Der 19. Mai sei der richtige Zeitpunkt für die Rückkehr zur Normalität, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in der "ZiB Spezial" am Montag.

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In der "ZiB Spezial", einer Sondersendung der "Zeit im Bild", stand Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag Rede und Antwort zu den geplanten Öffnungen am 19. Mai – und hatte vor allem Positives zu verkünden.

So ließ er verlautbaren: "Zum Zeitpunkt der Öffnung am 19. Mai werden bereits drei Millionen Menschen, alle älteren Menschen und alle Risikogruppen, geimpft sein. Das führt dazu, dass die besonders vulnerablen Gruppen geschützt sind. Das ist der richtige Moment, die Rückkehr in Richtung Normalität zu starten."

Sollte dieses Impfziel halten, stimmt die Aussage des Kanzlers nur bedingt. Die Crux an der Sache: Die Impfung schützt nämlich nicht sofort. Laut neuen Studien und auch nach Aussagen des Nationalen Impfgremiums (NIG) kann bei allen Impfstoffen erst zwei bis drei volle Wochen nach der Verabreichung der ersten Teildosis von einer Immunität ausgegangen werden. Der Schutz vor Infektionen dürfte etwa 65 Prozent (im Vergleich zu Nichtgeimpften) betragen und zu 90 Prozent vor Krankenhausaufenthalten.

Für den Impfplan (und auch für den Erhalt eines grünen Passes auf Grundlage einer Impfung) bedeutet das: Wer bis zum 19. Mai geschützt sein soll, muss bis spätestens 28. April das erste Mal geimpft werden. Und das werden ganz bestimmt nicht drei Millionen Menschen sein.

Richtig ist zwar, dass die besonders vulnerablen Gruppen vermutlich geschützt sein werden. Doch wenn es um die "nur vulnerablen" geht, also Menschen ab 50 Jahren, dann werden wir am 19. Mai noch ziemlich weit davon entfernt sein. Insofern ist es auch fraglich, ob dieser Termin tatsächlich schon der richtige Moment für den Start in Richtung Normalität ist.

Auch eine zweite Aussage des Kanzlers ließ aufhorchen: "Durch die Impfung ist es notwendig, nicht mehr allein nur auf die Sieben-Tage-Inzidenz zu schauen. Denn unser Ziel ist es ja immer, dass es zu keiner Überlastung auf den Intensivstationen kommt."

Wenn die Lage auf den Intensivstationen das einzige Ziel ist, dann stimmt es, dass wir uns aufgrund der Impfungen theoretisch etwas höhere Infektionszahlen leisten können. Denn das Risiko, einen schweren Verlauf zu haben, steigt mit dem Alter und anderen gesundheitlichen Risikofaktoren stark an. Bei den unter 45-Jährigen ist der Anteil der schweren oder gar tödlichen Verläufe hingegen gering.

Laut den Berechnungen des Simulationsforschers Nikolas Popper wird sich der Anteil der schweren Verläufe (also von Menschen, die intensivmedizinische Betreuung brauchen) allerdings erst Ende Juni im Vergleich zum Jahresanfang halbiert haben. Zwar werden von den höchsten Risikogruppen bis dahin die meisten Personen immunisiert sein. Riskant ist die Strategie aber vor allem für jene Personen, die erst im Mai oder Juni ihren ersten Stich bekommen.

Problematisch an der Aussage ist aber auch, dass die Vermeidung der Überlastung der Intensivstationen zum einzigen Ziel gemacht wird. Mit steigenden Infektionszahlen auch bei jüngeren Personen steigen insbesondere auch die Long-Covid-Fälle, die nicht unbedingt auf der Intensivstation landen, aber lange Leidenswege bedeuten.

Und es nimmt das Risiko zu, dass es zu weiteren unangenehmen Mutationen kommen könnte. Für den internationalen Tourismus sind höhere Sieben-Tage-Inzidenzen als jene, die wir aktuell haben, natürlich auch alles andere als produktiv. (Eja Kapeller, Klaus Taschwer, 27.4.2021)