Der rührige Verleger Hannes Steiner legt eine Kurzform der Erinnerungen von Hugo Portisch vor, die ihn "emotional" zeigen sollen und einige zusätzliche Details bieten. Nicht allen in der Umgebung und im alten Verlag von Portisch gefällt das.

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Cover: story.one
Cover: Ecowin

Am Donnerstag findet die Einäscherung Hugo Portischs in der Feuerhalle Wien statt. ORF 3 überträgt, der Bundespräsident hält die Trauerrede. Der Historiker Oliver Rathkolb kommentiert. Das Vermächtnis des großen Journalisten und Zeithistorikers, der am 1. April im Alter von 94 Jahren verstorben ist, bleibt aber weiterhin Gegenstand intensiver Beschäftigung.

Am Tag vor dem Begräbnis erscheint ein schmaler Band mit dem Titel Hugo Portisch. So sah ich mein Leben. Aufgezeichnet von Hannes Steiner.

Ein guter Titel, denn "So sah ich ..." war die Trademark der berühmten Portisch-Reportagen aus aller Herren Länder als Kurier-Chefredakteur. Allerdings stutzen Kenner und Leser von Hugo Portisch angesichts dieses "So sah ich mein Leben" doch etwas, denn immerhin ist von Portisch schon 2015 unter dem Titel Aufregend war es immer ein weit umfangreicherer Band erschienen, den man bisher für die letztgültigen Memoiren gehalten hätte.

Dieselben Ereignisse

Tatsächlich enthalten So sah ich mein Leben (80 Seiten) und Aufregend war es immer (404 Seiten) großteils dieselben Ereignisse, sowohl aus dem persönlichen Leben wie aus der politischen Zeitgeschichte. Ein Schlüsselmoment für Portisch – der Lehrsatz des Dekans der Columbia School of Journalism, Frank Luther Mott: "Check, double-check, re-check" – kommt in beiden Büchern vor. Ähnlich ist es, als Portisch in den 1990er-Jahren dem damaligen Kanzler Franz Vranitzky empfiehlt, die erste wirkliche schonungslose Erklärung über die Mitverantwortung der Österreicher für die Verbrechen des Nationalsozialismus abzugeben. Oder mit der Episode, als Vranitzky Portisch als Kandidaten für die Bundespräsidentschaft gewinnen wollte.

Eine entscheidende Rolle bei alldem spielt der Verleger Hannes Steiner, der 2003 den Salzburger Ecowin-Verlag gegründet hat und lange mit Portisch für das Projekt seiner Memoiren im Gespräch war. Im Zuge dessen führte Steiner 2010 im toskanischen Haus von Portisch mit ihm fünf Tage lang Interviews, die aufgezeichnet wurden. Im Endergebnis entstand daraus 2015 das sehr erfolgreiche Buch Aufregend war es immer, das allerdings von Portisch noch einmal viel ausführlicher diktiert wurde.

Steiner verkaufte den Ecowin-Verlag 2013 an den Milliardär und Sammler publizistischer Projekte, Dietrich Mateschitz, blieb weiter Geschäftsführer bis 2017, als er "überraschend" ausschied. Er betreibt seither ein eigenes Verlagsprojekt, story.one. Im Jahr 2020 hat Portisch nach Steiners Worten ihm "ausdrücklich die Rechte" an den seinerzeitigen Tonbändern (Steiner: "Toskana-Tapes") übertragen, und daraus ist dann der nunmehrige So sah ich mein Leben-Band entstanden.

Gemischte Gefühle

Was in der Familie, bei langjährigen Mitarbeitern und wohl auch im Ecowin-Verlag mit gemischten Gefühlen betrachtet wird. Steiner führt im Gespräch mit dem STANDARD allerdings ins Treffen, dass Portisch bei den ursprünglichen Toskana-Gesprächen viel "persönlicher, emotionaler" gewesen sei: "Er hat gesungen, geweint." Also sozusagen "Portisch, noch einmal mit Gefühl".

Tatsächlich sind die persönlichen Aspekte im seinerzeitigen Memoirenband Aufregend war es immer stärker heruntergedimmt, denn Portisch hatte da eine gewisse Scheu. In der Auswertung der seinerzeitigen Tonbänder hat Steiner das aber wieder stärker verwendet, "denn es sollte ja sein Leben sein, persönlich erzählt, während der erste Band mehr das Politische betonte". So berichtet Portisch in Aufregend, dass er 1945 der Einberufung zur Waffen-SS entkommen sei, während er im neuen Band zusätzliche enthüllt, wie er dafür einen Offizier mit Schnaps und Zigaretten bestach. Eine andere, neue Enthüllung: Vranitzky verwendete für seine historische Erklärung praktisch den Text von Portisch.

Fazit: Wer die große Tour d'Horizon von Portisch über sein Leben und Wirken in der Zeitgeschichte will, ist mit dem weit umfangreicheren Aufregend war es immer (2017 noch erweitert) gut versorgt. Wer auch noch ein paar Details dazu will, die der sehr diskrete Portisch ursprünglich ausließ, kann den neuen Band lesen. (Hans Rauscher, 28.4.2021)