uns im Gebirge gibt es für Wedelwochen im Dezember bald nur noch Restplätze. Seltsam? Aber so steht es geschrieben! (Christian Schachinger, 28.4.2021)