Im Lauf des nächsten Jahres soll Tiangong 3 fertig sein, schon im Juni könnten die ersten Raumfahrer zum Kernmodul fliegen.

Illustration: CNSA

Mit dem Bau einer neuen Raumstation beginnt China das bisher größte Vorhaben seines Weltraumprogramms. Das Land hält sich zwar mit genauen Informationen bedeckt, der erste Start des ambitionierten Projekts steht aber offenbar unmittelbar bevor: Die Polizei hat Beschränkungen für den Verkehr um den Raumfahrtbahnhof Wenchang auf der südchinesischen Insel Hainan angeordnet, die von Mittwochabend bis Donnerstagabend dauern. Die Anweisungen sind internationalen Experten zufolge ein Indiz für ein Startfenster am Donnersteg. Eine offizielle Bestätigung gibt es aber nicht.

Fest steht: In einem ersten Schritt soll eine Trägerrakete vom Typ Langer Marsch 5B das Kernmodul mit dem Namen Tianhe ins All bringen. Das 22 Tonnen schwere Modul bildet das Herzstück der Station, die nach der Fertigstellung Tiangong 3 (Himmelspalast) heißen soll: Es soll für Strom und Antrieb sorgen und Unterkünfte für drei Astronauten bieten, die bis zu sechs Monate an Bord bleiben können.

Elf Flüge bis 2022

In den kommenden Wochen sollen zwei weitere Raumflüge stattfinden. Im Mai könnte das Cargo-Raumschiff Tianzhou 2 mit Treibstoff und Versorgungsgütern starten, möglicherweise schon im Juni sollen dann erstmals drei Astronauten zu Tianhe zu fliegen. Die Bauphase erfordert einen dichten Flugplan: Insgesamt sind elf Flüge geplant – drei Flüge mit Bauteilen, vier Frachtmissionen und vier bemannte Raumflüge. Fertig soll die Raumstation im Lauf des Jahres 2022 werden.

Mit rund 90 Tonnen wird Chinas Raumstation deutlich kleiner als die 240 Tonnen schwere ISS sein und im Aufbau eher an die einstige russische Station Mir erinnern. Das Kernmodul Tianhe ist 16,6 Meter lang und hat einen Durchmesser von 4,2 Metern. Zwei weitere Teile, die T-förmig angebaut werden, sollen Platz für wissenschaftliche Experimente bieten.

Chinesische Aufholjagd

Mit seinen beiden vorherigen kleinen Raumlaboren Tiangong 1 und Tiangong 2 hat sich China bereits Expertise für das komplexe Vorhaben erarbeitet. Es wurden Rendezvous und Auftankmanöver sowie Außenbordeinsätze geübt. Eigentlich hätte der Bau der Raumstation schon früher starten sollen, aber Probleme mit der neuen Trägerrakete sorgten für Verzögerungen. Die Bauphase wurde dafür jetzt verdichtet. "Wir werden an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen", sagte Zhou Jianping, Chefdesigner des astronautischen Raumfahrtprogramms Chinas (CMS), kürzlich laut chinesischem Staatsfernsehen. "Wir müssen Erfolg, Qualität, Sicherheit und Verlässlichkeit wahren."

Wenn die in die Jahre gekommene Internationale Raumstation (ISS) in den kommenden Jahren ihren Dienst einstellt, wäre China zumindest vorübergehend die einzige Nation, die einen Außenposten im Erdorbit betreibt. An der ISS war das Land auf Betreiben der USA nicht beteiligt.

Nach großen neuen Gemeinschaftsprojekten der ISS-Partner sieht es indes nicht aus: Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos hätte gerne 2030 wieder eine eigene Station in einer Erdumlaufbahn, während die US-Weltraumbehörde Nasa den Mond im Blick hat. Die Lunar Gateway genannte US-Station soll den Erdtrabanten umrunden und Unterstützung für eine "langfristige Rückkehr von Menschen auf die Oberfläche des Mondes" sowie eine Basis für die Erkundung des tieferen Weltraums bieten. Frühestens 2024 könnten erste Komponenten ins All gebracht werden, heißt es von der Nasa. (dare, APA, dpa, 28.4.2021)