Der Regierungschef Pakistans will die westlichen Regierungen zwingen, Blasphemie unter Strafe zu stellen. Imran Khan erklärte bei einem Auftritt vor Anhängern, sein Plan, muslimische Länder gegen den Westen zu vereinen, um eine Kriminalisierung der "Beleidigung des Propheten Mohammed" zu erreichen, werde funktionieren. Der 68-jährige ehemalige Cricketspieler sagte, das Lobbying für Blasphemiegesetze bei den westlichen Nationen, der EU und den Vereinten Nationen werde erfolgreich sein, wenn es mit der Drohung eines Handelsboykotts verknüpft werde.

Die Führer der muslimischen Staaten sollten darauf dringen, dass der Westen mit seinen Gesetzen die "Gefühle der Muslime" nicht mehr verletze, berichteten pakistanische Medien. Nach Ansicht Khans müsste die "Beleidigung des Propheten Mohammed" genauso geahndet werden wie die Leugnung des Holocausts, also der Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nazis.

Handelsboykott angedroht

"Wir sollten gemeinsam Europa, die EU und die UN ersuchen, aufzuhören, die Gefühle von 1,25 Milliarden Muslimen zu verletzen, so, wie sie es im Fall der Juden machen", sagte Khan. "Ich will die muslimischen Länder zu einer gemeinsamen Vorgehensweise beim Thema Blasphemie bringen, mit einer Warnung vor einem Handelsboykott gegen die Staaten, wo solche Dinge passieren." Sein Außenminister Shah Mahmood Qureshi habe bereits mit vier seiner Kollegen aus muslimischen Staaten über die Pläne gesprochen.

Straßenschlachten wegen Mohammed-Karikaturen

Der Premier ist in den vergangenen Tagen massiv unter Druck einer rechtsextremen islamistischen Partei geraten, die die Ausweisung des französischen Botschafters fordert, weil das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Frankreich Karikaturen über Mohammed veröffentlicht hat.

TLP-Anhänger protestieren in Lahore für die Ausweisung des französischen Botschafters.
Foto: EPA/Dar

Die Partei Tehreek-i-Labbaik (TLP) sorgte tagelang für gewaltsame Ausschreitungen und Straßenblockaden, nachdem ihr Anführer Saad Hussain Rizvi verhaftet worden war. TLP-Anhänger erschlugen sechs Polizisten und verletzten 800 weitere, einige wurden als Geiseln genommen. Khan erklärte, er habe einen anderen Ansatz, um "Islamophobie" anzugreifen. Der Ansatz der TLP, die Regierung mit Gewalt zur Ausweisung des Botschafters zu zwingen, sei keine praktikable Lösung.

"All das für das": "Charlie Hebdo" arbeitet in einer Sonderausgabe die Anschläge auf die Redaktion des Satiremagazins auf.
Foto: Epa

Verhandlungen mit Islamisten

Khans Regierung verbot die TLP wegen der Gewaltwelle und führte dennoch Verhandlungen mit den Islamisten. Eine Parlamentssitzung, in der über die Ausweisung des Botschafters abgestimmt werden sollte, wurde gemäß der Forderungen der Partei angesetzt. Verhaftete Randalierer wurden wieder freigelassen, viele Verfahren eingestellt. Die TLP zog daraufhin ihre Leute von der Straße ab.

Das Parlament jedoch fühlte sich von der Regierung instrumentalisiert und verweigerte die Umsetzung der Pläne. Die Regierung hatte angedacht, einen eigenen Parlamentsausschuss unter der Leitung des Parlamentssprechers Asad Qaiser zu bilden. Die eingebrachte Resolution wurde nicht zur Abstimmung gebracht, nachdem die pakistanische Muslim-Liga (PML-N) und die Partei Jamiat Ulema-i-Islam (JUI-F) die Idee eines Ausschusses ablehnten und eine umfassende Debatte über das Thema der "Heiligkeit des Propheten" verlangt hatten.

PML-N und JUI-F sorgten im Parlament mit ihrem Protest für Tumulte. Die Oppositionsmitglieder forderten, die Regierung solle die Vereinbarung mit der TLP vorlegen, die sie unterschrieben hat. Die Verantwortlichen für das Blutvergießen im Land müssten benannt werden.

