Es muss wie ein Albtraum sein, aus dem man nie aufwacht: Die neuerliche Verurteilung der britisch-iranischen Doppelstaatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe in Teheran bedeutet einen Absturz in die Hoffnungslosigkeit nicht nur für ihre eigene, sondern für viele andere Familien – darunter zwei österreichische – mit Angehörigen in iranischen Gefängnissen. Zaghari-Ratcliffe hatte im März ihre fünf Jahre Haft für die in diesen Fällen üblichen Spionagevorwürfe verbüßt. Sie durfte jedoch den Iran nicht verlassen, sondern wurde abermals vor Gericht gestellt: ein Jahr Gefängnis und ein Jahr Ausreiseverbot für die Teilnahme an einer antiiranischen Demonstration in London (!) 2009 (!). Eine reine Provokation.

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Nazanin Zaghari-Ratcliffe wurde 2016 verhaftet.
Foto: AP/Zaghari Family

Am Mittwoch haben ein Brite und eine Deutsche ihre Prozesstermine, beide wurden 2020 verhaftet. Der Iran erkennt in solchen Fällen den "fremden" Pass nicht an. Man kann nur alle Doppelstaatsbürger davor warnen, in den Iran zu reisen: Offensichtlich meinen noch immer viel zu viele, so etwas könne nur anderen passieren. Auch Wissenschafter, die zum Iran – was auch immer – forschen, sind gefährdet.

Als Zaghari-Ratcliffe 2016 verhaftet wurde, war ihre Tochter 22 Monate alt: Es ist zu befürchten, dass sie sie erst 2023 wiedersieht. Wie in den meisten ähnlichen Fällen kritisiert die Familie, dass ihre Regierung – in dem Fall die britische – den Iranern nicht hart genug entgegentritt. Aber anders als jene anderer Staaten melden sich die britischen Offiziellen zumindest zu Wort: Sowohl Premier Boris Johnson als auch Außenminister Dominic Raab reagierten am Montag öffentlich.

London hat den Kampf um Zaghari-Ratcliffes Freilassung auch längst von einem Konsularfall zu einem Disput auf Regierungsebene erhoben. Auch das hat die Iraner in keiner Weise beeindruckt. Und das ist umso deprimierender für alle Betroffenen, deren Länder weniger gewichtig sind und deren Regierungen nicht einmal versuchen, mehr Druck zu machen. (Gudrun Harrer, 27.4.2021)