Ein Teilnehmer einer Demonstration der rechtsextremen Gruppierung "Die Österreicher" versucht eine Fotografin bei ihrer Arbeit zu behindern.

Bei Corona-Demonstrationen sind Anfeindungen und Aggressionen gegen Journalisten und Journalistinnen mittlerweile ein fixer Bestandteil. Reporterinnen und Reporter werden beleidigt, bedroht, bespuckt und körperlich angegriffen, auf ihre Kameras wird eingeschlagen. "Der letzte Angriff auf mich erfolgte bei der Demo am 10. April, dabei wurde mein Begleiter leicht verletzt. Die Polizei sieht oftmals nur zu, obwohl sie direkt daneben steht. Die Angriffe gehen dabei durchgehend von einem klar definierbaren Personenkreis aus: Extreme Rechte und Neonazis", berichtet der Wiener Journalist Michael Bonvalot, der seit Monaten die Demonstrationen beobachtet und unter anderem für den "Spiegel" schreibt. Auch Mitarbeiter von Puls4, ORF, STANDARD und anderen Medien werden auf Demonstrationen regelmäßig bei ihrer Arbeit behindert.

Mit Personenschutz auf den Demos

Derartige Vorfälle haben in den vergangenen Monaten rapide zugenommen, die Aggression gegen Medienvertreter und -vertreterinnen hat ein bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Jeder, der als Journalist oder Journalistin identifiziert werden kann, muss auf den Versammlungen mittlerweile damit rechnen, attackiert zu werden. Manche Reporter und Reporterinnen berichten daher nur mehr mit Personenschutz und anderen Schutzmaßnahmen von den Demos. So auch Bonvalot. "Die Angriffe auf mich und andere Journalisten und Journalistinnen werden zunehmend so gefährlich, dass sie jede Berichterstattung und damit die Pressefreiheit einschränken", sagt er.

Das Video zeigt die Attacke auf Fotografen.

Für viele Demonstrierende sind Journalisten und Journalistinnen Vertreter und Vertreterinnen der Lügen- oder Systempresse, die nicht wohlwollend über sie und ihre Anliegen berichten. Lediglich Servus-TV und der oberösterreichische "Wochenblick" werden für ihre Corona-Berichterstattung respektiert.

Ein Corona-Demonstrant.
Foto: Markus Sulzbacher

Auffällig ist, dass viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Corona-Demonstrationen bei Übergriffen wegschauen und sie nicht verurteilen – wie auch Angriffe auf die Polizei oder die Teilnahme von Neonazis, Identitären oder Anhängern und Anhängerinnen antisemitischer Verschwörungserzählungen an den Demonstrationen. Der Presseclub Concordia und andere Journalisten- und Journalistinnenverbände fordern daher seit Monaten einen besseren Schutz von Journalisten und Journalistinnen.

Rechtsextreme befeuern die Stimmung

Befeuert wird die Stimmung gegen Journalisten von rechtsextremen Medien und Social-Media-Kanälen, die permanent versuchen, Journalisten und Journalistinnen zu diskreditieren, ihnen ihre Profession abzusprechen. Ergänzend werden Fotos von ihnen veröffentlicht, was dazu führt, dass sie, selbst wenn sie Masken tragen, mittlerweile auf den Kundgebungen erkannt werden.

Besonders rührig sind dabei die Identitären rund um Martin Sellner. Schon in der Vergangenheit wurden auf Demonstrationen der rechtsextremen Gruppierung Journalisten und Journalistinnen bedroht und bei ihrer Arbeit behindert. Aktivisten der Identitären und deren Ableger "Die Österreicher", bauten sich bei einem Umzug im Oktober des vergangenen Jahres mit Regenschirmen vor Reportern auf und pöbeln Fotografinnen sexistisch an. Auf ihren Social Media-Plattformen, dem Ort, für den die Identitären hauptsächlich ihre Politik machen, wird gegen Journalisten und Journalistinnen regelmäßig vom Leder gezogen.

"Aktuell bemerken wir, dass sich die Anfeindungen zuspitzen"

Besonders Presseservice Wien wurde in den vergangenen Monaten zu einem Feindbild aufgebaut. Das Netzwerk freier Foto- und Videojournalisten und -journalistinnen dokumentiert seit Jahren auch rechte Kundgebungen. Ihre Fotos und Videos wurden etwa von Profil, ORF, STANDARD oder dem "Spiegel" übernommen. "Aktuell bemerken wir, dass sich die Anfeindungen zuspitzen", heißt es in einer Stellungnahme von Presseservice. "Allein in den letzten drei Monaten haben wir Angriffe mit Pfefferspray, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und physische Angriffe bis hin zu Faustschlägen ins Gesicht erlebt. Kollegen und Kolleginnen sind nach Kundgebungen teils bis nach Hause verfolgt worden." Den Grund für die Anfeindungen gegen sie sehen sie in Verschwörungsmythen, wonach Vertreter und Vertreterinnen der Presse bewusst falsch berichten würden und von machtvollen Personen oder "Eliten" gekauft wären. "So wird journalistische Arbeit als Teil einer größeren Verschwörung wahrgenommen."

Presseservice berichtet regelmäßig von den Corona-Demonstrationen.

