Sandtöne dominieren die neue Papyrus-Dauerausstellung.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Dass Papyri "nicht durch ihr äußeres Erscheinungsbild bestechen", gibt sogar der Direktor des Wiener Papyrusmuseums, Bernhard Palme, zu. Umso mehr war ein Relaunch der Zweigstelle der Nationalbibliothek angebracht. Denn 1999 eröffnet, zeigte sich die bisherige Schau dicht gepackt. Corona spielte der Umsetzung einer schon länger angedachten Neupräsentation nun in die Hände. Schnell entschlossen traf man sich vergangenen März mit BWM Architekten, seit Herbst wurde umgebaut. Am Dienstag werden die umgestalteten Räume in der Neuen Burg wiedereröffnet – mit 400 Exponaten, die 3100 Jahre Geschichte und zwölf Themenbereiche wie Handel, Verwaltung, Magie und Recht abdecken.

Palmes Einschätzung gemäß verlässt man sich dabei weniger als bisher auf die Aura der Exponate, sondern fokussiert fortan auf Kontext, Vermittlung und die Geschichten dahinter. "Denn alles, was wir heute auf Papier schreiben, haben die Menschen der Antike auf Papyrus und Ton dargelegt." So ist die neue Dauerausstellung ein Spiel mit weitverbreiteten Vorstellungen und deren Brechung. So gibt es etwa neben Highlights wie dem sechs Meter langen Totenbuch des Sesoastris (das älteste Objekt der ÖNB-Sammlungen) einen Bericht vom Streit zwischen Betrunkenen oder fordert ein Winzer brieflich einen Kunden auf, ihm den gelieferten Wein zu bezahlen. Von einem Liebespaar ist der Ehevertrag erhalten, das Glück währte nur kurz, auf Monate später datiert die Scheidungsurkunde.

Pyramiden als Klischee

An solcherlei denkt man nicht als Erstes, wenn man das Wort Papyrus hört; naheliegender ist Sand. Das ging auch BWM Architekten so, die für die ÖNB bereits das Literaturmuseum und das Haus der Geschichte designt haben. Brauntöne dominieren die Wände und sind von Folianten über Ägypten inspiriert, ebenso eine bewusst Klischees bedienende Fototapete der Pyramiden von Gizeh im Stiegenhaus. Den Hauptraum überspannt eine himmelblaue Decke, "als wäre man in der Wüste".

700.000 Euro standen für den Umbau zur Verfügung, der dank Durchbrüchen nicht nur mehr Ausstellungsfläche, sondern auch mehr Raum für die Vermittlung bietet. Immerhin gehören Schulklassen zu den wichtigsten Zielgruppen. In einem Erlebnisraum können sie nun Frottagen des Steins von Rosetta erstellen. Multimedial wurde mit einem halbstündigen Audioguide und einem Medientisch aufgerüstet. Mit Blick auf Nachhaltigkeit werden die klimatechnisch noch einwandfreien Vitrinen weiterverwendet, sie sitzen nur auf neuen Gestellen.

Nichts kolonialistisch Belastetes

30.000 Besucher lockte das Haus vor Corona jährlich an, Sonderausstellungen sollen ihnen künftig ganz aktuelle Forschungsergebnisse aufzeigen. Material gibt es bei insgesamt 180.000 Objekten genug. Sie gehen zurück auf den Habsburger Erzherzog Rainer, der 1883 begann, auf antiken Müllhalden in Ägypten gefundene Schriften zu kaufen. Ob auch kolonialistisch Belastetes im Bestand ist? Das verneint ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger mit Verweis auf den Erwerb. Sollten aber Forderungen aufkommen, werde man sich ihnen offen stellen. (Michael Wurmitzer, 29.4.2021)