Senta Berger und Peter Simonischek im Fernsehfilm "An meiner Seite" am 7. 5. auf Arte und tags darauf im ORF.

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Senta Berger in "Es muss nicht immer Kaviar sein" – zu sehen am 1. 5. im ORF.

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Mehrmals ist Senta Berger in den nächsten Wochen in ihrer Paraderolle in "Unter Verdacht" zu sehen.

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Dieser Film ist ihr wichtig. Das macht schon die Agentin klar, die Senta Berger bei diesem Projekt betreut: In mindestens drei Fragen muss es bei diesem Interview um "An seiner Seite" gehen, lautet die Bedingung der Schauspielerin. Erst dann würde sie über sich und den kommenden 80. Geburtstag sprechen. Im Film geht es um eine Frau, die ihren erfolgreichen Mann ein Leben lang durch die ganze Welt begleitet und unterstützt hat. Am Ende seiner beruflichen Laufbahn ist sie damit konfrontiert, ihr Leben zu überdenken. Der Mann an Senta Bergers Seite ist Peter Simonischek – zu sehen ist der Film am 7. Mai um 20.15 Uhr auf Arte, am 8. im ORF, am 10. im ZDF.

Die Vorgabe wäre gar nicht nötig gewesen, der Film ist mehr als drei Fragen wert und stellt die Stärken von Bergers Figuren einmal mehr in den Vordergrund: den bedingungslosen Willen, die Dinge zu Ende zu denken, daraus Schlüsse zu ziehen, danach zu handeln und einen geraden Weg zu gehen, auch wenn es weh tut. Viele ihrer Figuren waren so – etwa die Gerdi Angerpointner in "Die schnelle Gerdi" oder die Susa in "Lamorte" oder die Eva Maria Prohacek in "Unter Verdacht". Die österreichische Schauspielerin Senta Berger feiert am 13. Mai ihren 80. Geburtstag. Dem STANDARD antwortete sie per Mail.

STANDARD: Es heißt, Sie waren intensiv an der Entwicklung des Drehbuchs beteiligt. Worum ging es Ihnen?

Berger: Der Regisseur Felix Carolus hat nach einer wahren Begebenheit einen Kurzfilm gedreht, aus dem nun auf Wunsch des ZDF ein langer Spielfilm werden sollte. Felix war durch viele Jahre hindurch Regieassistent bei "Unter Verdacht" und eine ganz große Kraft im Team. Florian Iversen, der Drehbuchautor, hatte schon mehrere Bücher für "Unter Verdacht" geschrieben, und die Redakteurin Elke Müller hatte durch all die Jahre " Unter Verdacht" betreut. Wir kannten uns also alle gut und waren eine verschworene Gemeinschaft. Wer was wann vorgeschlagen hat, weiß ich gar nicht mehr. Ich weiß allerdings das Privileg sehr zu schätzen, in meine Arbeiten grundsätzlich sehr früh eingebunden zu werden.

STANDARD: Eine Frau, die ihr Leben ihrem Ehemann widmet und erst spät bemerkt, dass sie dabei auf sich selbst vergessen hat: Was hat Sie zu dieser Geschichte inspiriert, wo haben Sie sich eingebracht?

Berger: Ab einem bestimmten Alter kommen einem die Jugend und die Anfänge wieder sehr nahe. Man überdenkt sein Leben und auch, dass es völlig anders hätte verlaufen können. Man lebt ein Leben und versäumt ein anderes. Das sind unausweichliche Gedanken und das zentrale Thema unseres Films.

STANDARD: Wo begegnet Ihnen Altersdiskriminierung – als Schauspielerin?

Berger: Nirgends. Ich habe immer schon Frauen meines Alters gespielt, in jedem Kapitel meines Lebens. Jedermann weiß, wie alt ich bin.

STANDARD: Als Privatperson?

Berger: Ebenfalls nicht.

STANDARD: Viel ist derzeit die Rede von Political Correctness – Sexismus, Rassismus werden aufgezeigt. Ist Ihnen das zu viel, zu wenig, oder sind Sie froh, dass diese Dinge endlich besprochen werden?