Journalisten und Journalistinnen werden auch aufgrund ihres Fachwissens angegriffen. "Kenner und Kennerinnen der rechten und verschwörungsideologischen Szene werden zusätzlich als Bedrohung wahrgenommen, da sie Verbindungen unter Personen und Organisationen aufzeigen können", sagt man beim Presseservice. Bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen zeigt sich deutlich, wie aktiv und federführend rechtsextreme Gruppen bis hin zu Neonazis an der Organisation der Mobilisierungen beteiligt sind. Diese Verbindungen aufzuzeigen, liegt nicht im Interesse der Organisatoren, die sich selbst gern als unpolitisch präsentieren. Mit Bedrohungen und Einschüchterungsversuchen "wollen diese kritische Berichterstattung verhindern, um sich weiterhin ungestört selbst verharmlosen zu können".

Rechte Blätter

Wie sehr kritische Berichte stören, zeigt eine Textesammlung des "Freilich Magazins". Das Magazin beschäftigt sich ausführlich mit den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen und sieht die Berichterstattung in Medien als "Problemfeld" für die Aktivisten und Aktivistinnen. Presseservice Wien und andere Reporter und Reporterinnen werden als "Stalker" oder "Gesinnungsjournalisten" bezeichnet. Anderen Journalisten und Journalistinnen wird angedichtet, sie würden sich über die "Arbeiter" und die "Ungebildeten" auf den Demonstrationen "lustig" machen. Das Magazin aus dem FPÖ-Umfeld ist das Nachfolgeprojekt der rechtsextremen Zeitschrift Aula, in der zum Beispiel Überlebende des Konzentrationslagers Mauthausen als "Landplage" bezeichnet wurden. Neben freiheitlichen Politikern und Polit-Beratern kommen Identitäre oder ein ehemaliger "Presse"-Chefredakteur darin zu Wort.

Das Magazin spielt aber keine überragende Rolle in der rechtsextremen Szene. Mehr Beachtung findet die in Oberösterreich herausgegebene Zeitschrift "Info Direkt", in der von Identitären-Sprecher Sellner, FPÖ- und AFD-Politiker sowie ehemalige Südtirol-Aktivisten schreiben. In der neuesten Ausgabe wird Bonvalot in einem Artikel als "Antifa-Aktivist" bezeichnet und kritisiert, dass er von etablierten Medien als Experte zum Thema Corona-Demonstrationen zu Wort kommt. Der Beitrag folgt dem Muster: Diskreditieren und Profession absprechen. Dazu wurde ein Foto von ihm veröffentlicht.

Wahlweise der übermächtige Feind oder "Gören"

Schließlich sind es Antifaschisten und Antifaschistinnen, die Gegenkundgebungen veranstalten und dabei auf die Teilnahme von Rechtsextremen, Antisemiten und Anhängern anderen Verschwörungserzählungen hinweisen. Auch bei dieser Feindbestimmung geben die Rechtsextremisten und Rechtsextremistinnen den Ton an. Je nachdem welche Version gerade opportun ist, wird "die Antifa" als übermächtiger Feind, als Gruppe linksradikaler Terroristen, als jugendliche Feiglinge ("Antifa-Gören") oder als von der Regierung bestellte Claqueure, die die Demonstrierenden "zwangsimpfen wolle" präsentiert. Darunter sind Narrative, die auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump bemühte. In Österreich behauptet die FPÖ wahlweise, die "Antifa hätte im Zuge der WKR- und Akademikerballdemonstrationen mehrmals die Innenstadt Wiens in Schutt und Asche gelegt" oder mokiert sich über angeblich misslungene "Störversuche der regierungstreuen Gewalt-Antifa".

Antifas bei der Arbeit am Wiener Donaukanal.
Foto: Markus Sulzbacher

Zusätzlich versucht man Rechtsextremismus-Experten und -Expertinnen ihr Wissen abzusprechen, vermutete und echte Nähe zu antifaschistischen Gruppierungen wird skandalisiert und ein Verbot der Antifa gefordert. Eine Forderung, die absurd anmutet, da es sich bei der Antifa um "eine Summe von Bewegungen, Gruppierungen, Einzelpersonen verstanden werden kann, die sich gegen jede Form von Faschismus wenden", wie es dazu etwa seitens des Innenministeriums heißt.

"Der Staat wird uns gegen die Antifa nicht helfen. Patrioten müssen sich selbst schützen"

In einem Beitrag für eine neue Sonderausgabe des deutschen Compact-Magazins, das vom Identitären- und AfD-Unterstützer Jürgen Elsässer herausgegeben wird, schreibt Identitären-Sprecher Sellner von einem "engen Verhältnis von Linksautonmen und dem Staat", sagt aber, dass die Aktivisten und Aktivistinnen der "Alpen-Antifa der ‚typisch österreichischen Gemütlichkeit‘" frönen – obwohl diese angeblich sein Auto angezündet haben soll und es bei Aufmärschen der Identitären immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. In einem weiteren Beitrag gibt Sellner der AfD den Ratschlag, sich mit der "Möglichkeit legaler Notwehr und Nothilfe" auseinanderzusetzen, da "die Antifa" eine "Terrorgruppe" sei. "Der Staat wird uns gegen die Antifa nicht helfen. Patrioten müssen sich selbst schützen", sagt Sellner. (Markus Sulzbacher, 1.5.2021)