Das Parlament in Islamabad sollte über die Ausweisung des französischen Botschafters abstimmen, will sich aber nicht von der Regierung instrumentalisieren lassen.
Foto: AFP/Qureshi

Auch die Pakistanische Volkspartei (PPP) boykottierte die Sitzung vergangene Woche. PPP-Chef Bilawal Bhutto Zardari kritisierte die Regierung scharf. Diese habe in der Angelegenheit zu keinem Zeitpunkt das Parlament miteinbezogen und wolle sich nun hinter dem Parlament verstecken. "Es ist Ihr Chaos, Premierminister, räumen Sie es auf, oder gehen Sie heim", schrieb Bhutto auf Twitter.

Khan selbst hatte zuletzt noch davor gewarnt, den französischen Botschafter auszuweisen – die Hälfte der pakistanischen Textilexporte würde in die EU geliefert, ein diplomatischer Affront käme das Land teuer zu stehen. Die Zickzack-Strategie der Regierung erweist sich nun als Bumerang, sie droht völlig die Kontrolle zu verlieren.

Polizei vor den Kopf gestoßen

Auch die Polizei fühlt sich durch das Vorgehen der Regierung vor den Kopf gestoßen. "Es ist kein Problem, mit Demonstranten zu verhandeln", sagte ein Polizist, der zwischenzeitlich als Geisel gefangen gewesen war, zu "Arab News": "Aber wie kann man die freilassen, die Gesetzeshüter getötet, gefoltert und gequält haben?" Ein leitender Polizeioffizier aus der Provinz Punjab erklärte, es werde schwer, die Polizeieinheiten motiviert zu halten: "Die Polizei sieht nach dem, was mit uns gemacht wurde, keinen Sinn darin, ihre Pflichten zu erfüllen."

"Zivilisierte und demokratische Gesellschaft"

Für Informationsminister Chaudry Fawad Hussain hingegen war die Entscheidung der Regierung, die Ausweisung des französischen Botschafters im Parlament zu verhandeln, keine "Kapitulation". "Wie in allen zivilisierten und demokratischen Gesellschaften hat die Regierung zugestimmt, die Angelegenheit im Parlament zu diskutieren und sie gemäß der Wünsche der pakistanischen Bevölkerung zu lösen", sagte Hussain. Dies zeige die Stärke und Entschlossenheit der Regierung und nicht eine Schwäche.

Wenn Mohammed wiederkäme ... "Ich bin der Prophet, Dummkopf!" – "Halt die Klappe, Ungläubiger!"
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Dutzende Morde wegen "Blasphemie"

Auf Blasphemie steht in Pakistan die Todesstrafe. Das prominenteste Opfer der Blasphemiegesetze ist die pakistanische Christin Asia Bibi, die viele Jahre in Gefangenschaft auf ihre Hinrichtung wartete, bis sie doch noch freigesprochen wurde und ausreisen durfte. Sie lebt heute in Frankreich, wo sie Asyl erhielt. Seit 1990 wurden mindestens 78 Menschen in Pakistan im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Blasphemie ermordet.

Die Beziehungen zwischen Islamabad und Paris haben sich seit vergangenem Herbst massiv verschlechtert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte bei einer Gedenkfeier für den von einem Islamisten auf offener Straße bestialisch ermordeten Lehrer Samuel Paty festgehalten, dass Frankreich nicht daran denke, die Meinungsfreiheit abzuschaffen. Paty wurde Opfer des islamischen Fundamentalimus, weil er im Unterricht das Thema Meinungsfreiheit anhand von Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins "Charlie Hebdo" diskutiert hatte. Frankreich wurde in den vergangenen Jahren wiederholt das Ziel blutiger Anschläge, mehrere hundert Menschen wurden dabei von Islamisten ermordet. (Michael Vosatka, 29.4.2021)

Während die Terroristen Waffen haben, haben die Franzosen Champagner: "Charlie Hebdos" Reaktion auf die Terroranschläge im November 2015.
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