Wolfgang Fellner soll seine Ex-Mitarbeiterin mit einer "Nutte" verglichen und ihr mit der Staatsanwaltschaft gedroht haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Der Wiener Medienmanager Wolfgang Fellner ist mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert: Er soll mehrere Ex-Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben, berichtet die deutsche Wochenzeitung "Zeit" am Dienstag in ihrer Online-Ausgabe. Fellner weist alle Vorwürfe von sich und klagt in einem Fall sein mutmaßliches Opfer auf Unterlassung. In diesem Prozess will Fellner erwirken, dass die frühere Moderatorin von Oe24.tv, Raphaela Scharf, die Vorwürfe gegen ihn unterlässt. Mit den Vorwürfen konfrontiert, soll Fellners Anwalt der "Zeit" nur sehr allgemein geantwortet haben: "Sämtliche Vorwürfe, die Frau Scharf behauptet, sind jedenfalls unwahr", wird der Anwalt im Bericht zitiert.

Scharf klagt in einem zweiten Verfahren ihren Ex-Arbeitgeber, da dieser sie in ihren Augen zu Unrecht entlassen hat. Sie habe nur sexuelle Belästigung aufgezeigt und habe deswegen gehen müssen, wird sie in der "Zeit" zitiert. Fellner sieht einen Entlassungsgrund, da sie ihn unberechtigt der sexuellen Belästigung beschuldigt habe. Fellner ist Geschäftsführer der Mediengruppe "Österreich", die Anteile an Oe24.tv hält. Auch wenn er keine formale Führungsposition innehat, soll Fellner den Dienstvertrag von Scharf unterzeichnet haben.

Fellner klagt STANDARD

Über den Gerichtsprozess berichtete DER STANDARD bereits Anfang März. Der Prozessbericht veranlasste das Frauennetzwerk Medien und den Presseclub Concordia, von der österreichischen Richtervereinigung mehr Sensibilität beim Thema sexuelle Belästigung bei Gericht zu fordern. Während des Prozesses fragte die vorsitzende Richterin die Beschuldigte, die mutmaßlich von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen war, warum sie nicht gekündigt habe, "man wisse doch, wie es im Unternehmen zugehe". Zudem kommentierte sie den Wunsch der mutmaßlich Betroffenen, nicht mehr mit Fellner moderieren zu wollen, mit den Worten: "Ich glaube, Sie träumen von warmen Eislutschern."

Seitdem versucht Fellner gegen die Berichterstattung des STANDARD juristisch vorzugehen. Fellner will nicht nur eine identifizierende Berichterstattung, sondern auch die Recherche des STANDARD gerichtlich untersagt wissen. So begehrt er ein Verbot, ehemalige Mitarbeiterinnen seines Unternehmens zu kontaktieren. Sein Begehren nach einer einstweiligen Verfügung war nicht erfolgreich, das Hauptverfahren gegen den STANDARD ist noch anhängig.

"Du schaust aus wie eine Nutte"

Im Verfahren wirft Scharf, die vom Medienanwalt Michael Rami vertreten wird, dem 66-jährigen Fellner vor, sie bei einem Fotoshooting zur EU-Wahl im Mai 2019 begrapscht zu haben. Bereits vor dem Vorfall nahm Scharf mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft Kontakt auf. In den Protokollen führt sie an, wie Fellner ihr Aussehen kommentiert haben soll. Sie äußerte darin die Sorge, gekündigt zu werden, sollte sie die Vorwürfe melden. Im Prozess gab Scharf außerdem zu Protokoll, dass Fellner sie bei gemeinsamen Essen einige Wochen vor dem Fotoshooting bereits bedrängt haben soll.

Der "Zeit" liegt nach deren Angaben eine eidesstattliche Erklärung einer weiteren Ex-Mitarbeiterin vor, die Fellner sexuelle Belästigung vorwirft. Sie ist im laufenden Verfahren auch als Zeugin geladen. Eine weitere Ex-Moderatorin sagte bereits aus: Ihr habe Fellner auch "auf den Po geklapst". Das empfand sie aber nicht als Übergriff.

"Du schaust aus wie eine Nutte", soll Fellner laut "Zeit" bei einem Gespräch zwei Tage nach dem Fotoshooting und dem mutmaßlichen Vorfall zu Scharf gesagt haben. Außerdem soll Fellner gesagt haben, dass es für sie "lebensgefährlich" sei, diese Vorwürfe anderen Menschen zu erzählen. Später im Gespräch soll Fellner seiner Ex-Mitarbeiterin gedroht haben: "Entweder du ziehst das sofort zurück und entschuldigst dich sofort bei mir. Oder aber ich werde dich heute Nachmittag bei der Staatsanwaltschaft anzeigen und vermutlich auch heute noch fristlos entlassen, wenn das arbeitsrechtlich möglich ist." Es gilt die Unschuldsvermutung.

Druck auf Zeugen

Fellner soll laut "Zeit" den Fotografen nach dem Fotoshooting im Mai 2019 unter Druck gesetzt haben: Ihm habe Fellner Vorlagen zum Unterschreiben geschickt, mit denen er schriftlich hätte bestätigen sollen, dass Fellner die Moderatorin nicht begrapscht habe. Ihm sei angedroht worden, dass er seinen Job verliere, wenn er nicht unterschreibt, sagte der Fotograf. Da der Druck zu groß geworden sei, habe er selbst gekündigt.

Im laufenden Verfahren gibt es bislang keine Zeugen, die den Vorfall im Mai 2019 gesehen haben. Zeugen, die noch im Unternehmen sind, sprachen laut "Zeit" von einem respektvollen Umgang in der Redaktion, jene, die sich mit ihrem (Ex-)Arbeitgeber verkracht haben, wollen bereits von Übergriffen erfahren haben oder schlagen allgemein vorwurfsvollere Töne an.

Fellner sieht in den Vorwürfen eine "Intrige", weil Scharf eine geforderte Gehaltserhöhung nicht bekommen habe. Eine Anfrage des STANDARD zum Bericht der "Zeit" ließ Fellner bislang unbeantwortet. Die nächste Verhandlung in der Causa ist für Mittwoch am Arbeits- und Sozialgericht Wien anberaumt. (Laurin Lorenz, 27.4.2021)