Berger: Dass die Anliegen von Minderheiten breit in der Öffentlichkeit wahrgenommen und diskutiert werden, ist ein notwendiger und vielleicht sogar ein überfälliger Schritt unserer Gesellschaft – solange diskutiert wird. Die sozialen Medien aber verschärfen die Konflikte zwischen den Menschen, die verschiedener Meinung sind. Die Sprache wird rauer, die Umgangsformen rüder, es gibt kaum noch Diskussionen, nur noch Streit. Ich denke, dass Zeichen wie "Sternchen" und "innen" die Inhalte mehr überdecken als offenlegen. Ich finde es nicht korrekt, dass ein Gedicht von Gomringer, in dem er Frauen bewundernd mit Blumen vergleicht und das auf die Hauswand einer Berliner Hochschule gemalt worden war, entfernt werden musste, weil es das Missfallen einiger Studentinnen erregt hatte. Ich finde es nicht korrekt, dass ein Professor der New Yorker Filmhochschule bei dem Direktor der Schule denunziert wird, weil er Stanleys Kubrick Meisterwerk "Lolita" in seiner Klasse gezeigt hat. Ihm wurde mit der Entlassung gedroht. "Culture-Canceling" ist immer eine Anmaßung.

STANDARD: Sie beschrieben 2006 in Ihren Memoiren Sexismus in Film und TV. Ihre Aussagen wurden damals nicht sehr stark wahrgenommen. Ganz im Gegenteil jetzt: Durch ein Interview vor kurzem erhält die Geschichte mit O. W. Fischer plötzlich große Aufmerksamkeit ("Senta Berger packt aus"). Wundern Sie sich?

Berger: Ich habe in meiner Autobiografie" Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann" 2006 über einige Vorfälle geschrieben, die ich erlebt habe. Ich habe nicht über "Sexismus im Film und TV" geschrieben – wie könnte ich verallgemeinernd darüber schreiben? In den letzten 15 Jahren hat sich die Position der Frauen in der Gesellschaft verändert. Die Machtverhältnisse haben sich geändert und damit auch das Selbstwertgefühl der Frauen. Das heißt nicht, dass Frauen ihre Gleichstellung erreicht hätten. Über die ungleichen Gehälter bei gleicher Arbeit reden wir doch schon seit 40, 50 Jahren. In der Aufmerksamkeit der Medien, die jetzt groß aufgemacht über meine Erfahrungen berichten, liegt auch ein gewisser Voyeurismus. Das stört mich. Diese Aufmerksamkeit verdienen Frauen, die zum Beispiel hinter der Kasse vom Supermarkt sitzen und vom Geschäftsführer belästigt werden oder vom Chef im Büro oder an irgendeiner anderen Arbeitsstelle.

STANDARD: Wie gingen Sie damals unter Kolleginnen damit um? Sprachen Sie darüber?

Berger: Als sehr junge Schauspielerin in Berlin habe ich öfter gute Ratschläge bekommen, wie man sich bei diesem oder jenem Produzenten oder Regisseur zu verhalten hätte. In wessen Auto man keinesfalls alleine einsteigen solle. Diese Gespräche gefielen mir nicht. Sie handelten zu oft von Taktiken, die man als Frau befolgen sollte, um trotz einer Verweigerung gewisse Rollen zu bekommen. Das fand ich billig. Ich habe von dem Vorfall mit O. W. Fischer nur innerhalb meiner Familie erzählt.

STANDARD: War es "nur" in Deutschland und Österreich schlimm – oder in den USA genau gleich?

Berger: Was meinen Sie mit "schlimm"? Waren die Machtverhältnisse in USA genauso gestaltet wie in Europa? Ja – natürlich!

STANDARD: Hat #MeToo etwas gebracht?

