Die Crumbs lassen in "Dirty Laundry" buchstäblich die Hosen runter.
Foto: Crumb, Kominsky-Crumb

"Dirty Laundry", also Schmutzwäsche, betitelten Underground-Comics-Meister Robert Crumb und seine Frau Aline Kominsky-Crumb ihre legendäre gemeinsam produzierte Comicreihe aus den 1970er-Jahren. Untertitel: "A True Family Comic Strip", ein wahrer Familiencomicstrip. Mit am Zeichentisch war schließlich fallweise auch Tochter Sophie Crumb.

Diese zwischenmenschliche Schmutzwäsche, die das nicht gerade konventionelle Ehepaar produzierte, wurde darin in aller Öffentlichkeit ausgebreitet – triefend vor schonungsloser Offenheit und jeglichen Unannehmlichkeiten, die der Beziehungsalltag so mit sich bringt (von den Obsessionen und Obszönitäten, zu denen der Name Crumb quasi verpflichtet, ganz abgesehen).

"Die Crumbs spielten eine Vorreiterrolle bei der ungeschönten Darstellung von Privatem", sagt Barbara Margarethe Eggert von der Kunstuniversität Linz. In der Folge waren auch Künstlerinnen wie Phoebe Gloeckner ("The Diary of a Teenage Girl") und Alison Bechdel "("Fun Home") wichtige Akteurinnen beim (autobiografischen) Abklopfen familiärer Verhältnisse. Heute sind alternative Formen des Zusammenlebens, queere Familien und das Konzept der Wahlfamilie allgegenwärtig in Comics und Graphic Novels.

Stereotypenforschung

Was Familie ausmacht und welches Bild in Comics davon verbreitet wird, arbeitet heuer das Festival Nextcomic unter dem Titel "Next Family" auf. Von 30. April bis 8. Mai stellen in Linz und Umgebung mehr als 70 Künstlerinnen und Künstler Arbeiten zum dehnbaren Begriff Familie aus. Im Vorfeld dessen organisierte Eggert, selbst Comic-Künstlerin und -forscherin am Institut für Kunst und Bildung der Kunst-Uni Linz, eine wissenschaftliche (Online-)Tagung zum Thema "Eine Familie, wie sie im Buche steht?". Dabei reflektierten internationale Experten und Expertinnen ebenso wie Comicschaffende, welche Potenziale das Medium hat, um Familienstrukturen und Stereotype aufzugreifen, zu reproduzieren oder aufzubrechen.

Tove Jannsons "Mumins" stellten schon in den 1940er-Jahren so manches Rollenbild auf den Kopf.
Foto: Tove Jannson/Reprodukt

"Obwohl Familie so präsent ist im Comic, hat lange keine analytische Auseinandersetzung damit stattgefunden", sagt Eggert. Dabei haben ungewöhnliche Familienkonzepte Comics schon seit ihrer Entstehung begleitet – man denke nur an den alleinerziehenden Donald Duck, der mit seinen Neffen Tick, Trick und Track ein mitunter chaotisches Familienleben führt.

Verdrehte Rollen

Aber auch die aus den 1940er-Jahren stammende "Mumins"-Reihe der finnischen Zeichnerin Tove Jannson, die auf den ersten Blick eine klassische Kernfamilie präsentiert, spielt bewusst mit Klischees. "Die Mutter trägt zwar eine Schürze, der Vater einen Zylinder, die Rollenbilder werden aber aufgebrochen, als die Mutter zum Beispiel einfach die Schürze wegwirft und sich ganz unmütterlich von der Familie distanziert, um allein zu sein", sagt Eggert. Außerdem verkehren die Mumins die Rollen, indem sich die Eltern gern einmal wie Kinder verhalten, während die Kinder sie bespaßen müssen.

Maurizio Onanos "Oma Herbert" handelt von einer Transoma.
Foto: Maurizio Onano/Jaja Verlag

In zeitgenössischen Comics steht die Reibung mit althergebrachten Mustern auf der Tagesordnung, so wie etwa im Band "Oma Herbert" von Maurizio Onano (2019). Die titelgebende Oma war nämlich in ihrem früheren Leben ein Mann. Ihre sprechende Pflanze Gabi ist allerdings sehr konservativ in Bezug auf Geschlechterrollen. "Das gibt einen reizvollen Kontrast ab", sagt Egger.

"Gerade die Multimodalität des Mediums macht Comics so geeignet, in Bild und Text eine andere Welt zu schaffen, die imstande ist, Möglichkeiten aufzuzeigen, die von dem abweichen, was als Norm empfunden wird", erklärt Eggert. Auch die vielfältigen Stilmöglichkeiten des Mediums würden eine Auseinandersetzung mit Themen wie Transidentität und Familienkonzepten abseits der Tradition erleichtern, gerade für Kinder und Jugendliche.

Nando von Arbs "Drei Väter" zeichnet ungewöhnliche Familienkonstrukte nach.
Foto: Nando von Arb/Edition Moderne

Grafisches Coming-out

Eine wichtige Rolle spielen nach wie vor autobiografische Comics, die einen großen Aufschwung erlebt haben und auch ein "grafisches Coming-out der eigenen Lebensform" ermöglichen, wie Eggert beschreibt. "Dabei eröffnen sich unbegrenzte Inszenierungsformen, wie sie in keiner anderen Kunstform möglich sind." Nando von Arb, dessen Arbeiten auch beim Nextcomic-Festival ausgestellt werden, hat in seiner Graphic Novel "Drei Väter" (2019) anthropomorphe Gestalten verwendet. "Diese Übersetzung in die Tierwelt ermöglicht es, als eine Art Selbstschutz das eigene Leben ästhetisch zu verformen und trotzdem authentisch zu bleiben", sagt Eggert.

Klara Huber nimmt die Klischees des Marvel-Universums aus Korn.
Foto: Klara Huber

Doch auch die stereotypaffine Superheldenwelt kommt nicht um andere Perspektiven herum. So hat sich Eggerts Studentin Klara Huber den Marvel-Kosmos vorgenommen und lässt ihre mittlerweile gereifte Superheldin Carola Danvers alias Ms. Marwel in "Homestory"mit falschen Vorstellungen über Super-Heroes aufräumen.

Die Arbeit ist auch Teil der Ausstellung "Jetzt auch als Familienpackung: Von der Rolle ...", die von 6. bis 14. Mai im Uni-Ausstellungsraum Splace zu sehen sein wird. (Karin Krichmayr, 12.5.2021)