Berger: Wie immer Positives und eben auch Negatives. Es war ohne Zweifel ein wichtiger Schritt, der notwendig war, um unsere Rollenbilder zu überdenken. Die Abhängigkeiten in künstlerischen Berufen ist offensichtlicher als in anderen, gesicherteren. #MeToo ist also von einer Branche ausgegangen, in der die Existenz oft – zu oft – von der Entscheidung eines Einzelnen abhängt. Der oder die haben also Macht. Und der oder die missbrauchen diese Macht. In die #MeToo-Bewegung haben sich auch viele falsche Töne gemischt. Ein schreiender Regisseur – gibt es die überhaupt noch? – begeht keinen Missbrauch und muss auch keiner Missbrauchsberatung gemeldet werden. Und wenn ein Sänger der jungen Pressereferentin eine Hand auf ihren Schenkel legt, muss sie lernen, zu sagen: "Hand weg", aber sich nicht nach zehn Jahren öffentlich darüber beschweren. .Ja, wir lernen, wir Frauen, und wir lernen schnell.

STANDARD: Sie haben in einem Interview gesagt, freche Frauenfiguren wie die Gerda Angerpointner gibt es nicht mehr im deutschen Fernsehen, es habe eine große Glättung stattgefunden. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Berger: Das kann ich nicht beurteilen. Entspannung am Feierabend vielleicht? So wie in der klassischen Musik, "zum Entspannen und Genießen"? Die Gerdi hat ja auch viele Leute verärgert und verstimmt. Nicht nur die Taxler – die mich auch heute noch mit "Ah, die Gerdi" begrüßen und "Na, Sie wern scho wissen, wo's langgeht" ... Wäre die Serie mit Karl Merkatz als Mundl heute noch denkbar?

STANDARD: Ein Ratschlag aus Anlass des Films: Wenn einer Karriere macht, bleibt der andere oft auf der Strecke. Wie kommt man da raus?

Berger: Mein Mann Michael Verhoeven und ich haben uns sehr jung kennengelernt und gemeinsam entwickelt. Nicht auseinanderentwickelt. Wir haben sehr jung geheiratet und uns damit auf ein großes Abenteuer eingelassen. Wir haben gemeinsam eine Firma gegründet, die Sentana Filmproduktion, und damit einige interessante Filme gemacht. Von "Die Weiße Rose" über "Die schnelle Gerdi" bis zu "Willkommen bei den Hartmanns". Wir haben gemeinsam Karriere gemacht. Der Beruf war natürlich eine große Klammer in unserer Ehe. Unter anderen. Ihre Frage zielt nicht unbedingt auf Michael Verhoeven und mich, aber ich höre durch, dass wir gemeint sind. Dazu: Michaels Filme sind auf vielen Festivals in der ganzen Welt gelaufen, oft habe ich ihn begleitet und war bei seinen Pressekonferenzen dabei – und oft hat man sich dann auch höflich mit der Frage an mich gewandt: Und was machen Sie? Are you in the business too?

STANDARD: Alle deutschen Sender – ZDF, ARD, BR und sicher auch ORF – spielen Senta-Berger-Filme zum Geburtstag. Wenn Sie Programmdirektorin wären – welche würden Sie senden?

Berger: Die Schauspielerin würde sich "Die schnelle Gerdi" wünschen und "Lilli Lottofee", "Satte Farben vor Schwarz", "Willkommen bei den Hartmanns" und natürlich eine oder zwei Folgen der "Unter Verdacht"-Reihe. Und dann aus dem ORF-Archiv: drei Einakter aus den 1970er-Jahren mit Dietmar Schönherr und Walter Schmiedinger, Regie Wolfgang Glück, und aus dem Kinofilm "Der Reigen" von Otto Schenk, meine Episode mit Peter Weck und Helmut Berger.

STANDARD: Wie werden Sie Ihren 80. Geburtstag feiern?

Berger: Wir werden sehen, was Corona zulässt. Ich wünsche mir strahlendes Maienwetter – wie es einem Maikind zusteht. Es wäre schön, wenn wir im kleinen Kreis in Wien feiern könnten. Im Innenhof eines Heurigen. Unter einem Maulbeerbaum. Gut, eine blühende Kastanie wäre auch schon sehr schön. (Doris Priesching, 29.4.2021)